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„Auch der Ängstliche kann tapfer sein“

„Auch der Ängstliche kann tapfer sein“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
3 MIN

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„Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen” – so lautet der Diensteid von Soldatinnen und Soldaten. Frau Hauptmann Janet Watson hat einen Träger des Ehrenkreuzes der Bundeswehr für Tapferkeit, Oberstabsfeldwebel Jan H., gefragt, was er unter Tapferkeit versteht.

Ein Soldat trägt das Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit an dem Flecktarn
Oberstabsfeldwebel Jan H. ist Träger des Ehrenkreuzes für Tapferkeit. Frau Hauptmann Janet Watson fragt ihn im Podcast, was er darunter versteht.
Audio-Transkription

Selbstloses Handeln, überlegtes Führen – seine Tapferkeit überstieg das Normalmaß an Tapferkeit, das von Soldatinnen und Soldaten ohnehin erwartet wird. Darum ist Oberstabsfeldwebel Jan H. mit dem Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit ausgezeichnet worden. Um Leben und Tod ging es damals am 4. Juni 2009 in Afghanistan: Der Oberstabsfeldwebel hatte mit seiner Truppe den Auftrag, eine Straße nach Sprengfallen zu untersuchen. Zeitgleich sprengte sich einige Kilometer entfernt ein Selbstmordattentäter auf einem Motorrad nahe eines deutschen Spähtrupps in die Luft. Beim Versuch, den Spähtrupp freizukämpfen, gerieten Jan H. und seiner Männer selbst in einen Hinterhalt. Über mehrere Stunden habe man sich ein Gefecht mit den Aufständischen geliefert, „bis wir letztlich den Spähtrupp in unseren Reihen hatten“, sagt H. Verluste habe es Gott sei Dank keine gegeben.

„Da war nicht ein Moment, wo ich Angst gespürt habe“

Hat er im Gefecht Angst gehabt? „Das, was ich als Angst bezeichne, habe ich eher im Vorfeld, also das heißt, in der Annäherung. Während ich den Funk mithöre, ich mich damit beschäftige: Was kommt als Nächstes?“, erzählt H. Das ändere sich mit dem ersten Schuss, wenn man ins Handeln komme. „Um mich selbst hatte ich nie Angst“, sagt er. Ihn habe eher die Sorge umgetrieben, jemand anderem könne etwas passieren.

Braucht es Tapferkeit oder aber Mut, um solche Situationen mental zu überstehen? In erster Linie Tapferkeit, denn das habe in seinen Augen einen höheren Stellenwert als Mut: Tapfer sei, wer sich in eine unangenehme Situation begebe und diese angehe. „Auch wenn man weiß: Es tut weh,“ fasst der Oberstabsfeldwebel in Worte, was er unter Tapferkeit versteht. „Manchmal ist es nur ein bisschen Courage, manchmal geht es wirklich um Leben und Tod.“ Einige Menschen seien besonders beherzt, andere hielten sich lieber erst mal im Hintergrund – es gebe eben unterschiedliche Charaktere. Er habe aber niemanden unter seinen Leuten gesehen, der in einer Situation zurückgezogen habe. „Und ich bezeichne das schon als tapfer“, sagt H. Auch der Ängstliche könne tapfer sein, und zwar dann, „wenn jemand, der Angst spürt, trotzdem bereit ist, sich der Situation zu stellen.“

Tapfer sein zwischen Feuerkampf, Funkgerät und Befehlsausgabe

Wer gefährliche Situationen tapfer bestehen wolle, sollte aus Sicht des Oberstabsfeldwebels ausdauernd, kontrolliert und ruhigen Gemüts sein – „aber eben auch zielstrebig und hartnäckig, wenn es darum geht, sich richtig vorzubereiten“. Entscheidend sei, „wenn das Herz rast, der Puls hoch und Adrenalin im Körper ist“, ruhig zu funken sowie ruhig Befehle zu erteilen.

Wie wichtig ist Tapferkeit im Soldatenberuf? „Unverzichtbar, wenn es darum geht, das zu tun, wofür wir uns eigentlich ausbilden“, ist H. überzeugt. Dass man im entscheidenden Moment tapfer handele, sei das Resultat guter Vorbereitung. Und was ist „normal tapfer“, was geht darüber hinaus? Ist es die unmittelbare Bedrohung durch den Tod, die zur Überwindung eigener Grenzen antreibt? Eine Motivation für Tapferkeit formuliert H. so: „Wenn ich die anderen im Stich lasse, haben sie eine höhere Last zu tragen.“ Am Ende sei der Kampf jedes einzelnen ein Kampf für die Gruppe. „Für die allermeisten ist das höhere Ziel diese Gemeinschaft.“

von Evelyn Schönsee

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