Y-Magazin

Dreimal bis ans Limit: Als Triathletin zur Militärmeisterschaft

Dreimal bis ans Limit: Als Triathletin zur Militärmeisterschaft

Datum:
Ort:
Neuburg an der Donau
Lesedauer:
6 MIN

Als Ingenieurin programmiert Silvia Bottek an den Computern des Eurofighters. Nach Dienstschluss trainiert sie für eine der härtesten Ausdauersportarten: den Triathlon. Für die Bundeswehr tritt sie bei der Militärmeisterschaft an. Y hat mit ihr trainiert.

Porträt von einer Frau in Sportkleidung auf einem Rennrad

Silvia Bottek ist Triathletin. Sie trainiert jeden Tag. Pro Woche sind das mehrere Stunden auf dem Rennrad: im Winter auf der Rolle, im Sommer auf der Straße

Bundeswehr/Jana Neumann

Silvia Bottek rast mit ihrem Rennrad durch die USUnited States-amerikanische Stadt Richmond. Am Straßenrand ziehen Villen mit weißen Marmorsäulen vorbei. Der Geschwindigkeitsmesser zeigt 45 Kilometer pro Stunde an. Bottek beißt die Zähne zusammen. Ein Tropfen Schweiß tropft von ihrer Stirn und landet – auf dem Boden ihres Arbeitszimmers.

Die 28-Jährige fährt nicht wirklich durch Richmond. Stattdessen radelt sie in ihrer Wohnung im bayerischen Neuburg an der Donau. Ihr Rennrad ist auf einer Rolle befestigt, die die Trittgeschwindigkeit der Triathletin auf einen Rechner überträgt. Der zeigt auf einem Bildschirm ihre Zeit – und das computergenerierte Richmond. So kann sie an dem virtuellen Rennen teilnehmen.

Und nicht nur sie: 1.780 andere Radsportlerinnen und Radsportler aus der ganzen Welt befinden sich gerade mit ihr zusammen in diesem Trainingsprogramm. Doch Bottek beeindrucken die vielen anderen nicht. Sie hält ihr Tempo und blickt konzentriert auf den Bildschirm.

Immer wieder neue Ziele

An der Universität der Bundeswehr in München hat die Ingenieurin Elektrotechnik studiert und kennt sich daher auch sonst mit Computern aus. Wenn sie nicht gerade für eine der härtesten Ausdauersportarten überhaupt, den Triathlon, trainiert, programmiert sie die Computer des Eurofighters. Auch da geht es darum, die Grenzen des Machbaren auszuloten. Grenzen austesten, sich immer wieder neue Ziele setzen – das macht ihre Sportart für sie aus.

Damit ist sie nicht allein: Der Mehrkampf aus den Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen liegt voll im Trend. Schulen bieten Kurse an, Städte veranstalten Wettkämpfe und die Mitgliederzahlen der Vereine wachsen. Laut der Deutschen Triathlon Union haben sich die Anmeldungen bei Wettbewerben in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht.

Erfolge deutscher Athletinnen und Athleten wie Jan Frodeno, Anne Haug und Patrick Lange fachen die Triathlon-Begeisterung an. Der Sport ist aber auch deshalb beliebt, weil wenig dafür benötigt wird. Im Grunde reichen gute Laufschuhe und ein Rennrad. Ein anständiges Rad bekommt man ab 1.000 Euro. Das Rennrad von Silvia Bottek hat 2.200 Euro gekostet, ihr Zeitfahrrad etwa das Doppelte. Spitzenathletinnen und -athleten zahlen dagegen für ihre Hightech-Maschinen schon mal fünfstellige Beträge. Ein weiterer Vorteil von Triathlon: Es ist nie zu spät, damit anzufangen. Anders als beim Fußball oder in der Leichtathletik kann man auch mit über 30 Jahren noch richtig gut werden.

Nahaufnahme von Füßen beim Treten auf dem Rennrad-Pedal

Bei schlechtem Wetter trainiert Silvia Bottek das Radfahren auf der Rolle in ihrem Arbeitszimmer

Bundeswehr/Jana Neumann
Ein Frau in Sportkleidung beim Rennrad fahren in einem Zimmer vor dem Monitor

Ein Trainingsprogramm lässt sie virtuell durch die Stadt Richmond in den USA fahren

Bundeswehr/Jana Neumann

Eine der Besten in der Bundeswehr

Holger Wollny ist Trainer des CISMConseil International du Sport Militaire-Triathlon- Teams. CISMConseil International du Sport Militaire steht für Conseil International du Sport Militaire. Dahinter verbirgt sich der Internationale Militärsportverband. Wollny sichtet die besten Triathletinnen und Triathleten innerhalb der Bundeswehr und bereitet sie auf Wettkämpfe vor.

Silvia Bottek ist eine von acht Frauen in seinem Eliteteam. Im vergangenen Jahr sollte sie bei der CISMConseil International du Sport Militaire-Militärweltmeisterschaft im Triathlon in Spanien antreten, die dann wegen der Coronapandemie abgesagt wurde. Dieses Jahr soll der Wettbewerb über die olympische Distanz in Kanada stattfinden – und Silvia Bottek ist wieder fest eingeplant.

Wollny erklärt, warum Triathlon gerade in der Bundeswehr so beliebt ist: „Für Soldatinnen und Soldaten eignet sich der Sport besonders gut, weil damit gleichzeitig Ausdauer, Koordination und Kraft gefordert werden.“

Auf der Rennbahn mit Kind und Kegel

Wer im Triathlon erfolgreich sein will, braucht Disziplin und darf sich auch von Minustemperaturen nicht abschrecken lassen. Bottek trainiert jeden Tag. Pro Woche kommen da 40 bis 50 Laufkilometer zusammen und mehrere Stunden auf dem Rennrad, im Winter auf der Rolle und im Sommer auf der Straße.

Es ist nicht einfach, alles im Alltag unterzubringen. Bottek hat einen anderthalbjährigen Sohn. Ihr Mann Christian ist Gebirgsjäger in Berchtesgaden und wochentags nicht da. Oft schiebt sie deshalb beim Lauftraining den kleinen Max im Kinderwagen vor sich her – oder er sitzt beim Radtraining im Arbeitszimmer auf dem Lenkrad. Heute aber läuft die Familie gemeinsam: Christian und Silvia Bottek Seite an Seite mit dem kleinen Max im Kinderwagen voran.

Silvia Bottek
Beim Laufen kann ich mich so richtig abschießen

Nach jedem Kilometer ertönt ein Piepton von Silvia Botteks Pulsuhr. Nach dem dritten Piepton setzen die beiden zu Steigerungsläufen an. Vollgas, 70 Meter weit, sechsmal hintereinander. Dazwischen 30 Sekunden leichtes Traben. „Beim Laufen kann ich mich so richtig abschießen“, sagt Silvia Bottek. Das Laufen ist ihre beste Disziplin. Hier gelingt es ihr oft, Plätze wieder gutzumachen, die sie beim Schwimmen verloren hat.

Eine Frau und ein Mann in Sportkleidung beim Hopserlauf auf einem verschneiten Weg

Oft trainiert sie mit ihrem Mann Christian, der Gebirgsjäger ist und mit seiner Frau an Wettbewerben teilnimmt

Bundeswehr/Jana Neumann

Ihre Schwäche war das Schwimmen

Zum Triathlon kam Silvia Bottek vor vier Jahren durch Zufall – und ihren Mann. Im Studium lief sie viel und oft, weil ihr vom vielen Techniklernstoff „der Kopf geraucht“ habe. Ihre gute Kondition fiel auf. Sie wurde gefragt, ob sie die Indoor-Cycling-Kurse an der Uni leiten wolle. Ein Kommilitone sprach sie dann an: Ob sie es einmal mit Triathlon probieren wolle? Dieser Mitstudent war ihr jetziger Ehemann Christian.

„Damals war ich skeptisch“, sagt sie. „Ich konnte doch gar nicht richtig schwimmen.“ Aber Christian Bottek blieb hartnäckig. Auch der Leiter des Triathlonteams an der Universität der Bundeswehr wollte zu der Zeit mehr Soldatinnen zum Triathlon holen. Ihm erschienen die Rad- und Laufleistungen von Silvia Bottek sehr vielversprechend. Sie ließ sich überreden und fuhr 2016 mit ins Trainingslager der Bundeswehr-Triathleten an den Gardasee.

Die ersten Schwimmeinheiten dort gerieten zum Fiasko. Nach 100 Metern Kraulen ging ihr die Puste aus. „Ich war total fertig und habe gedacht: Das kriege ich nie hin.“ Doch sie ließ sich nicht unterkriegen und blieb dran. Sie ging fast jeden Tag zum Schwimmen und wurde immer besser. Nur drei Monate nach dem Gardasee-Debakel absolvierte sie ihren ersten Triathlon, unter anderem in der olympischen Distanz mit 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometern Radfahren, zehn Kilometern Laufen. Zwei Jahre später, im Sommer 2018, wurde sie bei der Militär-Weltmeisterschaft Triathlon in Warendorf deutsche Militär-Meisterin.

Seit dem Trainingslager am Gardasee hat Silvia Bottek Woche für Woche ihre Schwimmtechnik verbessert – und sich mit dem Wassersport versöhnt. Wenn sie heute nicht regelmäßig zum Schwimmen komme, vermisse sie es sogar, sagt sie. Weil sie im Bundeskader ist, darf sie auch in Coronazeiten im Schwimmbad trainieren. Dann stehen an einem Tag schon mal 3,5 Kilometer auf dem Trainingsprogramm.

Ein Frau beim Schwimmen unter Wasser im Schwimmbecken

Vier Kilometer Schwimmen stehen regelmäßig auf dem Programm: zuerst Rückenschwimmen, dann Kraulen mit Flossen oder Paddeln

Bundeswehr/Jana Neumann
Eine Frau beim Schwimmer an der Wasseroberfläche

Eigentlich sind Schwimmbäder in der Pandemie geschlossen. Silvia Bottek darf sie nutzen, weil sie im Bundeskader steht.

Bundeswehr/Jana Neumann

Nächstes Ziel: die Challenge Roth

Bottek macht Triathlon vor allem für sich selbst. Das ist bei manchen Kameraden anders: Sie kenne Soldaten, die sich das Ironman-Logo auf die Haut tätowieren ließen, nachdem sie die Langdistanz von 3,8 Kilometern Schwimmen, 180 Kilometern Radfahren und 42,2 Kilometern Laufen absolviert hatten. Sie wollen zeigen, welch harte Kerle sie sind. Triathlon, vor allem die Langdistanz, gilt als neues Statussymbol – nicht nur in der Bundeswehr. Das Durchschnittseinkommen eines Ironman-Finishers beziffert das USUnited States-Magazin „Infront“ auf mehr als 160.000 USUnited States-Dollar im Jahr. Doch sich mit ihrem Sport zu profilieren, ist nicht Silvia Botteks Stil.

Trotzdem lässt die Faszination Ironman auch sie nicht kalt. Vor 43 Jahren organisierte der Navy Officer John Collins den ersten Triathlon über die Langdistanz auf Hawaii. Vor dem Start soll er gesagt haben: „Wer zuerst ins Ziel kommt, den werden wir den Ironman nennen!“ Seitdem zieht es tausende Triathletinnen und Triathleten aus der ganzen Welt jedes Jahr zum Ironman nach Hawaii.

Auch Silvia Bottek will einmal die Langdistanz bewältigen. Ihr Ziel heißt aber nicht Hawaii, sondern Roth. In der mittelfränkischen Stadt, wo die Luftwaffe ihren Nachwuchs ausbildet, findet immer im Juli die Challenge Roth statt. Das ist der bekannteste Triathlon in Deutschland. Hunderttausende standen dort vor der Pandemie an der Strecke – und irgendwann ja bestimmt wieder. Auf den Moment, in dem Silvia Bottek die Ziellinie dieses traditionsreichen Wettbewerbs überqueren wird, freut sie sich schon heute.

von Julia Egleder