MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali

Durchgeplant: So funktioniert die Rückverlegung aus Mali

Die Bundeswehr soll bis Ende des Jahres 2023 aus Mali abziehen. Viel Material hat sich dort im Laufe der vergangenen zehn Jahre angesammelt. Nicht alles kann zurück nach Deutschland gebracht werden. Oberstleutnant i. G. Christian H. ist der Cheflogistiker für den Einsatz in Mali. Er erklärt, wie die Rückverlegung abläuft.

Mehrere Fahrzeuge stehen in einer Reihe auf einer Sandpiste. Daneben stehen und laufen Soldaten.

Kirche, Krankenhaus, Post, Kantine: Das deutsche Camp Castor im malischen Gao ist mehr als eine Kaserne in der Wüste. Es ist fast schon eine Kleinstadt. 1.500 Menschen, Deutsche und internationale Verbündete, leben und arbeiten hier auf weniger als einem Quadratkilometer. Seit sieben Jahren sind deutsche Soldatinnen und Soldaten im größten deutschen Feldlager überhaupt stationiert. Sie haben alles mitgebracht, was sie für ihren Dienst im Auftrag der Vereinten Nationen brauchen.

„Es gibt alles: von der Socke bis zum Gefechtsfahrzeug“, sagt Oberstleutnant i. G. Christian H.* Der Offizier ist im Einsatzführungskommando der Bundeswehr verantwortlich für die Logistik des MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali-Einsatzes. Und das ist nicht wenig: Jeder der rund 1.000 deutschen Blauhelme hat eine Pistole P8 und ein Gewehr G36 mit zugehöriger Munition und persönliche Ausrüstung. Jedes Gefechtsfahrzeug ist mit einer oder mehreren Waffen ausgestattet. 250 militärische Fahrzeuge sind vor Ort. Dazu kommen 100 zivile Fahrzeuge: vom Gabelstapler über die Dampfwalze bis zum Pick-up. Zusätzlich noch Wohncontainer, Werkzeug, medizinische Ausrüstung, Büromaterialien und vieles mehr.

*Name zum Schutz des Soldaten abgekürzt.

  • Ausrüstung und Bewaffnung

    Pistole P8

    Die Pistole P8 ist die Nahkampf- und Zweitwaffe vieler Soldaten.

    Gerätetyp:
    Pistolen
    Streitkräfte:
    Heer
    Luftwaffe
    Marine
    Pistole P8 freigestellt in Seitenansicht
  • Ausrüstung und Bewaffnung

    Gewehr G36

    Jede Soldatin, jeder Soldat der Bundeswehr muss das Gewehr G36 beherrschen.

    Gerätetyp:
    Gewehre
    Streitkräfte:
    Heer
    Luftwaffe
    Marine
    Gewehr G36 freigestellt in Seitenansicht
  • Luft

    Drohne Heron 1

    Heron 1 liefert gestochen scharfe Bilder aus zehn Kilometer Höhe.

    Gerätetyp:
    Aufklärungssysteme
    Streitkräfte:
    Luftwaffe
    Drohne Heron 1 freigestellt in Seitenansicht

Alles kommt auf den Prüfstand

Mit der Entscheidung des deutschen Bundestages vom 26. Mai 2023 wurde es offiziell: Im Mai 2024 sollte das Camp Castor leer sein. Mit der Entscheidung der Vereinten Nationen, den Blauhelm-Einsatz bis Dezember 2023 zu beenden, wird die laufende Rückverlegung nochmals beschleunigt. Oberstleutnant H. versetzt das aber nicht in Hektik. Planung sei die Grundlage jeder militärischen Operation. Dass es zu einer beschleunigten Rückverlegung kommen könne, sei bereits seit längerem eine von mehreren Optionen gewesen. „Die Pläne für eine geordnete Rückverlegung hatten wir bereits in der Schublade.“

Und diese werden nun aus der Schublade gezogen. Die Arbeit vor Ort dagegen fängt jetzt erst richtig an. Schon länger ist die Truppe in Mali zum Aussortieren von Material angehalten, das nicht mehr dringend zur Erfüllung des Auftrages benötigt wird. Alles, was noch da sei, müsse jetzt auf den Prüfstand, sagt H. „Nicht immer lohnt es sich, das Material auf den über 5.000 Kilometer langen Weg nach Deutschland zu schicken.“ Drei Faktoren seien dafür ausschlaggebend, ob ein Ausrüstungsstück zurück nach Deutschland gebracht werde, so der Oberstleutnant: „Die Schutzbedürftigkeit, die Wirtschaftlichkeit und die Wiederbeschaffbarkeit.“

Als „schutzbedürftig“ gelten beispielsweise Waffen und Munition, die dem deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegen. Auch Funkgeräte, ITInformationstechnik-Gerät und Gegenstände mit geheimen Inhalten – zum Beispiel Datenspeicher – werden als schutzbedürftig eingestuft und gehen auf jeden Fall zurück nach Deutschland.

Bewertet werden muss auch, ob der Rücktransport eines Gegenstands nach Deutschland wirtschaftlich ist, sich also für die Bundeswehr lohnt. Denn auch dieser kostet Geld. Zehn Jahre in der Wüste hätten bei vielen Gegenständen Spuren hinterlassen, so H.: „Eine Zeltbahn, die jahrelang der afrikanischen Sonne und den Sandstürmen der Sahara ausgesetzt war, ist in Deutschland nicht mehr zu gebrauchen.“ Ist der Transport teurer als der Restwert des Gegenstandes, verbleibt er in Mali – sofern er wiederbeschafft werden kann.

Denn militärisches Material ist nicht so leicht zu bekommen wie ziviles. „Man kann nicht mal eben in einen Supermarkt gehen und einen Flugfeldtankwagen kaufen“, bringt es Oberstleutnant H. auf den Punkt. Habe die Truppe Bedarf an einem bestimmten Gegenstand, und sei dieser nicht ohne weiteres neu zu bekommen, könne auch ein teurer Rücktransport nach Deutschland sinnvoll sein.

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Rückverlegung oder Verwertung

Für die Rückverlegung nach Deutschland bekommt das deutsche Einsatzkontingent Verstärkung aus Deutschland: 100 bis 150 Logistiksoldatinnen und -soldaten kümmern sich um die Abwicklung, während das Einsatzkontingent weiterhin seinen Auftrag für die Vereinten Nationen erfüllt. Diese Logistikprofis der sogenannten Rückverlegungs- und Verwertungsorganisation betreiben im Camp Castor eine Materialschleuse, in der alle Ausrüstung und Gerät entweder für den Rücktransport vorbereitet oder der Verwertung vor Ort zugeführt wird.

 „In Zahlen ausgedrückt, könnte man sagen, dass wir hier eine Materialmenge von rund 1.500 Seecontainern auf dem Hof stehen haben“, sagt Oberstleutnant H. „1.000 Container davon müssen wir auf den Weg nach Deutschland bringen, den Rest verwerten wir vor Ort.“ Alles in allem stehe man vor „einer großen Lego-Burg, die wir wegbekommen müssen“, resümiert H.

Ein Soldat im Porträt
Oberstleutnant i.G. Christian H., zuständig für die Logistik im Bundeswehr-Einsatz in Mali Bundeswehr
„Würde man das gesamte Material im Feldlager auf Lastwagen verladen, wäre der Konvoi über 15 Kilometer lang – Stoßstange an Stoßstange.”

So sauber wie möglich müssen alle Gegenstände des Einsatzkontingentes an diesen Materialschleusen abgeben werden. Die Logistik-Truppe schaut sich dann alles genau an – selbst das kleinste Einzelteil wird geprüft. Der Sand und der Staub der malischen Wüste sind dabei nur eine von vielen Herausforderungen. Alles Gerät, das zurück nach Deutschland soll, wird gründlich desinfiziert und einer Tierseuchenprophylaxe unterzogen. So wird sichergestellt, dass keine Krankheitserreger nach Deutschland eingeschleppt werden. Ist das Material vollständig, wird es verpackt und für den Transport eingelagert.

  • Eine Soldatin steht neben einer offenen Kiste im Gelände und hält eine Schlange mit einer Zange.
    Rückverlegung MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali

    Wenn gut versteckt die Sandrasselotter lauert

    Madelene R. sorgt dafür, dass die Truppe gesund aus Mali nach Hause kommt. Dafür hantiert sie dann auch schon mal mit einer Schlange.

    • Mali

Material wird ausgeflogen oder verschifft

Auch dieser berge erhebliche logistische Herausforderungen, so Oberstleutnant H.: „Wir sind mitten in Afrika, es gibt weit und breit keinen Hafen.“ Der nächste Überseehafen liegt in Benin in Zentralafrika, bis dahin sind es rund 1.500 Kilometer auf dem Landweg. Der Transport wird in Zusammenarbeit mit zivilen Spediteuren organisiert und muss aufwändig von Sicherheitskräften begleitet werden. Die Kapazitäten der Schutztruppe reichen bei weitem nicht für die Masse an Material, die die Bundeswehr nach Deutschland verlegen möchte.

Vier von fünf Containern werden deshalb mit dem Flugzeug direkt nach Europa gebracht. Die Frauen und Männer der Logistiktruppe werden mehr als ein Dutzend Transportflugzeuge pro Woche beladen müssen, um das Material bis zum Stichtag außer Landes zu bringen.

Wenn die Natur den Planern der Bundeswehr keinen Strich durch die Rechnung macht. Denn während der Regenzeit könne der Flug- und auch der Landverkehr auch mal vollständig zum Erliegen kommen, weiß Oberstleutnant H. „Straßen werden weggespült, Flugzeuge könne nicht starten und landen, selbst das Packen ist bei Sturm nicht immer möglich. Das müssen wir auf dem Schirm haben.“ 

Was bleibt, wird versteigert oder entsorgt

Fällt die Entscheidung, dass Material nicht zurück nach Deutschland gebracht wird, wird es vor Ort zum Verkauf angeboten. Dafür werde es in einem eigens angelegten Betriebshof entmilitarisiert, so Oberstleutnant H. Deutsche Hoheitsabzeichen und alles, was auf die frühere militärische Nutzung hinweist, werden entfernt. Auch Speichermedien werden ausgebaut. Anschließend wird das demilitarisierte Material an den Höchstbietenden versteigert. Die Entsorgung vor Ort ist die letzte Option. Auch das Feldlager selbst mit seinen festen Gebäuden, Straßen und Mauern soll weiter genutzt werden. Die Bundeswehr verhandelt deswegen derzeit mit den Vereinten Nationen.

Auch für den Fall einer weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage in Mali hat die Bundeswehr Pläne geschmiedet. „Die Rahmenbedingungen bestimmen wir nicht, aber wir wissen in jeder Lage, was zu tun ist“, sagt Oberstleutnant H. Sämtliches Material sei bereits nach Wichtigkeit sortiert worden. Falls es plötzlich ganz schnell gehen müsse, könne beispielsweise ITInformationstechnik-Gerät auch direkt vor Ort unbrauchbar gemacht werden, bevor es in die Hände Dritter falle. „Aber es sieht derzeit nicht danach aus, dass es notwendig werden sollte.“

Keine Kompromisse bei der Sicherheit

Die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten des Einsatzkontingents steht bei der Planung der Rückverlegung ebenfalls im Fokus der Logistikerinnen und Logistiker. Die Truppe ist zu Beginn und zum Ende einer Mission am verwundbarsten: Je weniger Waffen und Personal vor Ort sind, desto genauer muss auf die Sicherheit geachtet werden. Deshalb bleiben ein schlagkräftiger Teil der Kampftruppe mit ihren Waffensystemen und das Sanitätspersonal bis zum Schluss vor Ort. „Aus logistischer Perspektive ist das zwar nicht das praktischste Vorgehen“, sagt Oberstleutnant H., „aber die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten hat höchste Priorität.“