Interview

Die Feldjäger sind ein elementarer Baustein in einem Konfliktfall”

Die Feldjäger sind ein elementarer Baustein in einem Konfliktfall”

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
6 MIN

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Auch bei den Feldjägern ändern sich die Aufgaben durch die Fokussierung auf die Landes- und Bündnis­verteidigung. Y sprach mit Oberstleutnant Marco Langhorst über die Veränderungen und wie sich die Feldjäger darauf vorbereiten.

Ein Soldat steht in voller Montur mit einem Gewehr auf einem Feld, während ein Hubschrauber landet

Ein NHNATO-Helicopter-90 des Heeres ist unter der Sicherung von Interventionskräften der Feldjäger im Anflug auf die Landezone in einem Kriegsgefangenlager

Bundeswehr/Ben Dibowski

Herr Oberstleutnant Langhorst, bei Feldjägern denken die meisten als Erstes an Verkehrskon­trollen oder Bahnhof­streifen. Dabei ist das Fähigkeits­spektrum wesentlich größer. Welche Aufgabenbereiche decken die Feldjäger im Inland noch ab?

Oberstleutnant Marco Langhorst: Wir sind der erste Ansprechpartner für alle militärpolizeilichen Fragen der Soldatinnen und Soldaten in Deutschland. Wir nehmen nicht nur den militärischen Ordnungs- und Verkehrsdienst wahr, sondern auch weitere Kernaufgaben. Dazu gehören Personen­schutz, Zugriffsdurchsuchungen sowie der Einsatz von Sprengstoff- und Drogen­spürhunden. Feldjäger müssen Tag und Nacht, 365 Tage im Jahr, reaktions- und durchsetzungsfähig sein.

Feldjäger sind nicht nur im Inland tätig. Wie unterscheidet sich der Dienst im Ausland?

Grundsätzlich machen wir im Ausland das Gleiche wie im Inland, nur dass die rechtlichen Rahmenbedingungen andere sind, etwa die Einsatzregeln und die Rechtslage im Einsatzland. Wir bilden immer auch mit Blick auf Einsätze im Ausland aus. Deswegen binden wir zum Beispiel die hier in Deutschland stationierten USUnited States-Militärpolizistinnen und -polizisten bei der Ausbildung und bei Übungen eng mit ein.

Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine liegt der Fokus wieder auf Landes- und Bündnisverteidigung. Was ändert sich dadurch?

Wir haben den Auftrag, eine „MP Task Force“ für die Division 2025 bereitzustellen. Die Heeresdivision soll einen Feldjägeranteil erhalten. Auch in der Feldjägerei kommen wir weg vom Kontingentdenken: Statt Einzelabstellungen in einen Auslands­einsatz geht es künftig um die Verlegung ganzer Truppenkörper. Wir müssen unsere Fähigkeiten, die beim Internationalen Krisenmanagement gefragt waren, um Szenarien zur Landes- und Bündnis­verteidigung erweitern. Das erfordert eine andere Ausbildungs- und Übungs­systematik und neue Aufgaben. Viele spezialisierte Einzelaufgaben stellen sich heute komplett anders dar. Unsere Erheber und Ermittler wurden zum Beispiel früher sehr intensiv für Einzelfälle ausgebildet, jetzt geht es auch um die Dokumentation von Kriegsverbrechen oder die Wahr­nehmung von Gewahrsamsaufgaben. Unsere Ausstattung hat sich bereits geändert: Wir haben neue geschützte Fahrzeuge, andere Ausstattungssätze und Drohnen.

Gibt es Parallelen zum Kalten Krieg oder würden Sie das nicht miteinander vergleichen?

Natürlich gibt es Dinge, die sich ähneln. Ein Verkehrsleitnetz, das zur Zeit des Kalten Krieges bei Übungen angebracht war, kann man durchaus noch einmal hervorholen. Aber richtig vergleichen lassen sich die heutigen Szenarien nicht. Das moderne Gefechtsfeld ist schnelllebiger, digitalisierter und komplexer geworden. Feldjäger müssen breiter ausgebildet werden, neue Technologien beherrschen und auf alles vorbereitet sein.

Wie unterstützen Feldjäger die Truppe in einer hybriden Bedrohungslage?

Wir stellen unsere militärpolizeilichen Fähigkeiten bereit: von der Dokumentation von Kriegsverbrechen bis zum Schutz von kritischer Infrastruktur. Wir können der Truppe mit unseren gerichtsverwertbaren Ermittlungen und Erkenntnissen wahrheits­gemäße Informationen bieten, die in einer hybriden Bedrohungslage verloren gehen können. Also den Feind quasi indirekt zurückschlagen und unserer Truppe durch unsere  „Military Police Intelligence“ zur Seite stehen.

Wie sind Feldjäger in den Schutz der Zivilbevölkerung oder in die Bewachung von kritischer Infrastruktur genau eingebunden?

Sehr intensiv. Wir sind sehr gut mit den zivilen Behörden vernetzt und arbeiten eng zusammen. Das geht los bei der gleichen Funkausstattung und reicht bis zu gemeinsamen Erfahrungen und Kenntnissen. Ein Beispiel ist der kürzlich vorgestellte Operationsplan Deutschland, in dem unsere zivilmilitärische Gesamt­verteidigung festgelegt wird. Die Feldjäger sind ein elementarer Baustein in einem Konfliktfall und können mit ihren Unterstützungsleistungen auch die Zivilbevölkerung ein Stück weit mitschützen.

Im Gefecht werden die Feldjäger auch „Möglichmacher“ genannt. Was bedeutet das?

Wir sind Soldatinnen und Soldaten mit querschnittlichen militärischen Fähigkeiten, militärpolizeilichen Kernaufgaben und polizeiähnlichen Spezialisierungen. Wir unterstützen dimensionsübergreifend alle Bedarfsträger bei der Entscheidungs­findung und übernehmen den militärischen Verkehrsdienst im rückwärtigen Raum. Wenn wir über ein Gefecht sprechen, ist es wichtig, dass alles, was an der Front gebraucht wird, schnell von A nach B verlegen kann. Deswegen sorgen wir rund um die Uhr dafür, dass die Verkehrsleitnetze reibungslos funktionieren und arbeiten streitkräftegemeinsam.

Zwei Soldaten in voller Montur ziehen eine Frau aus einem Auto und bringen sie zu Boden

Während einer Übung in Hannover ziehen zwei Soldaten des Interventions­trupps eine verdächtige Person aus dem Fahrzeug

Bundeswehr/Sebastian Wilke
Ein Soldat mit einem Hund an der Leine, im Hintergund weitere Soldaten die eine Person festnehmen

Weitere Feldjäger schirmen das Umfeld ab und sorgen für die Außensicherung

Bundeswehr/Susanne Hähnel

Sie haben es bereits angesprochen: Bei der Landes- und Bündnisverteidigung kann die Dokumentation von Kriegsverbrechen gefordert sein. Wie sieht das aus?

Die Dokumentation von Kriegsverbrechen war aufgrund der bisherigen Auftragslage in den Hintergrund gerückt. Zuletzt mussten wir im Kosovo-Einsatz Massengräber dokumentieren und gerichtsverwertbare Informationen aufnehmen. Der Informations­raum ist seitdem deutlich schwieriger und schnelllebiger geworden. Fehlinformationen und Propaganda sind an der Tagesordnung. Darauf müssen wir uns einstellen. Wir arbeiten bei unserer Ausbildung unter anderem sehr intensiv mit dem Bundeskriminalamt zusammen. Auch Vertreterinnen und Vertreter des Internationalen Strafgerichtshofs waren bei uns, um uns auf mögliche Szenarien vorzubereiten. Der Krieg in der Ukraine zeigt sehr deutlich, wie wichtig es ist, Kriegsverbrechen zu dokumentieren und den Informationsraum zu beherrschen.

Auch das Kriegsgefangenenwesen rückt wieder mehr in den Fokus. Was ist dabei die Rolle der Feldjäger und wie bereiten Sie sich darauf vor?

Ein weiteres Thema, das während der Zeit des internationalen Krisenmanagements in den Hintergrund getreten war. Wir üben das Kriegsgefangenenwesen wieder regelmäßig und teilstreitkräfteübergreifend, damit die Feldjäger auch dieser Rolle wieder gerecht werden können. Das beinhaltet die Registratur von Kriegsgefangenen, Beweismittel und Spuren sichern, Ermittlungen und weitere Unterstützungs­leistungen. Wir schauen uns das Thema gemeinsam mit anderen Truppengattungen sehr genau an, um es künftig noch besser auszubilden.

Was passiert mit Kriegsgefangenen nach ihrer Gefangennahme?

Ich stelle den Ablauf einmal exemplarisch beim Heer dar: Wenn die Brigade kämpft und dort Kriegsgefangene nimmt, werden diese zunächst zu einem Sammelpunkt geführt. Dort werden sie kurzfristig kategorisiert und aufgenommen, um dann schnellstmöglich in den rückwärtigen Raum verbracht zu werden. Im Raum der Division oder des Korps werden sie einem Sammel­lager zugeführt, wo sie etwas länger verbleiben. Im Umgang mit Kriegs­gefangenen gilt die Genfer Konvention. Die Zuständigkeit obliegt stets jener Nation, durch welche Kombattanten festgesetzt werden.

Ein Soldat im Wüstentarn kniet in der Wüste mit einem schwarzen Behälter vor einer Kuhle

Mit nur drei Messpunkten der 360-Grad-Kamera kann der Erheber und Ermittler in Mali einen gesamten Explosions­krater vermessen und Erkenntnisse über die Sprengstoffart erlangen

Bundeswehr/Björn Kapfer

Kriegsgefangene unterliegen einem speziellen Schutz. Wie sieht das aus und welche Herausforderungen gibt es?

Grundsätzlich ist ein Kriegsgefangener als Soldat anzusehen. Als Kombattant, der die gleichen Rechte wie ein deutscher Soldat hat, der irgendwo in Gefangenschaft gerät. All das orientiert sich am humanitären Völkerrecht. Eine Herausforderung ist die Verfügbarkeit von Personal: von ärztlicher Betreuung über Militärgeistliche bis hin zu Befragenden – es braucht dafür viele Menschen.

Gibt es weitere Spezialisierungen, die neuerdings besonders ausgebildet werden?

Neben der Dokumentation von Kriegsver­brechen und Kriegsgewahrsam ist auch das Verkehrsleitnetz eine Fähigkeit, die wieder intensiv geübt wird. Wir verstehen unter einem Verkehrsleitnetz ein lagean­ge­passtes System entlang von vorgegebenen Marschstraßen, das durch mobile Feldjägerstreifen unterstützt und über­wacht wird. Das rasche Freimachen der Straße und das Regeln des nach­folgenden Kolonnenverkehrs müssen sitzen. Verzögerungen bei einer großen Lkw-Kolonne mit Versorgungsgütern könnten an der vorderen Linie der Verteidigung verheerende Folgen haben. Aber auch das Lenken von Flüchtlings­bewegungen, der Gewässerübergang, Raum- und Objektschutz sowie KRITISKritische Infrastrukturenalso der Schutz kritischer Infrastruktur – und Military Police Intelligence werden wieder verstärkt ausgebildet.

Hand aufs Herz: Sehen Sie sich selbst eher als Militärpolizist, Unterstützer oder Infanterist?

Ich glaube, man kann das nicht trennen. Ich würde mich freuen, wenn ich alle Eigen­schaften vereine. In erster Linie sind wir Soldatinnen und Soldaten mit einer polizeiähnlichen Ausbildung. Aus meiner Sicht müssen wir sowohl mit der Truppe als auch mit öffentlichen Behörden kompatibel sein. Insofern denke ich, die Mischung aus allen dreien macht uns aus.

Das Interview führte Beate Schöne.

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