Invictus Games 2023: Ein Abschied und ein Wiedersehen
Invictus Games 2023: Ein Abschied und ein Wiedersehen
- Datum:
- Ort:
- Düsseldorf
- Lesedauer:
- 3 MIN
Es ist 10:30 Uhr, aber schon High Noon auf dem Centercourt der Invictus-Games-Arena. Team Deutschland und Team Polen treten im Viertelfinale des Sitzvolleyballturniers zum Nachbarschaftsduell an. Mit der Nummer 7 auf dem Platz: Stabsfeldwebel Jens R. Es ist sein letzter großer Auftritt als Athlet bei den Invictus Games.
Als der Stabsfeldwebel für Deutschland aufschlägt, steckt ihm noch ein anderer Wettkampf in den Knochen: Um kurz nach 9 Uhr hatte sich Jens R.* auf den Sattel seines Rennrades geschwungen, um für Team Deutschland das Zeitfahren zu bestreiten.
Der leidenschaftliche Radfahrer war in knapp drei Minuten über den Rundkurs am Rand des Veranstaltungsgeländes gefahren und hatte mit 21 Sekunden Rückstand auf den Sieger den sechsten Platz gemacht. Hinterher war der Stabsfeldwebel gar nicht erst vom Fahrrad gestiegen, sondern war direkt zur Arena weitergeradelt, um sich mit seinen Teamkameraden auf das Sitzvolleyballspiel vorzubereiten.
Das Team geht vor
R. hatte eigentlich etwas später am Tag auch das Straßenradrennen bestreiten wollen – dann hatte sich das deutsche Sitzvolleyballteam aber am Vorabend etwas überraschend für das Viertelfinale qualifiziert. „Ich bin nicht traurig, das Straßenrennen zu verpassen, obwohl ich mich gründlich darauf vorbereitet hatte“, sagt er. „Der Teamsport geht bei den Invictus Games natürlich vor.“
Das Sitzvolleyballturnier ist Jens R.s letzte Chance auf eine Medaille als Athlet bei den Spielen. Es ist seine zweite und voraussichtlich letzte Teilnahme. Der Spaß und das Miteinander stehen bei den Invictus Games im Vordergrund, aber gegen sportlichen Erfolg haben die Athletinnen und Athleten natürlich auch nichts einzuwenden. Deutschland und Polen spielen um den Einzug ins Halbfinale; ein Sieg würde Jens R. und seine Kameradinnen und Kameraden in greifbare Nähe der Medaillenränge bringen.
Allerdings hat sich das Team aus dem östlichen Nachbarland das Gleiche vorgenommen. Vor vollbesetzten Tribünen präsentiert sich Team Polen in bestechender Form. Ein Schmetterball nach dem nächsten fliegt über das Netz. Jeder Block und jeder Punkt wird im bunt mit polnischen und deutschen Fans besetzten Familienblock bejubelt – auch, wenn die Aktion von der gegnerischen Seite kommt. Besonders gelungene Aktionen werden sogar von der anderen Seite des Netzes mit Applaus und anerkennendem Nicken belohnt.
Ein Ständchen für Prinz Harry
Anfang des zweiten Satzes zücken die vielen Schülerinnen und Schüler auf den Rängen ihre Telefone: Prinz Harry und Herzogin Meghan geben sich die Ehre. Beide nehmen unter dem Jubel des Publikums inmitten des Familienblocks Platz. Sie genießen die Atmosphäre. Der Stadionsprecher verkündet, dass der Prinz seinen 39. Geburtstag feiert. Die Menschen in der Halle bringen ihm spontan ein Ständchen: „Happy birthday to you“ schallt es von den Tribünen.
Jens R. weiß in diesem Moment noch nicht, dass ihm ein ganz besonderer Mensch zusieht: Seine Mutter Doris ist zusammen mit seiner Schwester Rebecca und den beiden Nichten Jacqueline und Renesmee aus dem hessischen Mühltal angereist, um ihren Sohn anzufeuern. „Wir haben uns um 5 Uhr morgens ins Auto gesetzt, um rechtzeitig hier zu sein“, sagt Doris R.* Angekündigt hatte sie den Besuch nicht: „Wir wollen ihn überraschen.“
Wenn der Sport zur Nebensache wird
Unten auf dem Feld gewinnt das Team aus Polen langsam die Überhand. Team Deutschland stemmt sich gegen die Niederlage, versucht den Spielfluss durch Auszeiten zu unterbrechen. Doch die Männer in Rot lassen sich nicht aus der Fassung bringen – am Ende siegen sie in zwei Sätzen.
Doch das ist nur noch Nebensache. Als die Schiedsrichter das Spiel beenden, stürmen die Freunde und die Familien der Athletinnen und Athleten auf den Platz. In die Arme ihrer Liebsten. Jens R.s Sohn läuft auf seinen Vater zu, stolpert über eine Bande, rappelt sich wieder auf und erreicht sein Ziel: Stolz nimmt ihn sein Vater in die Arme. Seine Frau Bea und die anderen drei Kinder folgen kurz danach.
Wenig später ist auch Doris R. unten bei ihrem Sohn. Er dreht sich um, erkennt sie und schließt sie in die Arme. Dann lässt er eine Umarmung, einen Kuss und ein Lächeln folgen. „Das berührt mich sehr“, sagt Doris R. und verdrückt ein Tränchen. Überraschung geglückt.
*Name zum Schutz der Personen abgekürzt.