Smart Targets – wenn die Ziele angreifen, fahren, schreien

Smart Targets – wenn die Ziele angreifen, fahren, schreien

Datum:
Ort:
Meppen
Lesedauer:
4 MIN

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

In der Wehrtechnischen Dienststelle 91 in Meppen kommen sie bereits zum Einsatz: Smart Targets. Selbstfahrende Ziele, die mit dem Schützen interagieren. Damit wird die Schießausbildung modernisiert. Beim Besuch im Emsland zeigen die Projektbeauftragten, wie realistisch Gefechte dargestellt werden können.

Zwei Puppen auf Rädern auf einem Testgelände, im Hintergrund ein Mann mit Laptop

Smart Targets: Die selbstfahrenden Ziele werden über ein Kontrollzentrum gesteuert. Die gewünschten Szenarien lassen sich vor einer Übung programmieren.

Bundeswehr/Carsten Borgmeier

Zwei Dummys auf Rädern flitzen vorbei, gefolgt von einem Auto. Es fallen Schüsse. Schreie sind zu hören. Doch es sind keine Schützen zu sehen, denn an diesem Szenario sind gar keine Menschen beteiligt. Abgesehen von René Kargus und Frank Jaspers, die etwas abseits das Geschehen beobachten – und kontrollieren und lenken. Mit kleinen Laptops kontrollieren sie in Echtzeit die Bewegungen der autonomen Zielfiguren und das Fahrzeug, in dem zwei weitere Dummys sitzen.

Die Puppen auf vier Rädern sind Smart Targets, die künftig einer besseren Ausbildung dienen sollen. Wie das am besten funktioniert, wird in der Wehrtechnischen Dienststelle (WTDWehrtechnische Dienststelle) 91 in Meppen erforscht. In der WTDWehrtechnische Dienststelle 91 dreht sich alles um Waffen und Munition. Jaspers und Kargus leiten das Projekt „Weiterentwicklung Truppenübungsplatz“ und gewähren erste Einblicke.

Ein Mann im Porträt
Frank Jaspers Bundeswehr/Carsten Borgmeier
„Wir forschen anwendungsbezogen, direkt für die Truppe.“

Forschen direkt für die Truppe

Jaspers ist mit 31 Jahren Erfahrung in der Dienststelle ein Urgestein. Und ein großer Anhänger von technischen Entwicklungen. „Wir forschen anwendungsbezogen, direkt für die Truppe.“ Seit etwa 15 Jahren forscht Jaspers unter anderen im Bereich Augmented, Mixed und Virtual Reality (VRVirtuelle Realität). Dabei handelt es sich um computergestützte Darstellungen, die möglichst realitätsnah sein sollen. Das sind alles Technologien, die bald auch in der Schießausbildung der Bundeswehr eine Rolle spielen sollen.

Für Freunde der Spielekonsolen sind VRVirtuelle Realität-Brillen längst kein Novum mehr, in der militärischen Ausbildung in Deutschland kommen sie bisher nur vereinzelt zum Einsatz. Immerhin geht es hierbei nicht um Spiele, sondern um das Üben von sicherem Verhalten im Gefecht und den Schutz der Soldatinnen und Soldaten. Um die Szenarien möglichst realistisch darzustellen, sollen deshalb im ersten Schritt Smart Targets zum Einsatz kommen.

Angreifen, decken, formieren

Bei den Smart Targets handelt es sich um selbstfahrende Zieldarstellungen – Puppen auf Rädern –, die nicht nur als Ziele dienen, sondern auch agieren und reagieren. „Die Targets können angreifen, sich Deckung suchen, formieren“, erläutert Jaspers. Was passieren soll, hängt vom Szenario ab und was programmiert wird. Kargus erklärt auf dem Hindernis-Parcours der WTDWehrtechnische Dienststelle 91, wie die Ausbildung auf einem Truppenübungsplatz in der Zukunft aussehen kann.

Zwei Männer stehen mit Laptops auf einem Testgelände vor zwei Puppen auf Rädern und einem weißen Pick-up

Ein Team: Frank Jaspers (l.) und René Kargus leiten das Projekt zur Weiterentwicklung der Truppenübungsplätze. Auf dem Testgelände erproben sie die Smart Targets.

Bundeswehr/Carsten Borgmeier

Ausbilder schreiben die Skripte selbst

Zunächst wird eine Karte des Platzes benötigt. „Wir haben dafür ein Satellitenbild angefordert“, so Kargus und erklärt weiter: „Dann fahren wir mit den Targets den Platz ab. Mittels des integrierten Lidar-Lasers  erstellt das System eine 2D-Karte, erkennt die Hindernisse und Bewegungsgebiete werden festgelegt.“ Alle Daten befinden sich auf dem Laptop, der Kontrollstation. Künftig kann der Ausbilder dann entscheiden, was er üben möchte und wie das aussehen soll. Dementsprechend wird ein Szenario entworfen und mit der Kontrollstation programmiert.

Dieses Skript kann verschiedene Aktionen der Smart Targets beinhalten. „Wird eines beschossen, können sich alle selbstständig Deckung suchen oder auch dem Verletzten zur Hilfe eilen für Erste Hilfe“, erläutert Kargus. Sie können auch angreifen. Dann fahren die Smart Targets auf die Schützen und es ertönen Schussgeräusche. Unter optimalen Bedingungen wie ebener Unterfläche erreichen sie bis zu 18 Kilometer pro Stunde.

Treffer auswerten, Schießen verbessern

Neben der realen Gefechtsdarstellung dienen die Smart Targets auch der verbesserten Schießausbildung. Der Ausbilder kann über das Kontrollzentrum sehen, im welchen Bereich das Projektil eingetreten ist. Abhängig vom Treffer kann dann das Verhalten der Smart Targets festgelegt werden.  Der Kunststoff, aus dem die Puppen bestehen, zieht sich fast vollständig wieder zusammen. Somit hinterlassen die Kugeln nur kleine Löcher.

Aus dem gleichen Material bestehen auch die 3D-Klappfallscheiben, die bald auf den Schießbahnen Einzug halten sollen. Sie fahren zwar nicht autonom, können durch ihre Form aber von allen Seiten beschossen werden und sind ebenfalls mit einem Trefferdetektionssystem ausgestattet. Wie die rollenden Ziele können sie auch Töne von sich geben.

Der autonome Pick-up ist die neueste Errungenschaft für dieses Projekt. Er fährt ebenso autonom wie die Smart Targets. Zwei Dummys stellen Fahrer und Beifahrer dar. Der Pick-up kommt in der Spitze auf bis zu 43 Kilometer pro Stunde. Zusätzlich können auch Treffer im Motorblock detektiert werden.

Ein weißer Pick--up mit zwei Puppen als Insassen auf einem Testgelände

Fährt von selbst: Der Pick-up wird ebenso gesteuert wie die anderen Smart Targets. Durch das autonome Fahrzeug lassen sich noch mehr Szenarien darstellen.

Bundeswehr/Carsten Borgmeier

Train as you fight

Die Soldatinnen und Soldaten sollen künftig mit speziellen Westen und Anzügen ausgestattet werden, die beim Training Beschuss in Form von Vibration auf den Körper übertragen. Das macht die Übung realistischer und trainiert besser für das Verhalten im Gefecht. „Train as you fight, lautet der Slogan“, betont Jaspers. Also: Trainiere so, wie du kämpfst.

Er freut sich, Teil dieses zukunftsweisenden Projektes zu sein und hofft, dass die Materialien der Truppe möglichst schnell zur Verfügung stehen. „Es dauert zu lange von der Forschung bis zur Realisierung. Die Technik entwickelt sich immer schneller weiter. Auch in der Bundeswehr sollte man sich da anpassen.“

von Amina Vieth

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.