Diensthunde in der Bundeswehr: Cliff – ein Soldat auf vier Pfoten

Feldjäger trainieren im Steinbruch für den Auslandseinsatz. Ein Tag an der Seite von Diensthund Cliff und Hundeführer Stefan Beck.

Blick auf einen Soldaten, der sich mit einem Hund auf dem Rücken von einer Felswand abseilt.

Cliff – ein Soldat auf vier Pfoten

Cliff – dunkelblond, schon leicht grau um die schwarze Schnauze, aufgeweckt und neugierig. Mit seinen sechs Jahren ist der Belgische Schäferhund auf dem Höhepunkt seiner Karriere – und Teilnehmer einer multinationalen Diensthunde-Übung der Feldjäger in Fritzlar. Training für den Auslandseinsatz: Überwinden von Höhen und Schluchten.

Die Ohren gespitzt, die Rute gen Boden gerichtet, die Pfoten meterweit über dem Boden. Für Cliff eine ungewohnte und sichtlich unangenehme Situation, als er an einem Seil über einer Schlucht hängt und langsam auf die andere Seite gezogen wird. Mit den Augen sucht er nach seinem Herrchen, doch er kann ihn nicht sehen. Der Rüde fiept leise. Da ertönt die beruhigende Stimme von Hauptfeldwebel Stefan Beck. Erleichterung - sein Herrchen ist da. Cliff vertraut ihm bedingungslos. In Becks Händen liegt das Wohlergehen, das Leben des Hundes. Das Duo der 9. Kompanie des Feldjägerregiments 2 ist rund um die Uhr zusammen, auch nach Dienstschluss. Ein Tag an der Seite eines ungleichen Teams, das dennoch enger verbunden ist als manche Freunde.

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  • Ein Soldat befestigt ein Geschirr an einem Hund
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    Guter Stammbaum und sicherer Tritt

    Cliff stammt aus der bundeswehreigenen Zucht an der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr in Ulmen. Schon als Welpe stand er unter den prüfenden Blicken der Ausbilder. Denn ein Diensthund muss mehr haben als nur einen guten Stammbaum. Er muss sich auf wackeligen Untergründen sicher bewegen, sich in lauter Umgebung zurechtfinden und darf nicht ängstlich sein. Seit 2017 ist Cliff an der Seite seines Herrchens – im Dienst und daheim. Beck ist bereits seit 2011 Diensthundeführer. Es ist ein Spagat zwischen Dienst- und Familienhund. Cliff ist ein Hilfsmittel mit ausgeprägtem Geruchssinn und Schutzinstinkt, das für Sicherheit sorgt. Aber er ist auch Kamerad und Familienmitglied.

    Nach der fünfmonatigen Ausbildung in Ulmen ging es nach Fritzlar. Cliffs Aufgaben: Spür- und Schutzdienst. Tägliches Training ist Pflicht. Oder für Cliff: tägliches Spielen. Sein Spielzeug ist Motivation und Belohnung zugleich. Doch das reicht längst nicht aus: „Es geht um Vertrauen“, betont Beck. Dafür bedarf es einer engen Bindung. Enger als zwischen Teampartnern oder sogar Familienmitgliedern. „Ich verbringe mit Cliff mehr Zeit als mit meiner Frau“, sagt Beck mit einem Lachen. Rund um die Uhr sind sie zusammen, jeden Tag, auch nach Dienstschluss und im Urlaub.

  • Ein Soldat öffnet die Tür eines Zwingers, in dem ein Hund sitzt
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    Kein Schmusehund, eine große Verantwortung

    Eine große Verantwortung, die der Diensthundeführer übernimmt. Nur zwei Wochen im Jahr habe er „hundefrei“, wenn es mit der Familie in den Urlaub fährt. „Dessen muss man sich im Klaren sein. Man ist gebunden und muss alles gut planen.“ Und Regeln aufstellen. Cliff ist nach Dienstschluss zwar einfach ein Hund, aber kein Schmusetier. Das mussten auch Becks fünf Kinder lernen. Für sie gibt es andere tierische Begleitung. „Wir haben noch einen Dackel.“ Denn Cliff sei so trainiert, dass er auf Kommando beißen kann. Angreifer stellt er, beißt bei Bedarf in Arm oder Bein, im Ernstfall attackiert er empfindlichere Körperstellen. „Der Hund darf nur aus dem Zwinger, wenn ich dabei bin.“

    „Zwinger“ klingt schlimm, doch es ist kein Symbol für die Verbannung, sondern Cliffs Rückzugsort – den er auch braucht. „Dort hat er seine Ruhe und kann sich entspannen.“ Wenn es im Winter zu kalt werde, dürfe Cliff im Haus schlafen. Die Gewöhnung an den Zwinger bleibe aber wichtig, weil Diensthunde im Auslandseinsatz so untergebracht sind.

    Auch in der Kaserne hat Cliff sein eigenes Reich. Mit zwölf Quadratmetern ist der Zwinger größer als die rechtlich vorgeschriebenen acht Quadratmeter. Und natürlich hat er eine Box in Becks Feldjäger-Bus, wo er es sich jederzeit bequem machen kann. Während Beck am Steuer sitzt, schläft Cliff. Noch ahnt er nicht, was auf ihn zukommt. Es geht in den Steinbruch.

  • Ein deutscher Soldat mit einem Zettel in der Hand steht vor Soldaten verschiedener Nationen auf einem Waldweg und spricht.
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    Einweisung für Soldaten, Leben in der Lage für Hunde

    Der Weg in den Wald ist holprig. Das stört den Vierbeiner nicht, er döst. Angekommen, geht es für die Soldaten direkt los. Neben den Feldjägern sind auch belgische und in Deutschland stationierte USUnited States-amerikanische Soldaten mit ihren Hunden zur Übung angereist. Sich international auszutauschen, sei wichtig. „So lernt man die Arbeitsweisen kennen und kann im Auslandseinsatz einfacher zusammenarbeiten“, sagt Beck, Initiator der Übung. Zudem könne man voneinander lernen, „den eigenen Horizont erweitern“. Für ihn und Cliff wird es kurz nach der Übung nach Mali gehen. Die Übung im Steinbruch dient der Vorbereitung.

    Das Szenario: Ein Waffen- und Munitionslager des Feindes wird in dem menschenleeren Steinbruch vermutet. Die Feldjäger müssen mit ihren Hunden das Lager ausfindig machen. Doch dafür müssen sie erst einmal in den Steinbruch gelangen, also steile Wände und breite Schluchten überwinden. Leiter, Seilsteg und -rutsche fordern Mensch und Tier.

    Während den Soldaten die Übung erläutert wird, entspannen die Tiere. Sie wissen noch nicht, was sie erwartet. Und sie machen sich darüber auch keine Gedanken. Sie haben gelernt, wortwörtlich in der Lage zu leben, sich voll und ganz auf ihr Herrchen oder Frauchen zu verlassen und deren Kommandos zu befolgen.

  • Ein Soldat steht mit einem angeleinten Hund auf einem Waldweg, im Hintergrund ein Fahrzeug
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    Geschirr und Klettergurt für Cliff und Beck

    Von der Aufregung um ihn herum bekommt Cliff nichts mit. Dann öffnet sich die Autotür, Cliff sieht sein Herrchen mit der Leine und schon geht es los. Cliff springt aus dem Wagen und steht parat. Bevor es losgeht, gehen Cliff und Beck auf einen kurzen Spaziergang. Die Notdurft soll der Rüde selbstverständlich vorher verrichten. Sogar pinkeln kann er auf Kommando.

    Zurück am Auto, bekommt Cliff das richtige Outfit: ein Geschirr. „Es hat verschiedene Griffe, um den Hund beispielsweise tragen zu können.“ Kugel- oder stichsicher ist es jedoch nicht. Auch das Herrchen muss sich vorbereiten und einen Klettergurt anlegen. Speziell hierbei: Hinten gibt es eine Halterung für den Hund. Beck braucht freie Hände.

    Kein Bodenkontakt: Für Hunde unnatürlich

    Cliff geht dicht neben seinem Herrchen, mit aufgerichteter Rute und voller Elan. Das Duo stoppt an einer Anhöhe, vor ihnen geht es 15 Meter in die Tiefe. Da müssen Cliff und Beck hinunter. Cliff ist ruhig und sieht geradezu konzentriert aus. Das Team bereits Erfahrung damit. „Wir haben das schon häufiger gemacht.“

    Doch kaum richtet sich Beck mit Cliff auf dem Rücken auf, wird der Hund nervös. „Es ist für einen Hund völlig unnatürlich, dass er keinen Bodenkontakt hat.“ Beck muss Ruhe bewahren. Jede Art von Stress überträgt sich auf den Hund. Und der darf nicht zappeln. „Stürzt der Hund ab, stürze ich auch ab und andersrum. Wir sind miteinander verbunden“, sagt Beck mit Blick auf den Klettergurt. „Man braucht auch Vertrauen ins Material.“

  • Ein Soldat mit einem Hund auf dem Rücken seilt sich von einer Felswand ab.
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    30 Kilogramm mehr auf dem Rücken

    Beck beginnt mit dem Abstieg. Die Handgriffe sind geübt. Cliff sitzt sicher im Geschirr – und ist vorbildlich ruhig. Immer wieder spricht Beck mit ihm. Die knapp 30 Kilogramm mehr Belastung auf dem Rücken machen sich jedoch bemerkbar. „Man muss körperlich fit sein“, betont Beck. Cliff und Beck joggen gemeinsam in der Freizeit. Auch der Vierbeiner hat Dienstschluss. „Dann kann er einfach Hund sein, dann hat er frei.“

    Angekommen am Boden, geht es für Cliff auf die Pfoten – er wirkt wieder entspannter. Und macht sich mit Beck auf zur nächsten Aufgabe: Cliffs Spürsinn ist gefragt, er muss das Lager finden. Damit er auf die Suche geht, holt Beck das Spielzeug hervor. Cliff ist sofort fixiert auf das kleine, knautschige Stoffteil. Die Spuren von Cliffs Liebe, die er durch beherztes Knabbern ausdrückt, sind deutlich zu erkennen. Ein kleiner Trick ist jedoch noch von Nöten: Beck tut so, als hätte er das Spielzeug im Dickicht versteckt.

    Natürlich ist es heimlich in der Tasche des Diensthundeführers verschwunden, doch Cliff sucht aufgeregt nach dem Objekt seiner Begierde.

  • Blick von oben auf einen Hund, der am Waldboden an einem Gegenstand schnüffelt
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    Spüren bis in den Fieberbereich

    Die Nase schwebt dicht über den feuchten, matschigen Boden. Der Brustkorb hebt und senkt sich schnell. Das Spüren fordert dem Rüden viel Energie und Konzentration ab. „Das ist für ihn anstrengender als der Schutzdienst. Hunde spüren teilweise bis in den Fieberbereich hinein.“ Normaltemperatur beim Hund: 38,5 Grad. Die Temperatur wird über die Zunge und minimal über die Pfoten reguliert. „Beim Spüren ist der Fang, also die Schnauze, aber geschlossen.“

    Es liegt am Herrchen, die Anzeichen für eine Überlastung zu erkennen, bevor sich Cliff selbst gefährdet. Zwar sei ein Hund ein „hilfreiches Werkzeug“, „etwas Besseres haben wir für diese Aufgaben nicht“, aber immer noch ein Lebewesen und ein Kamerad. Cliff suche sehr gründlich. Sobald er schneller und oberflächlich werde, sei es Zeit für eine Pause.

    Die ist hier nicht nötig. Schnell legt Cliff sich hin. Er ist fündig geworden. Beck eilt herbei und entdeckt dort die Kiste mit Waffe und Munition. Für Cliff gibt es Lob und Streicheleinheiten – und das geliebte Spielzeug.

  • Ein Hund mit Maulkorb und Geschirr hängt an einer Seilrutsche.
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    Duale Ausbildung für Diensthunde

    Der Rüde ist dual ausgebildet, im Spür- und Schutzdienst. Er kann Waffen und Kampfmittel finden. Für Rauschgift sind andere Hunde zuständig. Denn die Tiere können nur auf eines trainiert werden. Der Grund: Der Fund wird bei Rauschgift und Kampfmitteln gleich angezeigt – ruhig sitzend oder liegend. „Wir könnten nicht unterscheiden, ob es sich um Drogen oder Sprengstoff handelt, würden die Hunde auf beides trainiert werden“, erläutert Beck und legt Cliff wieder an die Leine. Es geht weiter zum Seilsteg über der Schlucht.

    Hier müssen Cliff und Beck einzeln auf die andere Seite gelangen. Cliff ist unruhig, zappelt zu Beginn, bis Beck ihn durch Zureden beruhigen kann. Die Ansprache sei entscheidend und je nach Situation unterschiedlich. „Es kommt darauf an, was der Hund in dem Moment braucht. Davon hängt auch die Tonlage ab“, so Beck. Dazu gehöre auch, „sich mal zum Löffel zu machen“, weil man in einer hohen, fiepsigen Stimme mit dem Tier spricht.

    Cliff ist schneller drüben. Er wird von anderen Soldaten in Empfang genommen. Zur Sicherheit aller trägt er einen Beißkorb. Doch Cliff ist zutraulich und ruhig. Er wartet auf sein Herrchen, das sich noch langsam über den Seilsteg hangelt. Den Blick bereits auf die größte Herausforderung des Tages gerichtet: den Leiteraufstieg.

  • Ein Soldat mit einem Hund auf dem Rücken steigt eine Leiter hoch
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    Kraftakt beim Leiteraufstieg

    Mit Cliff auf dem Rücken geht es acht Meter nahezu senkrecht an einer Steinwand hinauf. Die Aluleiter steht sicher, trotz des matschigen Bodens. Der Aufstieg mit Cliff auf dem Rücken fordert Beck jedoch viel Kraft ab. Sprosse für Sprosse steigt er langsam auf. Mit einigen Schweißperlen auf der Stirn kommt er oben an. Erleichtert atmet Beck tief durch. Und Cliff hat wieder Boden unter den Pfoten. Aber nur kurz. Denn mit der Seilrutsche geht es im nächsten Moment schwungvoll hinunter.

    Statt auf dem Rücken findet Cliff seinen Platz jetzt vor seinem Herrchen. Kaum ans Seil gehängt, sind beide schon flott unten. Der Parcours ist geschafft. Beck ist zufrieden. „Cliff hat das super gemacht“, sagt der Hauptfeldwebel und tätschelt seinem felligen Kameraden die Seite. Es geht zurück zum Auto. Cliff hüpft in seine Box und kuschelt sich ein. Zeit für Entspannung. Die Tür geht zu, Cliffs Augen auch. Bis zum nächsten Stopp.

    von Amina Vieth