Feldauswerteteams für die Landes- und Bündnisverteidigung
Feldauswerteteams für die Landes- und Bündnisverteidigung
- Datum:
- Ort:
- Weißkeißel
- Lesedauer:
- 4 MIN
Nach einer Explosion analysieren sie die Gefechts- oder Anschlagslage: Soldaten aus mehreren Ländern werden auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz zu Feldauswerteteams ausgebildet. Drei Wochen lang lernten die Kameraden aus den Niederlanden, Schweden, Belgien und Deutschland, worauf es bei der Auswertung eines Sprengstoffanschlages ankommt.
Mit breitem Tape befestigt Hauptfeldwebel Martin M. das kleine Päckchen an einem Auto. Vorsichtig umwickelt er Zünder und Sprengstoff mit dem Klebeband und bringt den Sprengsatz im Radkasten des Fahrzeuges an. In wenigen Minuten soll die explosive Ladung detonieren – ausgelöst aus einem Bunker, der nur ein paar Meter entfernt ist.
Behelfsmäßige Spreng- und Brandvorrichtungen, die sogenannten IEDs, sind eine der größten Bedrohungen für Bundeswehrkräfte im Einsatz. „Counter IEDImprovised Explosive Device“, also auch die Auswertung und Abwehr dieser Sprengfallen, ist Teil des Auftrages des Amtes für Heeresentwicklung.
Major Andreas B. ist einer der Verantwortlichen vor Ort. Drei Wochen lang üben hier auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz Kameraden aus mehreren Ländern. Sie werden beim dritten multinationalen Weapons Intelligence Team (WITWeapons Intelligence Team) Training zu Feldauswerteteams ausgebildet.
Denn nach einem Gefecht oder Anschlag sind sie entscheidend: Die Experten der Kampftruppe, des Militärischen Nachrichtenwesens, der Kampfmittelbeseitigung und der Feldjägertruppe sammeln bei NATONorth Atlantic Treaty Organization-Einsätzen unmittelbar am Ort des Geschehens Informationen. Egal, ob Bruchstücke zerstörter Fahrzeuge, ITInformationstechnik-Technik oder auch persönliche Gegenstände vom Handy bis zum Laptop – alles wird gesichert, dokumentiert und mitgenommen.
Sprengstoff und Material extra für die Ausbildung
Die Teams lernen, wie sie die militärische Führung im Einsatz bestmöglich mit Informationen vom Ort des Geschehens versorgen: „Wir wollen die 27 Kameradinnen und Kameraden aus den Niederlanden, Schweden, Belgien und Deutschland intensiv ausbilden, damit sie im Ernstfall in der Lage sind, schnell, professionell und effizient den Anschlagsort zu untersuchen, zu dokumentieren und alle relevanten Artefakte zu sichern“, sagt Major Andreas B. Im Planungsteam des Amtes für Heeresentwicklung in Köln hat er den Lehrgang mitgeplant.
Inzwischen ist der Rauch der Sprengung verflogen. Ganz in der Nähe der Schießbahn warten schon die fünf Ermittlerteams. Pro Team sorgen jeweils drei Ausbilder dafür, dass die Analyse mit größtmöglicher Präzision vor Ort geplant und durchgeführt wird. Zuerst fährt ein geländegängiger Eagle den Platz ab. Der mit einem Stativ auf ihm befestigte 3-D-Scanner erstellt Dutzende Aufnahmen des Geländes rund um den Anschlagsort.
20 Ausbilder sind aktiv in die Ausbildung eingebunden, um die Teilnehmer auf dem Truppenübungsplatz fit zu machen für neue Herausforderungen. Unterschiedliche Sprengmethoden, Zünder und Sprengstoff wurden extra für den Lehrgang vorbereitet, um ein möglichst realistisches Übungsszenario zu gestalten. „Zeitnah und modern Vorfälle auswerten zu können, ist essenziell, um als Armee überlebensfähig zu sein.„
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Wracksplitter und Sprengstoffreste analysieren
Das bedeutet, im Ernstfall Wracksplitter, Sprengstoffreste und eventuell zugehörige Fundstücke detailliert zu analysieren, um Material und Taktik des Angreifers möglichst genau zu kennen“, so Major B. Die Ertüchtigung ist Teil einer Ausbildungsinitiative der Bundeswehr vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen für die Landes- und Bündnisverteidigung.
Der Aufenthalt auf dem Truppenübungsplatz gehört dazu. Die Vorbereitungen für die Ausbildung waren bereits 2022 gestartet. So wurden mehrere ausgediente Autos organisiert und der Sprengstoff und die Minen für das Training vorbereitet. Das Amt für Heeresentwicklung hat auf dem Truppenübungsplatz außerdem eigens einen Ausbildungsfilm produziert.
Pinzetten, UV-Lampen und Video-Detektoren
Im Ernstfall gehen die Experten in mehreren Stufen vor. Hier in der Oberlausitz wird vor allem der erste Schritt geübt, die Analyse am Fundort der Artefakte. „Artefakte, das sind für militärische Sprengstoffexperten all die Dinge, die wir vor Ort nach einer Explosion finden, von Wrackteilen über Papierkalender bis zum Tablet“, erzählt Major B.
Das Auswerteteam um Max M. läuft zum angesprengten Auto. Mit sterilen Handschuhen und Schutzbrillen inspiziert es den Anschlagsort. Zur Ausrüstung gehören neben Kameras, Pinzetten und UV-Lampen auch Video-Detektoren.
Am Anschlagsort ist nur noch wenig übrig von dem VW Golf. Die Kameraden zeichnen Skizzen, vermessen den Krater, nehmen Bodenproben in Reagenzröhrchen, verpacken Splitterteile und recherchieren im Hintergrund. Dann werden Handys, ITInformationstechnik-Geräte, Dokumente und Fingerabdrücke eingesammelt. Je genauer die Experten ihren Job machen, umso präziser sind die Rückschlüsse, die dann auf Technik und Material, aber auch auf die Planung und Vorgehensweise der Angreifer gezogen werden können.
Auswerteergebnisse für besseren Schutz der Kameraden
Zurück im Lager, fertigt das Team seinen Feldauswertebericht an. Dazu werden die Fotos, Skizzen und ersten Auswerteergebnisse zu den Artefakten zusammengefasst. Das bedeutet Feinarbeit und ist gleichzeitig die Vorbereitung für die weitere Auswertung im Labor: Der Fundort wird skizziert und kartografiert, die Lage der Gegenstände wird vermerkt und umliegende Häuser auf Kameras untersucht.
„Wir können mit unserer Software bereits heute aus verschiedenen Fotos und unseren Laborergebnissen sehr genau die Detonation und ihre Folgen auswerten. Und je professioneller die Kameradinnen und Kameraden vor Ort Daten erfassen, umso präziser sind dann unsere Auswerteergebnisse. Das führt zum besseren Schutz für die Kameraden.“
Kompetenzen zu bündeln, um gemeinsam multinational mit den Partnern Expertise für den Ernstfall vorzuhalten, das ist das Ziel der Heeresentwickler um Oberstleutnant Markus L. und seine Leute. Die Ausbilder überlassen nichts dem Zufall: Selbst das Lehrgespräch wurde in der Oberlausitz aufgenommen, um den Lerneffekt später effektiv auswerten zu können.