Letzter Stopp Sonthofen: Team Deutschland startklar für Kanada
Letzter Stopp Sonthofen: Team Deutschland startklar für Kanada
- Datum:
- Ort:
- Sonthofen
- Lesedauer:
- 4 MIN
Der Countdown für die Invictus Games 2025 läuft. Am 8. Februar fällt in Vancouver der Startschuss für die siebte Auflage des Sportfestes für Versehrte. Team Deutschland misst sich in zehn Sportarten mit Kameradinnen und Kameraden aus 25 Nationen. Erstmals steht auch Wintersport auf dem Programm. Die Vorfreude im Trainingslager in Sonthofen ist groß.
Frisch ist es im höchstgelegenen Skigebiet Deutschlands – obwohl die Sonne alles gibt, um das verschneite Tal unterhalb der Zugspitze zu erwärmen. Die Fahrer in den Skianzügen der Bundeswehr ficht der Frost nicht an: Die Schneelage auf 2.900 Metern Höhe ist fantastisch, die Pisten an Deutschlands höchstem Berg sind zu Saisonbeginn noch leer. Major Achim G. ist in seinem Element. „Ich fahre Ski, seit ich sechs Jahre alt bin. Am liebsten natürlich bei strahlendem Sonnenschein und in einem Panorama wie diesem“, sagt Deutschlands Kapitän für die Invictus Games 2025 und blickt zu den Alpen.
Der Produktmanager aus dem Beschaffungsamt der Bundeswehr wird in wenigen Wochen erneut vor spektakulärer Bergkulisse Ski fahren: Dann aber am anderen Ende der Welt in Kanada und das auch noch vor tausenden Zuschauern. Major G. vertritt Deutschland bei der ersten Wintersportausgabe der Invictus Games im Abfahrtslauf. „Die Spiele sind ein unfassbar großes Ereignis“, sagt der deutsche Teamkapitän.
Das gilt wohl für alle der 550 Teilnehmenden aus 25 Nationen. Wer bei den Invictus Games antritt, wurde im Dienst der Streitkräfte so schwer verletzt, dass dauerhafte Einschränkungen blieben. In Vancouver und Whistler wollen sie der Welt zeigen, dass sie sich davon nicht unterkriegen lassen. „Es geht nicht nur um den Sport, sondern auch um die persönliche Weiterentwicklung der Athletinnen und Athleten“, sagt Achim G. über die Invictus Games. „Die Spiele sind ein strahlendes Beispiel für die Resilienz der Menschen, die von körperlichen oder seelischen Traumata betroffen sind.“
Wintersport-Premiere bei den Spielen
Major G. ist genau wie die anderen 20 Athletinnen und Athleten des deutschen Aufgebots im Programm der Gruppe Sporttherapie der Bundeswehr. Ein Team aus Sporttrainern, Truppenpsychologen und Ärzten arbeitet an der Sportschule in Warendorf mit traumatisierten Bundeswehrangehörigen an deren Rehabilitation. Durch körperliche Betätigung und die Kraft der Gemeinschaft werden den Teilnehmenden Selbstvertrauen und neuer Lebensmut vermittelt. Die Teilnahme an den Invictus Games markiert für alle Athletinnen und Athleten einen Meilenstein auf dem Weg ihrer Genesung.
Auch für Oberstleutnant der Reserve Julian T. vom Teammanagement sind die Spiele in Nordamerika eine Herausforderung. „Kanada ist auch für uns ein Wagnis. Die Winterspiele sind eine Premiere in der Geschichte der Invictus Games“, sagt T., der das deutsche Team zum sechsten Mal zu den Spielen begleitet. „Beim ersten Trainingslager im Januar haben viele Athletinnen und Athleten zum ersten Mal auf Skiern gestanden.“
Damals hatten sich die Athletinnen und Athleten von Team Deutschland zum ersten Mal am Standort der Sportschule in Sonthofen zum Wintertrainingslager getroffen. Nun, beim erneuten Wiedersehen im Allgäu, ist schon Generalprobe. Trainiert werden Ski alpin, Langlauf und Biathlon. Das deutsche Curling-Team hatte sich schon in der Vorwoche zusammengefunden, die Skeleton-Rodelnden trainieren in Winterberg.
Raus aus der Komfortzone
Die Ausdauersportler ziehen im Zentrum für die Nordischen Sportarten in Oberstdorf ihre Runden in der Loipe. Langlaufende und Biathleten sind konzentriert bei der Sache – auch wenn der Spaß im Vordergrund steht. Wenn jemand wider Willen im Schnee landet, ist Oberregierungsrätin Mayleen F. mit aufmunternden Worten zur Stelle. Die Invictus Games gäben den Athletinnen und Athleten ein Ziel, auf das sie hinarbeiten könnten, so die Truppenpsychologin. „Es geht darum, aus der eigenen Komfortzone herauszukommen und in die Aktivität hineinzugehen“, sagt sie.
Viele ihrer Schützlinge litten unter posttraumatischen Belastungsstörungen, andere hätten eine Gliedmaße verloren oder müssten mit einer degenerativen Nervenerkrankung leben. „Manche kann ich nach zwei Jahren entlassen, andere sind genauso lange in der Gruppe Sporttherapie wie ich“, sagt F., die genau wie Teammanager T. schon bei vielen Ausgaben der Spiele dabei war. „Wen wir zu den Invictus Games mitnehmen, der hat enorme Entwicklungen hinter sich“, sagt sie.
Mancher Neuling sei anfangs verschlossen und misstrauisch, taue aber mit der Zeit auf. „Mit Sport kann in relativ kurzer Zeit viel erreicht werden“, sagt F. Sport stärke das Selbstwertgefühl, dieses Selbstvertrauen komme den Athletinnen und Athleten sowohl im Privatleben als auch im Beruf zugute. In Kombination mit der Unterstützung durch Familie, Freunde und Kameraden sei dies eine wesentliche Ressource für den individuellen Rehabilitationsprozess, so die Psychologin.
Rein ins Abenteuer
Die Organisatoren der Invictus Games ermöglichen es allen Teilnehmenden, jeweils zwei Bezugspersonen zu den Spielen mitzunehmen. Frau Oberfeldarzt Kerstin B. wird sich von ihrer Tochter und deren Freund unterstützen lassen. „Ich bin froh, dass sie mitkommt. Das ist ein auch ein Zeichen der Wertschätzung“, sagt die Offizierin, bei der nach einem Dutzend Auslandseinsätzen eine PTBSPosttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden war.
Nach vielen Jahren in der Gruppe Sporttherapie geht B. nun zum ersten Mal bei den Invictus Games an den Start. Als leidenschaftlicher Fan sportlicher Großveranstaltungen habe sie unbedingt dabei sein wollen, sagt sie. „Ich freue mich auf die Spiele und die Truppe. Ich will einfach dabei sein und die Atmosphäre genießen.“