Das Gelände ist unzugänglich und die Ausrüstung schwer: Trotzdem tragen die Maultiere und Haflinger schwere Lasten für die Soldatinnen und Soldaten der Gebirgsjägerbrigade 23 aus Bad Reichenhall. In den luftigen Höhen der Alpen und den Tälern Bayerns leisten die Einhufer stoisch ihren Dienst für die Bundeswehr.
Wenn Menschen und Maschinen an ihre Grenzen stoßen, werden sie aufgesattelt: Die Tragtiere des Einsatz- und Ausbildungszentrums für Tragtierwesen 230 unterstützen die Soldatinnen und Soldaten der Gebirgsjägerbrigade 23 aus Bad Reichenhall immer dann, wenn das Gelände zu anspruchsvoll ist für klassische Transportmittel.
Etwa 60 dieser Tiere sind momentan in drei großen Freiläufen auf dem Gelände der Kaserne untergebracht. Davon sind etwa 45 Maultiere, also eine Kreuzung aus Pferdestute und Eselhengst. Acht der Tiere sind Haflinger, eine robuste Rasse von Arbeitsponys. Außerdem gibt es noch sechs Esel. Sie alle werden als Tragtiere eingesetzt. Manni, das Maultier mit der Hufbrandnummer 55, ist eines von ihnen.
Vom Mittelmeer in die Bayerischen Alpen
Um Tragtier bei der Bundeswehr werden zu können, muss man sprichwörtlich in den Job hineingeboren werden. So auch das Muli Manni. Die Tiere werden vorwiegend in Italien oder Spanien angekauft. Eine eigene Züchtung hat das Zentrum nicht. Dazu fährt eine Ankaufkommission zu den Kandidatinnen und Kandidaten. Sie besteht aus einer Tierärztin, einem Hufschmied und einem Tierführer oder einer Tierführerin. Ihre Aufgabe ist es, die Tiere auf ihre körperliche und charakterliche Eignung zu überprüfen. Die Tiere müssen eine gewisse Größe sowie Statur und einen ausgeglichenen Charakter haben, um bei den Gebirgsjägern in die Ausbildung gehen zu können. Schreckhafte und ängstliche Tiere eignen sich zum Beispiel nicht für die Arbeit in den Streitkräften.
In einem Jahr zum militärischen Tragtier
Die Tiere beginnen mit frühestens vier Jahren mit der Ausbildung. Sie sind zu diesem Zeitpunkt im jugendlichen Alter. Erst werden sie an den Umgang mit Menschen und dann langsam an das Tragen von Lasten gewöhnt. Die Ausbildung dauert im Optimalfall ein Jahr, meistens aber ein paar Monate länger. Voll einsatzfähig beziehungsweise belastbar sind die Tiere frühestens mit fünf Jahren.
Zu Beginn der Ausbildung werden die Tiere zunächst an das Auflegen von Decken gewöhnt, später an leichte Sättel bis hin zum Tragsattel mit etwa 100 Kilogramm Nutzlast. Die volle Last tragen die Tiere jedoch erst, sobald sie ausgewachsen sind. Bis dahin werden die Gelenke und Knochen noch geschont.
Ein weiterer Teil der Ausbildung ist der Gelassenheitsparcours. Mit diesem werden die Tiere in kontrollierter, geschützter Umgebung an natürliche Hindernisse gewöhnt. Beispielsweise werden sie in der Reithalle durch ein von der Decke hängendes Flatterband geführt, das an Äste und Blätter erinnert, oder durch ein kleines aufblasbares Wasserbecken, um die Durchquerung einer Furt darzustellen.
Besonders an der Ausbildung der Tragtiere in Bad Reichenhall ist, dass die Tiere an Schusslärm gewöhnt werden. So bleiben sie auch im Ernstfall ruhig. Aber nicht nur ein Tragtier durchläuft eine intensive Ausbildung, bevor es seinen Dienst antreten kann. Auch sein Führer muss einige Ausbildungsschritte durchlaufen, bis er oder sie fertig ausgebildet ist.
Die Ausbildung zum Tragtierführer bei der Bundeswehr
Lehrgang
Inhalt
Dauer
Ort
Basisausbildung Gebirgsjäger
Grundausbildung für Gebirgsjäger mit zusätzlichen Inhalten wie Klettern und Abseilen
6 Monate
Bad Reichenhall
Spezialgrundausbildung Gebirgsjäger
Bergmärsche, weiterführende Kletterausbildungen, Erste Hilfe und jahreszeitenabhängige Ausbildung wie Verhalten bei einer Lawine
3 Monate
Bad Reichenhall
Ausbildung zum Tragtierführer
Grundlagen Anatomie, Erste Hilfe am Tier, Umgang an und mit den Tieren, Durchführen eines Tragtiermarsches
4 Wochen
Bad Reichenhall
Auch Manni hat einen Dienstplan
Jeder Tag beginnt für Manni und den Rest der Tiere mit der sogenannten Tragtierpflege. Hierbei wird jedes Tier von Kopf bis Huf geputzt und auf Verletzungen überprüft. Außerdem bekommen die Tiere jeden Morgen ihre Sonderfütterung. Das Zusatzfutter besteht aus Mineral- und Kraftfutter und wird von den Tragtierführern gegeben. Dies ist besonders wichtig, damit die Tiere eine Bindung zu ihrem Tragtierführer aufbauen.
Bei Bedarf haben die Tiere nach der Fütterung am Morgen Termine bei Spezialistinnen und Spezialisten, zum Beispiel beim Hufschmied, bei der Tierärztin oder beim Sattler. Ansonsten geht es für die Tiere entweder in die Halle zum Training oder sie werden beispielsweise für einen Versorgungsmarsch vorbereitet.
Manni und seine vierbeinigen Kameradinnen und Kameraden werden dazu gesattelt und mit schweren Lasten beladen. Dann geht es hinauf zu den Berghütten, zum Beispiel auf die Zwieselalm. Rund sieben Kilometer Wegstrecke und 900 Höhenmeter später kommen sie hungrig am Ziel an. Während die Tiere eine Futterpause einlegen, entladen die Tragtierführer ihr Gepäck. Später geht es für Manni und die anderen wieder ins Tal. Bis zu viermal die Woche gehen sie auf einen solchen Übungsmarsch in die Berge.
Interview mit Stabsfeldwebel Christian H.
Wird jedem Tier ein eigener Tragtierführer zugeordnet?
Nein. Es wäre zwar gut für eine optimale Tier-Mensch-Bindung, allerdings muss grundsätzlich jeder Tragtierführer mit jedem Tragtier arbeiten können.
Gibt es besondere Voraussetzungen, um am Einsatz- und Ausbildungszentrum für Tragtierwesen eingesetzt werden zu können?
Grundsätzlich kann sich jeder für den Dienst bewerben. Allerdings wird bei uns eine hohe Marschfestigkeit gefordert sowie der Wille, mit dem Tier zu arbeiten.
Was würden Sie den Menschen raten, die mit und am Tier bei Ihnen arbeiten wollen?
Sie müssen bereit sein, neue Dinge zu lernen. Auch wenn sie im Zivilen mit Pferden zu tun haben, ist die militärische Arbeit mit Maultieren doch etwas anderes. Außerdem bedeutet die Arbeit mit den Tieren nicht nur Streicheln und Füttern, sondern auch Stalldienst, Sonderdienste an Wochenenden und Feiertagen und das Marschieren bei Wind und Wetter.
Wie lange kann ein Maultier bei der Bundeswehr eingesetzt werden?
Die Tiere werden bis zum 20. Lebensjahr eingesetzt. Das ist keine scharfe Grenze, sondern ein Richtwert. Tiere, die in guter physischer Verfassung sind, können auch noch ein bis zwei Jahre länger dienen.
Was passiert mit den Tieren, die sich nicht zum Dienst eignen?
Tiere, die auch nach intensiver Ausbildung nicht das gewünschte Lernziel erreichen, werden an den zivilen Markt abgegeben. Dies gilt ebenso für Tiere, die ihr Pensionsalter erreicht haben. Unsere Tiere werden nur an Personen abgegeben, die einen artgerechten Lebensabend gewährleisten.
Wie wird sich um die Tiere außerhalb ihres Dienstes gekümmert?
Die Tiere brauchen tägliche Betreuung. Dazu gehört die Versorgung mit Heu und Stroh, welches bei jeder Lieferung einer Qualitätskontrolle unterzogen wird. Trotz der Herdenhaltung in den Freiläufen erhält jedes Tier eine Individualbetreuung mit spezieller Fütterung und Pflege. Außerdem werden für jedes Tier eine Krankenakte und ein Wiegeprotokoll geführt. Dadurch wird zu einer optimalen Haltung und Führung unseres Bestandes beigetragen.
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