Oberfeldwebel Christian M. ist als Auslandseinsatz-Feldwebel Teil des 5. deutschen Einsatzkontingents bei der EUEuropäische Union-Mission EUFOREuropean Union Force Althea. Er dient im Liaison and Observation Team (LOTLiaison and Observation Teams) in Čapljina im Süden von Bosnien und Herzegowina. Verbindung zur Zivilbevölkerung halten, Gespräche protokollieren und auswerten sind nur einige der vielen Aufgaben des 44-Jährigen.
Als Dreierteam fahren sie raus in ihr Operationsgebiet: der Teamführer, der Auslandseinsatz-Feldwebel Christian M.* als Spezialist und Notetaker sowie der Kraftfahrer. „Wenn wir rausfahren, sind wir zum Beispiel bei Events in Erinnerung an gefallene Helden aus dem Bosnienkrieg vor Ort“, erklärt M. Dort beobachtet das Team, wer teilnimmt und ob das Ganze friedlich abläuft. Besonderes Augenmerk habe man darauf, ob es „Hassreden, verbotene Fahnen, Flaggen oder Abzeichen“ gebe.
Im LOTLiaison and Observation Teams-Haus, wo das achtköpfige Team lebt und arbeitet, wird das Tagesgeschehen später schriftlich festgehalten: Täglich schreiben die Soldatinnen und Soldaten Berichte, die sie an das sogenannte LOTLiaison and Observation TeamsCoordination Center (LCCLand Component Command) im Camp Butmir in Sarajevo schicken. Dieses erstellt daraus ein genaues Lagebild. Christian M. und sein Team leisten mit ihren Beobachtungen, beispielsweise zur Stimmung in der Bevölkerung, einen wichtigen Beitrag dazu.
Austausch mit Polizeichef, Bürgermeister oder Religionsoberhaupt
Auch der Verlauf und die Ergebnisse von Gesprächsterminen fließen in den Tagesbericht ein. Denn neben dem Besuch von Veranstaltungen in neutraler, beobachtender Funktion treffen sich die LOTLiaison and Observation Teams-Haus-Soldatinnen und -Soldaten regelmäßig mit Vertretern der örtlichen Behörden, beispielsweise dem Polizeichef, dem Bürgermeister oder den religiösen Würdenträgern vor Ort. Diese Gespräche leitet der Teamführer. Christian M. unterstützt dabei: „Meine spezielle Aufgabe ist es, mit Fokus auf die Hauptthemen zu dokumentieren, was besprochen wurde: Gab es Auffälligkeiten? Wie hat sich das Gegenüber verhalten?“ Er verfolgt den Gesprächsverlauf und stellt ergänzende Fragen.
Solche Gespräche begleitet stets ein einheimischer Übersetzer beziehungsweise eine Übersetzerin. „Das Wichtige ist: Ich muss mir meine Fragen schon vorab auf Englisch überlegen, da die Konversation mit dem Übersetzer auf Englisch stattfindet.“ Zwingende Voraussetzung für den Job eines Auslandseinsatz-Feldwebels seien deshalb gute Englischkenntnisse. „Sie brauchen ein hohes Maß an Konzentration: Zum einen müssen Sie die Sprachbarriere überwinden, zum anderen die Themen im Kopf parat haben.“
Augen und Ohren zum Erfassen der lokalen Stimmungslage
Die Gespräche seien sehr anspruchsvoll, da man sie intensiv vor- und auch nachbereiten müsse, betont der Oberfeldwebel. Nur so gelinge es dem LOTLiaison and Observation Teams-Haus-Team, die lokale Stimmungslage wahrzunehmen. Treffe man zum Beispiel einen Imam, das Oberhaupt der ansässigen muslimischen Glaubensgemeinschaft, sei es für den Gesprächserfolg entscheidend, dass man gezielt Fragen stelle: Wie geht es der bosniakischen Gemeinde vor Ort? Gibt es irgendwelche Probleme – möglicherweise finanzieller Art? Und was halten die Gemeindemitglieder von der EUEuropäische Union-Mission EUFOREuropean Union Force Althea?
Das eigene Wissen, gepaart mit Fingerspitzengefühl und der Fähigkeit zum lockeren Smalltalk, machten ein gutes Gespräch aus. Besonders wichtig sei auch interkulturelle Kompetenz, da sich die die Kultur in Deutschland deutlich von der Kultur in Bosnien und Herzegowina unterscheide. Die Familie habe dort zum Beispiel einen viel größeren Stellenwert als in Deutschland, so der 44-Jährige.
„Es braucht Zeit, um Vertrauen zu gewinnen“
Der Oberfeldwebel fühlt sich als Bundeswehrangehöriger in der Region willkommen. „Höflich sind die Menschen immer, Gastfreundschaft wird hier sehr groß geschrieben.“ Wichtig sei es, im Rahmen von Fußpatrouillen Präsenz in den Ortschaften zu zeigen und die Leute regelmäßig zu fragen, wie es ihnen gehe. Mithilfe dieser sogenannten Ad-hoc-Gespräche finden die Kameradinnen und Kameraden heraus, ob die Menschen sich in ihrem Lebensumfeld sicher fühlen und wie ihr Verhältnis zu EUFOREuropean Union Force ist.
„Wir treffen Leute auf der Straße oder sprechen jemanden im Café an“, erklärt der Oberfeldwebel. Oft werden aber auch die Soldatinnen und Soldaten zuerst angesprochen – zum Beispiel beim Einkaufen im Supermarkt. Insbesondere in den Sommermonaten sorgen die deutschen Uniformen bei in Deutschland lebenden Bosniern, die Urlaub in der Heimat machen, für Überraschung: „Hallo Bundeswehr – was macht ihr denn hier?“, sei eine typische, freundliche Reaktion auf das deutsche Militär.
„Der Krieg ist nach wie vor präsent“
Bei der multinationalen Übung Quick Response im August und September 2024 haben die Bundeswehrangehörigen erlebt, wie tief die Angst vor dem Krieg besonders bei den älteren Menschen sitzt: Die Soldatinnen und Soldaten der LOTLiaison and Observation Teams-Häuser trainierten gemeinsam mit internationalen Partnern die Evakuierung von Personal und die Versorgung von Schwerverletzen. Die Teams hatten ihre Nachbarn persönlich besucht und darüber informiert. Dennoch sei spürbar gewesen, dass der Anblick der Waffen in der Hand der vielen, plötzlich auftauchenden Soldaten die Menschen zutiefst verunsichert und an den Krieg vor dreißig Jahren erinnert habe, so Christian M.
Für seinen Dienst in Bosnien und Herzegowina zieht der Oberfeldwebel eine positive Bilanz: „Jeder, der in den Einsatz kommt, hat gewisse Vorurteile: Was die Kultur betrifft, was die Menschen betrifft.“ Das eine oder andere werde vielleicht bestätigt, vieles jedoch widerlegt. Dies erfahre man nur, wenn man im Land selbst offen und unvoreingenommen in den Austausch mit der Bevölkerung trete.
Um Feldwebel der Bundeswehr zu werden, durchläuft man nach der allgemeinen soldatischen Grundausbildung die entsprechenden Lehrgänge. Für die Laufbahn wird mindestens ein Hauptschulabschluss plus Berufsausbildung oder ein Realschulabschluss verlangt. Folgende Zusatzqualifikationen muss man mitbringen, wenn man sich auf den Dienstposten eines Auslandseinsatz-Feldwebels bei EUFOREuropean Union Force bewerben möchte:
Allgemeine Auslandsverwendungsfähigkeit
Kraftfahrer B mit Einweisung in den Greenliner (Ort: unterschiedlich; Dauer: eine Woche)
Lehrgang SERESurvival, Evasion, Resistance and ExtractionLevel B (Survival, Evasion, Resistance, Extraction) Überleben, Ausweichen/Flucht, Widerstand und Rückführung: Teilnehmende erlernen Verfahren und Techniken, wie sie abgeschnitten von der Außenwelt und im Feindesland überleben und wieder zurück zur Truppe gelangen (Ort: unterschiedlich; Dauer: zwei Wochen)
Konferenzbescheinigung NATONorth Atlantic Treaty Organization-Confidential: nach Sicherheitsüberprüfung über das jeweilige S2 Dezernat
Englisch SLP (2221 oder vergleichbar) meist als Teil der Feldwebel-Ausbildung (Ort: Delitzsch; Dauer circa drei Monate)
Grundlagenlehrgang Zivil-Militärische Zusammenarbeit im Ausland (ZMZBw) im Multinational Civil-Military Cooperation Command (CIMICMultinational Civil-Military Cooperation Command): Erlernen der Erstellung eines ziviles Lagebildes mit Beratung der militärischen Führung zu den durch militärisches und ziviles Handeln ausgelösten Wechselwirkungen sowie den zu erwartenden Folgen auf die Operationsplanung/-führung; Verbindung halten zu Bevölkerung, Regierung und internationalen Organisationen (Ort: Nienburg; Dauer: eine Woche)
*Name zum Schutz abgekürzt
Was ist das Beste an Ihrem Job?
Das Beste an meinem Job ist, dass ich Land und Leute kennenlerne. Der Tag ist sehr abwechslungsreich, da ich mit vielen verschiedenen Menschen zu tun habe. Hier im Einsatz in diesem Land zu sein, ist etwas ganz anderes, als wenn man Bosnien und Herzegowina als Urlauber besuchen würde: Man kann hinter die Kulissen treten. Dadurch, dass wir direkt mit der Zivilbevölkerung sprechen und einheimische Übersetzerinnen und Übersetzer in unserem Team haben, erhalten wir ganz andere Antworten im Vergleich zu einem kurzen Wortwechsel als Tourist auf Englisch.
Welche drei Eigenschaften muss man für Ihren Job mitbringen?
Erstens sollte man gut mit Menschen kommunizieren können und sich auf Menschen einlassen wollen: Das ist Grundvoraussetzung für meine Tätigkeit hier im Einsatz in Bosnien und Herzegowina. Es muss einfach eine gewisse Offenheit anderen Menschen gegenüber da sein. Zweitens braucht man ein gewisses Maß an Flexibilität, um gut auf unvorhersehbare Situationen reagieren zu können. Drittens ist es ganz wichtig, dass man teamfähig ist und in allen Belangen an einem Strang zieht. Für ein gutes Miteinander in unserer Wohngemeinschaft im LOTLiaison and Observation Teams-Haus muss man beispielsweise Probleme, die zu einem Konflikt führen könnten, offen ansprechen und um Klärung bemüht sein, damit sich nichts aufschaukelt.
Welchen Beruf hätten Sie im zivilen Leben?
Im zivilen Leben wäre ich Industriekaufmann. Tatsächlich habe ich vor meinem Wiedereinstieg in die Bundeswehr in diesem Beruf in einem sehr großen Konzern gearbeitet. Bezogen auf meine jetzige Tätigkeit muss man eine diplomatische Ader haben, um auf Menschen zuzugehen und mit ihnen sprechen zu können.
Warum haben Sie sich für diesen Einsatz entschieden?
Das ist mein erster Einsatz. Von vornherein stand für mich fest, dass ich meine erste Einsatzerfahrung außerhalb eines Camps machen möchte. Für mich ist es eine einmalige Chance, hier in Bosnien und Herzegowina inmitten der Bevölkerung direkt im Geschehen meinen Dienst zu tun.
Was würden Sie einem Menschen raten, der Ihre Tätigkeit ausüben möchte?
Kommunikation, Teamfähigkeit und gutes Englisch sind die Schlüsselqualifikationen für diese Tätigkeit. Zusammen mit der Tatsache, dass man als kleines Team innerhalb eines Hauses eine Wohngemeinschaft bildet, sollte man sich frühzeitig Gedanken darüber machen, ob das für einen das Richtige sein könnte.
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