Invictus Games: Die Disziplinen der deutschen Athleten
Invictus Games: Die Disziplinen der deutschen Athleten
- Datum:
- Ort:
- Warendorf
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20 Athleten treten im April für die Bundeswehr bei den Invictus Games in Den Haag an und jeder von ihnen in mehreren Disziplinen. Es folgt ein Überblick über die begehrtesten Sportarten und ihre therapeutischen Zwecke. Und: Warum spielt das deutsche Team nun doch Sitzvolleyball?
Radfahren
„Radfahren ist eine Sportart, die fast jeder unabhängig von den Einschränkungen machen kann“, sagt Hauptmann Kai Luge. Er ist einer der Trainer in der Gruppe Sporttherapie, die das deutsche Invictus-Games-Team begleiten und auch mit nach Den Haag fahren. Genauso wie die Athleten mehrere Disziplinen haben, trainiert auch Luge mehrere Sportarten. Radfahren findet großen Anklang bei den Teilnehmern. Wer beispielsweise Gleichgewichtsstörungen durch eine Gehörschädigung hat, könne auf das Liegerad ausweichen. Auch für Übergewichtige eigne sich der Radsport gut, nicht nur wegen des damit einhergehenden Gewichtsverlusts. „Beim Radfahren gibt es keine Stoßbelastungen für die Gelenke wie beim Laufen, es ist eine gleichmäßige, zyklische Bewegung.“ Wegen der Medikation würden viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Stoffwechselstörungen leiden, die zu einer Gewichtszunahme führe. „Durch das Radfahren wird auch der Stoffwechsel angeregt“, sagt Luge. Und wer nicht viel Ausdauer habe oder verletzungsbedingt nicht lange durchhält, könne ein E-Bike nutzen. So werde keiner abgehängt. „Das E-Bike ist auch eine gute Möglichkeit, Menschen an den Sport heranzuführen, die lange nichts gemacht haben.“ Und so würde automatisch die Kondition verbessert, „die Grundlage für alle weiteren Sportarten ist“.
Auch mental wirke sich der Radsport positiv aus. „Es werden Hormone ausgeschüttet, die der Depression entgegenwirken können“, erklärt Luge. Zudem habe der Radsport „einen Erlebnischarakter“. „Es hat viel mit der Natur zu tun, draußen sein. Das ist für viele ein Anreiz.“ Auch die soziale Komponente spiele eine Rolle. Nicht nur im Wettkampf sei es ein Teamsport. „Man kann in Gruppen Touren fahren. Das wird auch immer beliebter. So findet man auch leichter Anschluss zu anderen.“ Und wer seine Ruhe haben und einfach mal abschalten will, fährt eben alleine.
Wie gut das sein kann, weiß Marcin Staniszewski. Nach einer Verwundung habe er den Radsport durch die Gruppe Sporttherapie entdeckt. „Es ist die einzige Möglichkeit, wie ich möglichst schmerzfrei Sport machen kann.“ Mittlerweile habe er die Leidenschaft dafür entdeckt und nehme auch privat an Rennen teil. Denn für ihn ist es nicht nur ein Mittel für die Fitness, sondern auch ein Ventil. Nach seinem letzten Auslandseinsatz 2020 erlitt er eine seelische Verwundung. „Auf dem Rad bekomme ich den Kopf frei.“
Rudern
Einen freien Kopf schafft auch das Rudern. Hier geht es um vollen Einsatz – über einen kurzen Zeitraum. „Es gibt keinerlei Freiraum zum Nachlassen bei den Ein- bis Vier-Minuten-Rennen. Es muss komplett durchgezogen werden. Es ist die Intensität, die so daran begeistert“, sagt Stabsfeldwebel Kai Cziesla. Und es sei neben Bogenschießen eine der anspruchsvollsten Sportarten.
Cziesla ist seit der Geburtsstunde der Gruppe Sporttherapie dabei. Als Athlet vertrat er Deutschland bei den ersten Invictus Games 2014 in London. Mittlerweile begleitet er seine Kameradinnen und Kameraden auf ihrem Weg zurück ins Leben – und einige zu den Spielen. In Den Haag wird er als Reiseleiter für Freunde und Familien der Athleten dabei sein. 2016 sei Rudern erstmals als Disziplin bei den Invictus Games angeboten worden.
Dieser Sport fördere insbesondere die Koordination. „Es ist gar nicht so einfach, wie es aussieht.“ Denn es gehe vor allem um die Regulierung der Schlagfrequenz, also das Vor und Zurück auf dem Gerät. Wichtig sei, ein Rhythmusgefühl zu haben. „Es ist eine sehr dynamische und runde Bewegung.“ Körperlich betrachtet, sei es perfekt für das Herz-Kreislauf-System, „für die Verbesserung der Kraftausdauer im Sinne des Ausdauertrainings und perfekt für die „Sitzkrieger“, die den ganzen Tag sitzen. Sie kommen dann wieder in eine aufrechte Haltung.“
Rudern werde von vielen gemacht, da es auch leicht verfügbar in der Truppe sei, erläutert Cziesla weiter. In nahezu allen Kasernen sei im Kraftraum ein Rudergerät vorhanden. „Einige Teilnehmer haben sich auch schon eines privat gekauft.“ Psychisch betrachtet sei ein Risiko gegeben, dass die Sportler frustrieren, wenn es nicht sofort klappt. Aber die meisten würden es weiter versuchen und dann erfolgreich sein. Es komme aber auch immer mal wieder vor, dass Athleten mit einer psychischen Erkrankung das Rudern nur dazu nutzten, um sich auszupowern. „Man muss ein Gefühl dafür haben und sich dann auch mal ausbremsen, sonst übertreibt man es schnell.“ Zusammengefasst aus der Erfahrung der vergangenen Jahre weiß Cziesla: „Entweder man liebt das Rudern, oder man hasst es. Etwas dazwischen gibt es nicht.“
Sitzvolleyball – absolut inklusiv
„Sitzvolleyball ist eine Paradesportart der Inklusion“, sagt Cziesla und erläutert: „Der gesunde Geher begibt sich mit dem beispielsweise einbeinig Amputierten auf Augenhöhe auf den Fußboden.“ Das aktuelle Bundeswehr-Team stellt bei den Spielen in Den Haag keine eigene Mannschaft für Sitzvolleyball, da die Handicaps stärker psychischer als körperlicher Natur sind. Aber die deutschen Athleten können Teams anderer Nationen unterstützen, also in gemischten Teams. Das hat es bereits in der Vergangenheit gegeben. „2017 haben wir in Sydney ein gemischtes Team mit Irak gemacht“, so Cziesla. Dabei sei der körperliche Gesunde keineswegs im Vorteil gegenüber den Beeinträchtigten. „Er muss sehr aufpassen, keinen technischen Fehler zu begehen, also doch mal aufzustehen zum Beispiel.“ Beim Rollstuhlbasketball würden die Nicht-Gelähmten an den Rollstühlen festgebunden, beim Sitzvolleyball werden aber die Beine nicht am Boden fixiert oder zusammengebunden.
2018 hatte Deutschland ein eigenes Team – mit Cziesla als Trainer. „Diese Teamsportart und die Interaktion mit anderen Nationen spiegelt den Geist der Invictus Games wieder.“ Er würde es schön finden für die deutschen Athleten, „wenn sie in gemischten Teams spielen können“.