ALPHA, BRAVO, CHARLIE und DELTA: Die ersten Buchstaben des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Buchstabieralphabets sind Namensgeber der insgesamt vier Gefährdungsstufen der Bundeswehr. Die niedrigste Stufe ALPHA gilt, wenn allgemeine Erkenntnisse über eine mögliche Bedrohung gegen die Bundeswehr vorliegen, die aber nicht vorhersehbar oder konkretisierbar sind. Bei DELTA liegen gesicherte, konkrete Erkenntnisse vor – die Bedrohung ist unmittelbar.
Eine Hinweistafel am Wachgebäude jeder Kaserne zeigt sie an: die aktuell gültige Gefährdungsstufe. Steht auf dem Schild „ALPHA“ heißt das, dass hinter dem Zaun auf der niedrigsten Gefährdungsstufe alles seinen gewohnten Gang nimmt. Dabei gelten die Gefährdungsstufen nicht nur für Kasernen, sondern auch für alle anderen Liegenschaften der Bundeswehr.
Wenn die allgemeine Gefährdungslage sich verschärft, greifen die nächsthöheren Stufen: Auf ALPHA folgen BRAVO und CHARLIE und als höchste der vier Gefährdungsstufen DELTA. Wird DELTA ausgerufen, liegen eindeutige Hinweise auf eine regional begrenzt bevorstehende Bedrohung vor.
ALPHA, BRAVO, CHARLIE oder DELTA?
„Die Bedrohung vom Großen konkretisiert sich immer mehr ins Kleine, um im besten Fall die Bedrohung dann ganz gezielt nach Raum und Zeit zuordnen zu können“, betont Oberstleutnant i. G. Jan N.* aus dem Verteidigungsministerium in Berlin. Es gebe unterschiedliche Abstufungen, die dazu führten, „ob wir von einer Gefährdungsstufe ALPHA, BRAVO, CHARLIE oder DELTA sprechen“. Das habe entsprechende und bereits ausgeplante Absicherungs- und Schutzmaßnahmen zur Folge, um dieser Bedrohung jederzeit begegnen zu können. Im Vorfeld prüfe man, ob die potenzielle Bedrohung räumlich und zeitlich begrenzt werden könne oder aber die Warnung davor gegebenenfalls sogar ausgeweitet werden müsse, so der Gefährdungsstufen-Experte.
Nachdem im bayerischen Hof im September 2024 ein Mann festgenommen worden war, der mutmaßlich Macheten-Angriffe auf Soldatinnen und Soldaten in der Innenstadt geplant hatte, prüfte man beispielsweise zunächst, ob es sich dabei um eine regional einzugrenzende Bedrohung gehandelt habe. Im Anschluss sicherte man den Bundeswehrstandort in Hof, die Oberfranken-Kaserne, mit entsprechenden Schutzmaßnahmen, ohne dabei jedoch die Gefährdungsstufe erhöht zu haben.
Bedrohungen frühzeitig im Sicherheitsverbund erkennen
Die Bedrohungslage werde durchgehend von den in Deutschland verantwortlichen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben bewertet, erklärt Oberstleutnant i. G. Jan N. Diese befänden sich in einem stetigen Austausch, um zeitgerecht Hinweise entstehender Bedrohungen zu erkennen und so den Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Terror, Gewalt und Kriminalität zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang könne bei Vorliegen entsprechender Hinweise durch die Bundeswehr die Erhöhung einer Gefährdungsstufe erfolgen.
Das Verteidigungsministerium arbeitet dabei eng mit den Institutionen dieses Sicherheitsverbundes zusammen, die dem Bundesinnenministerium und nachgeordneten Behörden wie Bundes- und Landespolizei unterstehen und leitet darüber die aktuelle Gefährdung zur Bestimmung der Gefährdungsstufen ab.
Höhere Gefährdungsstufe: Mögliche Auswirkungen auf Bevölkerung
Derzeit herrscht an allen Bundeswehr-Liegenschaften die niedrigste Gefährdungsstufe ALPHA. „Aktuell muss sich keiner Sorgen machen, wenn er an einer Kaserne vorbeiläuft“, bestätigt der Oberstleutnant i. G. Bei einer erwarteten höheren Gefährdung passe die Bundeswehr ihre Absicherungsmaßnahmen vor Ort entsprechend an. Das könne beispielsweise von verstärkten Personen- und Fahrzeugkontrollen bis hin zu Absperrungen von einzelnen Bereichen reichen. Vor diesem Hintergrund seien auch Maßnahmen zur Verlangsamung des einfließenden Verkehrs auf das jeweilige Liegenschaftsgelände denkbar.
A und O sei bei einer Anhebung auf eine höhere Gefährdungsstufe immer das Zusammenspiel mit den lokalen Behörden und die verstärkte Kooperation mit den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben wie der regional zuständigen Polizei. Diese und die Bundeswehr tauschten sich kontinuierlich über die regionale Sicherheitslage und mögliche künftige Maßnahmen aus, erklärt der Gefährdungsstufen-Experte.
Schutzmaßnahmen je nach Art der Bedrohung
Die Art der Bedrohung ist dabei ausschlaggebend, ob und welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden. So sei es ein Unterschied, ob die interne Wasserversorgung eines Bundeswehrstandorts bedroht sei oder aber eine räumlich zuzuordnende Bombendrohung vorliege.
Die Erhöhung einer Gefährdungsstufe könne Auswirkungen auf die Anrainer einer Liegenschaft und somit auf die Zivilbevölkerung haben, so der Oberstleutnant i. G. weiter – beispielsweise im Falle einer lokal begrenzten Bombendrohung mit weiträumigen Absperrmaßnahmen durch die Polizei. Dies sei abhängig von der Art der Bedrohung und den lokalen Begebenheiten.
* Name zum Schutz der Person geändert
Drei Fragen an Oberstleutnant i. G. Jan N.*
Seit wann und aus welchem Anlass werden die vier Gefährdungsstufen ALPHA, BRAVO, CHARLIE und DELTA bei den deutschen Streitkräften ausgerufen?
Die Gefährdungsstufen gehen bereits auf das Jahr 2002 zurück, als zur Erhöhung der militärischen Sicherheit gegen terroristische Bedrohung und Sabotage hierzu eine Weisung erlassen worden ist, die dann in einem Maßnahmenkatalog gemündet sind.
Warum ruft man Gefährdungsstufen aus – reicht nicht das zielgerichtete Einleiten einzelner Schutzmaßnahmen im Verborgenen?
Das Ausrufen einer Gefährdungsstufe ist immer abhängig von einer potenziellen Gefährdung und kann sowohl räumlich als auch zeitlich begrenzt ausgerufen werden. Dabei ist es aber auch durchaus möglich, dass zur Erhöhung von Schutzmaßnahmen einzelne Maßnahmen nur umgesetzt werden, ohne dass dies eine höhere Gefährdungsstufe nach sich ziehen würde. Dies erfolgt dann zielgerichtet und zumeist ohne öffentliches Aufsehen.
Gab es in der Vergangenheit schon einmal das Ausrufen einer höheren Gefährdungsstufe als ALPHA, möglicherweise bis DELTA – und falls ja, warum?
Natürlich wurden in der Vergangenheit anlassbezogen, beispielsweise bei der Absicherung besonderer Veranstaltungen oder Ausbildungen, zusätzliche Einzelmaßnahmen aus dem Gefährdungsstufenpaket umgesetzt, die gezielt zur Erhöhung des Schutzes eingesetzt worden sind. Aber auch im Rahmen von jährlich stattfindenden unangekündigten Inspektionsbesuchen werden Standorte gezielt beübt und die Maßnahmen der höheren Gefährdungsstufen hierzu ausgerufen.
von
Evelyn Schönsee