„Wir wollen den Menschen ihr Selbstvertrauen zurückgeben“
„Wir wollen den Menschen ihr Selbstvertrauen zurückgeben“
- Datum:
- Ort:
- Warendorf
- Lesedauer:
- 3 MIN
Team Deutschland bereitet sich derzeit an der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf auf die internationalen Versehrtenspiele im September vor. Das Gros der Athletinnen und Athleten kämpft mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBSPosttraumatische Belastungsstörung). Truppenpsychologin Katja S. gibt ihnen neuen Mut.
Die Mehrzahl der deutschen Athletinnen und Athleten für die Invictus Games 2023 leidet an PTBSPosttraumatische Belastungsstörung. Was macht die Erkrankung aus?
Die Betroffenen sind Zeuge oder Opfer einer lebensgefährdenden Situation geworden und haben nach der Traumatisierung Folgeerkrankungen entwickelt. Viele verlieren dadurch das Vertrauen in sich selbst. Sie vermeiden viele Situationen, die für gesunde Menschen selbstverständlich sind und ziehen sich oft aus dem sozialen Leben zurück.
Betroffene können an der Sportschule einen sporttherapeutischen Lehrgang machen. Was wird angeboten?
Unser Einstiegslehrgang dauert zwei Wochen und findet mit maximal sechs Personen statt. Da geht es um Kondition, Beweglichkeit, Koordination, Kraft. Der Folgelehrgang ist anspruchsvoller: In Gruppen von bis zu 15 Teilnehmenden werden auch team- und erlebnisorientierte Sportarten betrieben. In beiden Fällen geht es nicht um Leistung, sondern um die körperliche und mentale Gesundheit. Ich begleite die Trainingseinheiten und stehe den Betroffenen für Beratungsgespräche zur Verfügung. Ich schätze ihre Entwicklung ein, bestärke sie in ihren Fortschritten und unterstütze bei Krisen. Eingefasst wird das Ganze durch Eingangs- und Abschlussgespräche.
Wie ist der Tagesablauf im Invictus-Trainingslager strukturiert?
Wir haben ein sehr straffes Trainingsprogramm. Nach dem Frühsport und einem Teammeeting schließen sich zwei bis drei Sportintervalle an: Zwei am Vormittag, eins am Nachmittag. Dabei kann jeder Betroffene selbst entscheiden, was genau er machen will. Der Abend gehört dem Ausgleichssport und dem Teambuilding. Wir wollen eine Wohlfühlatmosphäre schaffen. Und die beginnt in dem Moment, in dem die Kaserne der Sportschule Warendorf betreten wird.
Was ist Ihre Rolle als Psychologin?
Es geht in erster Linie um den Aufbau von Vertrauen, denn das ist der Schlüssel zum Menschen. Weiter geht es um Krisenintervention, falls jemand beim Sport oder beispielsweise durch Geräusche oder Gerüche getriggert wird. Im Eingangsgespräch versuche ich daher, etwaige Trigger und bereits erlernte Bewältigungsstrategien herauszufinden. Drittens möchte ich den Menschen ihr Selbstvertrauen und den Glauben an sich selbst – wir nennen es „Selbstwirksamkeit“ – zurückgeben.
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Worum geht es in Ihren Gesprächen mit den Betroffenen?
Die Meisten bringen ein erhebliches seelisches Päckchen mit. In der Regel haben sie schon einige Therapien hinter sich. Viele tun sich schwer, mit Konflikten im Dienst oder in der Familie umzugehen. Das greifen wir auf: Wir trainieren soziale Kompetenzen, sprechen über Achtsamkeit, über die Wirkung von genügend Schlaf und gesunder Ernährung auf das Wohlbefinden, über ihre Motivationen und darüber, sich selbst Ziele zu setzen. Es geht darum, die Herausforderungen des Alltags wieder bewältigen zu können. Die Erfolge aus dem Lehrgang sollen dann in den Alltag mitgenommen werden, um auch diesen erfolgreich zu meistern.
Was geben Sie den Menschen mit auf den Weg?
Wir erarbeiten gemeinsam sportliche und psychologische Ziele. Die Sporttherapeuten erstellen dafür einen individuellen Trainingsplan für Ausdauer, Kraft und Regeneration. Psychologisch geht es darum, zum Beispiel mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, sich selbst mehr zu gönnen oder daheim mit dem Therapeuten ein bestimmtes Thema anzugehen. Ob die Ziele erreicht wurden, wird beim nächsten Besuch in Warendorf besprochen. Die meisten Betroffenen kommen einmal im Jahr, manche alle sechs Monate.
Ihre Schützlinge bereiten sich derzeit auf die Invictus Games 2023 in Düsseldorf vor. Welche Bedeutung hat eine Teilnahme an den Spielen für die Rehabilitation der Betroffenen?
Bei den Invictus Games geht es um Kameradschaft und Zusammengehörigkeit, um Anerkennung und Wertschätzung. Das kommt insbesondere bei seelisch Erkrankten im Alltag oft zu kurz. Oft hat das Leiden Ausgrenzung zur Folge. Die Spiele vermitteln den Betroffenen: Ihr seid nicht allein mit eurer Verletzung. Setzt euch Ziele, verfolgt sie konsequent und lernt, mit Siegen und Niederlagen umzugehen. Die Invictus Games sind ein Meilenstein im individuellen Prozess der Rehabilitation.
Sie arbeiten mittlerweile als Personalpsychologin am Karrierecenter Hannover. Warum kehren Sie für die Vorbereitung auf die Versehrtenspiele nach Warendorf zurück?
Viele der Athletinnen und Athleten sind unglaublich starke und besondere Menschen. Für mich ist es sehr erfüllend, sie durch die Lebensphase der Rehabilitation begleiten und ihre Entwicklung verfolgen zu dürfen. Diese Erfahrung bereichert auch mein eigenes Leben. Das bedeutet mir viel.