Desinformationen: Gefälschte Texte, Bilder und Videos erkennen
Desinformationen: Gefälschte Texte, Bilder und Videos erkennen
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 6 MIN
Desinformationen sind im Internet allgegenwärtig, nicht nur zum Ukrainekrieg. Gefälschte Fotos, Texte und Videos werden gezielt verbreitet, um Menschen zu manipulieren. Bis hin zur Destabilisierung von Gesellschaften. Besonders in sozialen Medien ist daher Wachsamkeit angesagt. Also wie erkenne ich gefälschte Inhalte? Warum ist Teilen so gefährlich?
Die Mehrheit der USUnited States-amerikanischen Republikaner glaubt, dass Wahlfälschungen die Ursache für Donald Trumps verlorene Präsidentenwahl Ende 2020 seien, so das Ergebnis einer Untersuchung der New York Times. Rund ein Fünftel der Befragten einer weltweiten Studie zur COVID-19Coronavirus Disease 2019 bejaht die Aussage, dass Bill Gates über die Corona-Impfung Mikrochips in die Geimpften implantiere. Und der menschengemachte Klimawandel ist nach Ansicht sogenannter Klimaskeptiker eine Erfindung, um eine angebliche Ökodiktatur zu errichten.
Nahezu allen Internetnutzenden sind diese Verschwörungstheorien schon im Netz begegnet. Obwohl alle drei Behauptungen wissenschaftlich widerlegt sind, werden sie geglaubt und geteilt. Sie sind Fake News oder genauer Desinformationen: gezielt verbreitete, wissentlich falsche Informationen, die die öffentliche Meinung beeinflussen sollen und von den Usern oftmals geteilt werden, ohne die Richtigkeit zu hinterfragen.
Des- oder Fehlinformation? Schlüsselfaktor Absicht
Auch zum Krieg in der Ukraine finden sich im Internet Unmengen Informationen: Nachrichten, Fotos, Videos, die von den Konfliktparteien selbst, von politischen Gegnern und Unterstützern oder von Privatpersonen und öffentlichen Medien produziert und verbreitet werden. Wahrheit und Wirklichkeit sind schwer zu trennen und die Authentizität ist oft nicht überprüfbar. Doch nicht jede fehlerhafte Information ist auch eine Desinformation.
„Der Unterschied liegt in der Täuschungsabsicht“, sagt Oberstleutnant Christian Bell vom Zentrum Operative Kommunikation der Bundeswehr. Fehlinformationen, auch Missinformation, irreführende Information oder klassisch Zeitungsente genannt, sind versehentlich verbreitete Falschmeldungen, die aus schlechter Recherche oder einfach aus Irrtümern entstehen. Desinformationen sind dagegen manipulierte, mit Vorsatz aus dem Kontext gerissene bis hin zu frei erfundenen Nachrichten und Inhalten.
„Auch ein korrekt wiedergegebenes Zitat oder verifizierbare statistische Daten können zu Desinformationen werden, wenn sie absichtlich in einen falschen Zusammenhang gesetzt werden“, erläutert Bell. Er ergänzt: „Diffamierende Beiträge sind dabei nicht automatisch Desinformationen. Sie sind in der Regel von der Meinungs-, Presse- oder Kunstfreiheit gedeckt, müssen aber als Kommentar oder Satire erkennbar sein.“
Was macht Desinformationen so gefährlich?
Das Internet und insbesondere die sozialen Netzwerke sind ideale Plattformen, um Informationen jeglicher Art einfach, schnell und wirksam zu verbreiten – unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt. „Keiner kontrolliert wirklich, was im Netz steht“, sagt Oberstleutnant Bell. Eine relativ kleine Zahl Akteure könne mit relativ wenig Aufwand große Effekte erzielen, indem sie mit ihren Nachrichten Emotionen anspricht.
Bell erklärt: „Nachrichten, die mich auf der Gefühlsebene ansprechen, teile ich schneller. Das geht so weit, dass der Sachinhalt der Nachricht gar nicht mehr bewusst wahrgenommen, sondern einfach geglaubt wird.“ Das gelte insbesondere für Inhalte, die das eigene Weltbild bestätigen oder von Freunden und Bekannten weitergeleitet werden: „Menschen suchen sich Quellen, die ihre Meinung vertreten. Wenn ich dem Staat misstrauisch gegenüberstehe, ist es für mich logisch, dass er mich nicht informieren, sondern manipulieren will. Wenn mir ein Freund etwas schickt, verlasse ich mich darauf, dass es stimmt und schicke es einfach weiter.“
Algorithmen sozialer Medien sorgen dabei für sogenannte Echokammereffekte. Wer Katzenvideos auf Youtube anschaut, bekommt auch weitere angezeigt. Wer eine Verschwörungstheorie googelt, dem werden bei der nächsten Suche zu einem ganz anderen Thema ebenfalls Desinformationen angezeigt.
Je häufiger solche Inhalte angeklickt werden, desto häufiger stehen sie auf den Suchlisten. Ist eine Desinformation erst einmal viral gegangen, entwickelt sie eine eigene Dynamik. „Jede Wiederholung macht falsche Inhalte glaubwürdiger“, so Bell. Besonders gefährlich sei dies, wenn politische Akteure versuchten, die demokratische Willensbildung zu beeinflussen und den Rechtsstaat zu untergraben. Oder wenn Desinformationen als Mittel hybrider Kriegsführung verwendet werden wie derzeit in der Berichterstattung zur Ukraine.
Bilder lügen nicht – oder doch?
Bilder und Videos nehmen einen besonderen Stellenwert in Desinformationskampagnen ein. Emotional ansprechende Bilder und Videos werden schnell angeschaut und schnell verbreitet. Und selbst skeptische Menschen glauben Dinge, die sie „mit ihren eigenen Augen“ gesehen haben, auch wenn dies nur virtuell geschehen ist. Verwackelte Handyvideos sind dabei besonders trügerisch, weil sie Authentizität vermitteln und die Zuschauerschaft Teil des Geschehens werden lassen.
Denn retuschierte Bilder wurden verbreitet, lange bevor es das Internet gab. Dass Fotos bearbeitet sind, ist für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit. Entsprechend sind sie auch bereit, die Echtheit von Bildern zu hinterfragen. Bei Videos gebe es jedoch keine vergleichbare Wachsamkeit, so Bell: „Früher konnten nur Experten Videos fälschen. Heute reicht dazu eine App.“ Diese neue Dimension der Machbarkeit mache Deep Fakes, also computergenerierte Fälschungen, so gefährlich: „Jeder kann sie erstellen. Doch nur Experten können sie entlarven.“
Wie erkennt man Fake News?
Im letzten Weißbuch, dem Grundlagendokument zur deutschen Sicherheitspolitik und zu Bundeswehr, wurde schon 2016 unter dem Oberbegriff der hybriden Kriegsführung thematisiert, dass in Gesellschaft und Bundeswehr Resilienzen gegen Desinformationenkampagnen aufgebaut werden müssen. Politische Bildung sei hier ein wesentlicher Faktor, ist Oberstleutnant Bell überzeugt: „Das beste Mittel gegen Desinformationskampagnen ist die Sensibilisierung der Gesellschaft für die Mechanismen, mit denen Fake News arbeiten.“
In der Flut der Informationen, die täglich im Internet veröffentlicht werden, ist es keinem Menschen möglich, den Wahrheitsgehalt jeder Nachricht zu überprüfen. Doch insbesondere, bevor man sehr emotionale oder kontroverse Inhalte teilt, ist es sinnvoll, einen Blick auf die Fakten zu werfen.
Der erste Ansatzpunkt ist die Originalquelle, die in einem Beitrag genannt wird. Gibt es die Quelle wirklich oder handelt sich vielleicht um eine erfundene Person, Institution, Umfrage oder Studie? Ist die Quelle glaubwürdig und zuverlässig? Lässt sich in dieser Quelle der zitierte Inhalt auch wirklich wiederfinden und zwar in demselben Zusammenhang? Gibt es noch weitere Quellen, die unabhängig voneinander dasselbe berichten?
Zweiter Ansatzpunkt sind die eigentlichen Inhalte. Überschriften sind oft reißerisch und versprechen mehr als die hinterlegten Inhalte widergeben. Ein Blick auf den kompletten Beitrag verändert oft die eigene Einschätzung, ob der Inhalt es wert ist, geteilt zu werden.
Nicht zu verwechseln mit der Quelle sind die Absender oder Verfasser einer Nachricht. Deren Absichten sind der wichtigste Aspekt, um ein Desinformationen von bloßen Fehlinformationen zu trennen. Die Frage, die man sich immer stellen sollte: Wem nutzt es, wenn ich diese Nachricht verbreite? Welche Absicht könnten Absender und Verfasser mit dem Inhalt verfolgen? Welche Agenda steckt dahinter? Ein Blick ins Impressum kann bei der Überprüfung helfen – wenn es eines gibt.
Vierter Punkt ist die Aktualität. Auch vermeintlich neue, frisch gepostete Inhalte können überholte „old news“ sein. Das gilt insbesondere für Fotos und Videos. Bilder werden besonders häufig aus dem Zusammenhang genommen und alte Fotos genutzt, um neue Inhalte zu belegen. Ein Blick in die Metadaten kann zeigen, von wem, wo und wann das Bild aufgenommen wurde und ob es bearbeitet ist. Auch die Rückwärtsbildersuche hilft bei der Einordnung des Bildes. Taucht es im gleichen Zusammenhang mehrfach auf? Gibt es ähnliche Motive desselben Fotografen? Und vor allem: Ist es aktuell und gehört es inhaltlich zum verknüpften Thema?
Der letzte Schritt: Überlegen, ob ich etwas wirklich weiterleiten möchte. Niemand teilt gern Inhalte, die sich im Nachhinein als falsch herausstellen. „Wenn einfache Lösungen für komplexe Probleme angeboten werden, angeblich geheime Informationen, die der Staat verbergen möchte, verbreitet werden oder Dinge zu gut klingen, um wahr zu sein, ist Vorsicht geboten“, sagt Oberstleutnant Bell. Bei Zweifeln an der Glaubwürdigkeit sollte jeder auch den eigenen Standpunkt überdenken. „Wenn ein Beitrag vor allem deswegen glaubwürdig erscheint, weil er bestätigt, was man schon immer gewusst hat, sollte man versuchen, einen Schritt zurückzutreten, und den Inhalt hinterfragen“, empfiehlt Bell. Denn jeder Mensch entscheide selbst, was er teilt und ob er zur Verbreitung von Desinformationen beiträgt.