„Die Spiele waren der Auslöser, aus meinem Selbstmitleid herauszukommen“
„Die Spiele waren der Auslöser, aus meinem Selbstmitleid herauszukommen“
- Datum:
- Ort:
- Düsseldorf
- Lesedauer:
- 3 MIN
Bei den Spielen in Den Haag ging er als Athlet für Team Deutschland an den Start. Ein Jahr später ist Hauptfeldwebel Andreas R. wieder dabei: Bei den Invictus Games 2023 in Düsseldorf informiert der Lotse für Einsatzgeschädigte über seine Arbeit. Ein Gespräch über die Krankheit PTBSPosttraumatische Belastungsstörung und wie die Spiele ihm halfen, wieder auf die Beine zu kommen.
Herr Hauptfeldwebel Andreas R.*, warum sind Sie Lotse für Einsatzgeschädigte geworden?
Ich habe seit 25 Jahren eine chronifizierte Posttraumatische Belastungsstörung und kenne das Krankheitsbild genau. Mit meinen Erfahrungen kann ich meinen Kameradinnen, Kameraden und ihren Familien helfen, einen Weg aus der Krankheit zu finden. Ich möchte helfen, weil ich damals keine Hilfe hatte – und die Kameraden dabei unterstützen, nicht die Fehler zu machen, die ich gemacht habe.
Was macht Ihre Tätigkeit aus?
Ich betreue einsatzgeschädigte Soldaten deutschlandweit und bin ihr erster Ansprechpartner. Ich begegne meinen Kameraden auf Augenhöhe und bin das Bindeglied zu ihren Vorgesetzten. Ich begleite sie bei Behördengängen und gebe Tipps, wo sie sich Hilfe holen können. Ich komme aus der Praxis und bin für die Praxis da. Der Job ist meine Erfüllung.
Warum sind Sie an PTBSPosttraumatische Belastungsstörung erkrankt?
Ich war bis 2004 Panzergrenadier in der Kampftruppe. Ich habe fast jeden Einsatz mitgenommen, in den die Bundeswehr in den 1990er-Jahren gegangen ist: Bosnien, Mazedonien, Kosovo, einige Jahre später auch Afghanistan. Auf dem Balkan gab es damals ethnische Säuberungen. Tod und Verwundung waren meine ständigen Begleiter.
Welche Symptome haben sich gezeigt?
Mein Kopf stand unter Dauerstrom. Ich bin wegen Kleinigkeiten ausgerastet, hatte Aussetzer. Schwere Depressionen und Schlafstörungen kamen dazu. Um Ruhe zu finden, griff ich zum Alkohol. Es wurde immer schlimmer. Meine damalige Frau zog die Reißleine und trennte sich von mir. Das war das einzig Richtige. Ich bin über viele Jahre in der sozialen Isolation verschwunden, habe mich gefühlt wie ein Zombie. Bis heute habe ich zwei, drei Ausfälle im Jahr.
Wann ist die PTBSPosttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden?
Das war 2015. Im Jahr darauf bin in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art wiedereingestellt worden. 2017 habe ich zwei Soldatinnen zum Flughafen gefahren, die als Athletinnen zu den Invictus Games nach Toronto wollten. Direkt danach habe ich mir auch ein Flugticket gekauft und bin hinterhergeflogen, um die Spiele als Besucher zu erleben. Ich wollte wissen, ob ich das von der Belastung her ertragen kann. Was soll ich sagen: Mir kamen die Tränen. Das war der Auslöser, um aus meinem Selbstmitleid herauszukommen.
Wie ging es weiter?
Ich bin in die Gruppe Sporttherapie an der Sportschule der Bundeswehr aufgenommen worden. Das hat meinem Leben neue Struktur gegeben. 2018 war ich noch einmal als Besucher bei Invictus Games in Sydney. Ein Jahr später wurde ich Berufssoldat. 2022 war ich selber als Sportler dabei, in den Sportarten Radfahren und Bogenschießen. Die Bundeswehr hat mir geholfen. Deshalb möchte ich etwas zurückgeben.
Wie gefallen Ihnen die Invictus Games 2023 in Düsseldorf?
Ich freue mich über jeden, der die Emotionen hier vor Ort erleben kann. Wenn die Kameradinnen und Kameraden mit ihren Freunden und Familien in ihre Heimat zurückkehren, sollen sie auf eine wunderschöne Zeit zurückblicken. Zum krönenden Abschluss meiner Dienstzeit 2025 möchte ich gerne noch einmal als Athlet bei den nächsten Invictus Games in Kanada dabei sein.
*Name zum Schutz des Soldaten abgekürzt.