Team Deutschland stellt sich auf
Team Deutschland stellt sich auf
- Datum:
- Ort:
- Warendorf
- Lesedauer:
- 4 MIN
Team Deutschland bereitet sich auf die sechsten internationalen Versehrtensportspiele vor. 39 Athletinnen und Athleten werden bei den Wettkämpfen vom 9. bis zum 16. September in Düsseldorf starten. 32 Teilnehmende der Invictus Games trafen sich für ein zweiwöchiges Trainingslager an der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf.
„Denkt dran: Nicht übertreiben“, gibt Stabsfeldwebel Kai C.* seinen Schützlingen mit auf den Weg. „Heute geht es in erster Linie um die Verbesserung eurer Rudertechnik.“ Vor dem Trainer der Sportschule der Bundeswehr sitzen fünf Frauen und Männer auf ihren Rudermaschinen. Stabsfeldwebel Jens R.* ist einer von ihnen. Unermüdlich wirft er sich in die Riemen: die Beine durchdrücken, den Rücken grade nach hinten strecken, die Kette ziehen, ihr wieder Spiel geben und alles von vorne.
Eine Dreiviertelstunde geht das so, bis der Trainer zufrieden ist. R. wirft anschließend einen Blick auf die Anzeige der Rudermaschine und fotografiert sein Ergebnis. „Das waren 150 Watt mit einer Schlagfrequenz von 18 bis 26 Schlägen in der Minute“, sagt er und wischt den Schweiß von der Ruderbank. „Bei den Invictus Games werden es 300 Watt bei 30 Schlägen in der Minute sein.“
Auch Polizisten und Feuerwehrleute machen mit
Stabsfeldwebel R. ist einer von 39 Athletinnen und Athleten, die Deutschland vom 9. bis zum 16. September bei den internationalen Versehrtenspielen in Düsseldorf repräsentieren. Sein Fuß musste 1999 amputiert werden, nachdem er auf eine Mine getreten war. Viele Jahre hatte R. keinen Sport treiben können. Bis der Unteroffizier in die Gruppe Sporttherapie in Warendorf aufgenommen wurde und seine Leidenschaft für den Sport neu entfacht wurde.
„Wir sehen die Invictus Games als Teil der Rehabilitation. Sie sind ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Genesung. Wir hoffen auf eine überragende Stimmung und großen Support für unser deutsches Team.“
Erstmals sind im Team Deutschland auch vier Angehörige der sogenannten „Blaulichtorganisationen“ mit von der Partie – also von Landes- und Bundespolizeien sowie der Feuerwehr. Auch sie wurden im Dienst verletzt oder traumatisiert. Auch sie sind Teil der Gruppe Sporttherapie, die ihren Rehabilitationsprozess mit körperlicher Betätigung, individuellen Gesprächen und menschlicher Wärme voranzubringen sucht.
Dabei sein ist alles
Vor Tausenden Zuschauern wollen die Athletinnen und Athleten sich selbst, ihren Familien und der Welt beweisen, dass auch schwere Schicksalsschläge überwunden werden können. Dafür wird in Warendorf hart trainiert – auch wenn der Spaß immer im Vordergrund steht. Vormittags stehen zwei Übungseinheiten auf dem Dienstplan, nachmittags ein bis zwei weitere.
Alle Teilnehmenden können ihren sportlichen Neigungen nachgehen: Zehn Sportarten vom Bogenschießen über die Leichtathletik bis zum Sitzvolleyball stehen zur Auswahl. Auf Vorschlag von Team Deutschland wird diesmal auch Tischtennis gespielt – der Gastgeber darf sich immer eine Sportart aussuchen, die neu ins Programm aufgenommen wird. In zwei Sportarten wird Deutschland aber nicht antreten: Beim Rollstuhlrugby und dem Bankdrücken ist die Verletzungsgefahr aus Sicht der Ärzte einfach zu groß.
Zweite Heimat Warendorf
Für viele der Athletinnen und Athleten ist die Sportschule der Bundeswehr so etwas wie eine zweite Heimat geworden. Ein- bis zweimal im Jahr kommen sie nach Warendorf, um sich ganz auf ihre Rehabilitation zu konzentrieren – mal für wenige Tage, mal für einige Wochen – oder um sich wie jetzt auf die Invictus Games vorzubereiten. Alle Teilnehmenden sollen sich im Trainingslager zwei bis drei Sportarten suchen, in denen sie in Düsseldorf starten wollen.
Stabsfeldwebel R. weiß bereits, in welchen Sportarten er sich messen möchte: Neben dem Rudern sind das die Teamsportart Sitzvolleyball und das Radfahren. Das steht am Nachmittag auf dem Trainingsplan. „Es geht heute darum, ganz locker zu kurbeln“, sagt Stabsfeldwebel C., der auch das Radfahrtraining leitet. „Ihr werdet noch unzählige Kilometer im Sattel verbringen, bis euer Rennen bei den Invictus Games startet.“
Die ersten davon werden im Kraftraum der Sportschule abgespult. Jens R. hat dafür seine Prothese gewechselt: Die Neue verfügt über einen Adapter für die Klickpedale des Heimtrainers. Etwa eine Stunde wird R. im Sattel verbringen. Auf einer Schiefertafel hat sein Trainer das Programm für heute aufgemalt: Nach einer rund 15-minütigen Aufwärmphase werden vier Intervalle von je zehn Minuten mit wechselnden Trittfrequenzen gefahren. Wer nicht mehr kann, macht Pause.
Jens R. braucht keine Auszeit. Er ist aber trotzdem ganz froh, nicht mehr allzu hart gefordert zu werden: „In den letzten Tagen habe ich mich ganz schön verausgabt.“ Dann fotografiert er das Trainingsprogramm – als Inspiration für die nächsten Einheiten zu Hause. Wenn Dienst und Familie es zulassen, steigt er fast jeden Tag aufs Rad. „Ich werde es mir trotzdem überlegen, ob ich mir bei den Invictus Games das Straßenrennen gebe oder nur im Zeitfahren antrete“, sagt der Stabsfeldwebel. Noch sind es ja einige Monate hin.
*Namen zum Schutz der Soldaten abgekürzt.