Hundezucht in der Bundeswehr: Der optimale Start ins Diensthundeleben
Hundezucht in der Bundeswehr: Der optimale Start ins Diensthundeleben
- Ort:
- Ulmen
- Lesedauer:
- 4 MIN
Diensthunde retten Leben, indem sie Kampfmittel erschnüffeln, Angreifende abschrecken oder einfach ihren Menschen schützen. Doch zugekaufte Junghunde erfüllen oft nicht die hohen Anforderungen, die an einen Diensthund gestellt werden müssen. Seit 2014 züchtet die Bundeswehr daher selbst Belgische und Deutsche Schäferhunde.
Diensthunde der Bundeswehr erschnüffeln Sprengstoffspuren an Fahrzeugen, suchen Kampfmittel in vermintem Gelände, bewachen Munitionsdepots und Flugplätze und unterstützen die Feldjägertruppe bei Zugriffen und Schutzaufgaben.
Rund 300 aktive Mensch-Hund-Teams dienen derzeit in der Truppe. Jedes Jahr durchlaufen etwa 50 Hunde die aufwändige Ausbildung. Ungefähr die Hälfte stammt aus eigener Zucht. Denn seit 2014 werden an der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr in rheinland-pfälzischen Ulmen belgische Malinois und in geringerem Umfang auch Deutsche Schäferhunde gezüchtet.
Dabei handelt es sich um eingetragene Leistungszuchten mit dem Zwingernamen „von der Bundeswehr“, deren Schwerpunkt auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit liegt – und nicht auf Schönheit im Sinne des Rassestandards.
Höchste Anforderungen an Gesundheit und Gemüt
„Unsere Diensthunde bewältigen anspruchsvolle Aufgaben. Nur absolut gesunde und wesensfeste Hunde kommen dafür in Frage“, sagt Frau Oberfeldveterinär Dr. med. vet. Tessa K.*, die die Diensthundeklinik in Ulmen leitet und die Zucht als Tierärztin betreut.
Entsprechend streng ist die Zuchtauswahl, zum Teil strikter als bei den Zuchtverbänden: Röntgenaufnahmen von Ellenbogen, Hüfte und Wirbelsäule sowie diverse genetische Untersuchungen dürfen keine Befunde ergeben, die darauf schließen lassen, dass eine Hündin unter starker Belastung erkranken könnte.
Gutes Sozialverhalten gegenüber Menschen und Artgenossen, Spielfreude und hohe Arbeitsbereitschaft müssen ebenfalls gegeben sein. „Weder ängstliche noch aggressive Hunde sind als Diensthund und damit zur Zucht geeignet“, stellt K. fest.
Eigene Deckrüden hält die Bundeswehr nicht, um den Genpool nicht zu stark einzuschränken. Für den passenden Zuchtrüden, der den Qualitäts- und Leistungsansprüchen genügt, ist kaum ein Weg zu weit. Bis nach Italien, Österreich und Dänemark ist die Zuchtleitung mit den Bundeswehr-Hündinnen bereits gereist.
Und auch für den Nachwuchs gilt: Wenn Zweifel daran bestehen, dass ein Junghund seiner zukünftigen Aufgabe als Diensthund gesundheitlich gewachsen ist, wird er an eine geeignete Familie abgegeben. „Ein gesundes, möglichst langes Hundeleben hat Vorrang“, sagt die Tierärztin. Aufgrund der strikten Vorauswahl sei es jedoch selten der Fall, dass ein Junghund abgegeben werde.
Immer mit Familienanschluss
Die vier Zuchthündinnen und zwei Nachwuchshündinnen der Bundeswehr leben ausschließlich in der Familie und nicht im Zwinger. Nur die Geburten finden in der Aufzuchtstation statt, um eine 24-Stunden-Betreuung und – wenn nötig – schnelle medizinische Versorgung zu gewährleisten. Auch die ersten Lebenswochen verbringen die Welpen dort gemeinsam mit ihrer Mutter, weil das Infektionsrisiko für die Welpen so gering wie möglich gehalten werden soll.
Maximal einmal im Jahr bekommt ein Hündin Welpen. Bei großen Würfen liegen mindestens anderthalb Jahre zwischen zwei Würfen, damit sich die Hundemutter von der anstrengenden Welpenaufzucht erholen kann.
Umfassende Sozialisierung mit positiver Verstärkung
Bis zur neunten Lebenswoche bleiben die Welpen bei der Mutter. Ab der fünften Lebenswoche beginnt ihre Sozialisierungsphase. „Unsere Welpen lernen erst einmal alles, was ein guter Züchter auch einem Familienhund beibringt“, sagt Stefanie K.*, die als Leiterin Ausbildungsmodul mit ihrem Team von 26 Mitarbeitenden für Zucht, Aufzucht und Junghundeausbildung zuständig ist.
„Die meisten Diensthunde leben auch später in der Familie des Hundeführers. Bei uns werden sie daher so früh wie möglich an ein Familienleben mit Kindern, Katzen und anderen Hunden, aber auch an Alltagsgeräusche vom Staubsauger bis zum Fernseher gewöhnt“, so K. Auch die Umweltgewöhnung ist wichtig: Stadt und Wald, Wackelbrett und Rolltreppe, Autofahren und Tierarztbesuch – alles wird geübt. Denn je mehr die Hunde kennen und können, desto sicherer und ruhiger erfüllen sie später ihre Aufgaben in einer fremden Umgebung und unter Stress.
In regelmäßigen Abständen werden gesundheitliche Eignung und Leistungsstand der Junghunde überprüft. Zwischen dem achten und dem zwölften Lebensmonat fällt die Entscheidung über die zukünftige Laufbahn des Nachwuchses. 90 Prozent der Diensthunde der Bundeswehr werden dabei dual ausgebildet. Das bedeutet: Sie durchlaufen im zweiten Lebensjahr die Ausbildung zum Schutzhund und erhalten zugleich eine Spezialausbildung beispielsweise als Drogen- oder Sprengstoffsuchhund. Minen- und Kampfmittelspürhunde dagegen sind sogenannte Monohunde ohne zusätzliche Schutzausbildung.
„Eine sanftmütige und schüchterne Hündin ist als reiner Spürhund besser aufgehoben als im Schutzdienst“, erklärt K. Diensthunde würden zwar gezielt auf stressige Situationen vorbereitet, aber kein Hund einer Verwendung zugeordnet, die ihn aufgrund seiner Charaktereigenschaften zusätzlichen Belastungen aussetzt.
Deswegen seien auch Zwangsmittel in der Ausbildung tabu: „Wir arbeiten immer mit positiver Bestätigung. Zwang steht im Widerspruch zum Vertrauen, das wir brauchen, damit ein Diensthund auch unter Stress souverän seinem Hundeführer folgt und seine Aufgabe erfüllt.“
*Namen zum Schutz abgekürzt.