Digitalisierung

Interview mit Geschäftsführer Sven Weizenegger

Interview mit Geschäftsführer Sven Weizenegger

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
8 MIN

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Sven Weizenegger leitet sei 2022 den Cyber Innovation Hub der Bundeswehr, den Do-Tank der deutschen Streitkräfte. Als Mittler zwischen zivilem und militärischem System verfolgt er ein klares Ziel: die Bundeswehr durch digitale Exzellenz und technologische Souveränität für ihren Auftrag zur Landes- und Bündnisverteidigung zu befähigen.

Ein Mann im Porträt

Treibt die digitale Transformation der Truppe voran: CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr-Geschäftsführer Sven Weizenegger

Bundeswehr/CIHBw

„Cyber Innovation Hub” – der Name klingt verheißungsvoll. Was verbirgt sich dahinter? 

Wir sind der Change-Agent der deutschen Streitkräfte und die erste Innovationseinheit eines deutschen Ministeriums. Als CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr ist es unsere Mission, die Bundeswehr zu modernisieren. Mit unseren zwei Kernprodukten, Innovationsvorhaben und Intrapreneurship, lösen wir aktuelle militärische Herausforderungen der Bundeswehr schnell und leisten so unseren Beitrag zum Gelingen der Zeitenwende und zur Kriegstüchtigkeit der Streitkräfte.

Warum leistet sich die Bundeswehr den CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr?

Die geopolitische Lage hat sich durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine massiv geändert. Wir in Deutschland müssen uns auf die aktuellen (Un-)Sicherheitslagen einstellen und uneingeschränkt handlungsfähig werden – also kriegstüchtig, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius es nennt. Handlungsfähigkeit bedeutet dabei auch, dass Innovation und neue Technologien schnell dorthin gebracht werden, wo sie gebraucht werden: zu den Soldaten und Soldatinnen, die unsere Demokratie verteidigen.

Dafür sind Start-ups hochrelevant. Wurde das Internet noch vom USUnited States-Militär erfunden, sind es heute Unternehmen (wie OpenAI) die den technologischen Wandel vorantreiben. In der Ukraine können wir zum Beispiel nachvollziehen, wie moderne und innovative Technologien aus der Privatwirtschaft zur Wehrhaftigkeit und Kriegstüchtigkeit eines Landes beitragen können. Den Ukrainerinnen und Ukrainern gelang es beispielsweise durch unbürokratische Beschaffung und Finanzierung von Start-ups, höchst innovative Lösungen für die Streitkräfte in kürzester Zeit umzusetzen und eine schlagkräftige Drohnenarmee aufzubauen.

Die Bundeswehr braucht solche Innovationen. Denn Deutschland übernimmt mehr Verantwortung. Die Brigade Litauen unterstreicht dies eindrücklich. Die Bundeswehr wird im Falle einer weiteren Eskalation an der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostgrenze die Grenzen der Allianz und damit die westliche Wertegemeinschaft verteidigen. Dafür benötigt die Bundeswehr modernste Software(-Lösungen) und digitale Innovationen. Um genau diese Brücke zwischen der Bundeswehr und Start-ups zu schlagen, ist der Cyber Innovation Hub da, das ist unser Auftrag. Wir wirken als Bindeglied und Testing Ground.

Wie finanziert sich der Hub? Wo in der Organisationsstruktur ist er aufgehängt?

Der CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr finanziert sich aus Haushaltsmitteln mit eigener 25-Millionen-Euro-Vorlage. Organisatorisch haben wir eine Sonderrolle. Unsere strategische Steuerung erfolgt ausschließlich durch das BMVgBundesministerium der Verteidigung, dem wir direkt und leitungsnah unterstehen. Im BMVgBundesministerium der Verteidigung ist die Abteilung CITCyber- und Informationstechnik, geleitet von General Vetter, für die fachliche Führung des CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr zuständig und hält uns den Rücken frei. Rein formal sind wir eine herausgehobene Abteilung innerhalb der BWI GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung und arbeiten dementsprechend mit deren unterschiedlichen Abteilungen eng zusammen.

Was sind Auftrag und Aufgaben des Hubs?

Als Innovation Hub fordern wir den Status quo heraus und verändern die Bundeswehr. Gemeinsam mit dem Start-up-Ökosystem und Innovatorinnen und Innovatoren aus der Truppe lösen wir aktuelle militärische Herausforderungen. Damit beschleunigen wir den Wandel in der Bundeswehr – hin zu einer modernen Innovationskultur.

Ihre Vision lautet: „Empowering Innovation and Defense”. Wie setzt der CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr diese Vision um? 

Mit unseren Innovationsvorhaben bilden wir die Speerspitze der digitalen Fähigkeiten innerhalb der Bundeswehr, schließen Fähigkeitslücken, finden Dinge, die die Bundeswehr ohne uns nicht gesehen hätte, und helfen den Soldatinnen und Soldaten bei ihrer Auftragserfüllung. Ausschlaggebend für jedes Innovationsvorhaben, das der CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr entwickelt, ist der Bedarf der Nutzenden. Die vom CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr entwickelten Lösungen beziehen sich immer auf konkrete Problemstellungen aus der Truppe. Daher sind die Nutzerinnen und Nutzer stets von Beginn an eingebunden in die Innovationsvorhaben.

Eine weitere Säule des CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr ist das Intrapreneurship-Programm. Das Programm ist eine neuartige Methode des Innovationsmanagements bei den Streitkräften, mit der wir dafür sorgen, dass unser Motto „aus der Truppe, für die Truppe, mit der Truppe“ mit Leben gefüllt wird. Mit Formaten wie den CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr Innovation Challenges oder dem Intrapreneurship Bootcamp befähigen wir Soldaten und Soldatinnen agil, kreativ und methodisch, ihre Ideen umzusetzen und damit ihren Auftrag zu erfüllen.

Wie begleiten Sie erfolgreich eine Projektentwicklung von der Idee bis zur Umsetzung – und wann und aus welchen Gründen scheitern Projekte?

Der Ablauf des Innovationsvorhabens funktioniert nicht wie ein lineares Fließband, sondern ist iterativ und geht flexibel auf Veränderungen ein. Statt eines starren Prozesses ist es wichtig, schnell ins Testing mit den Soldatinnen und Soldaten zu kommen. Wir sind oftmals die einzigen, die den Soldatinnen und Soldaten helfen können, ihre Ideen umzusetzen, weil wir ihnen die Methoden und Ressourcen bereitstellen können. Und wir können ihnen auch die nötigen zeitlichen Freiräume schaffen, um ihre Ideen zu verfolgen. Das heißt aber nicht, dass jede dieser Ideen am Ende auch erfolgreich ist. Es gibt immer wieder Projekte, die wir aus verschiedensten Gründen nicht mehr weiterverfolgen. Wie bei Start-ups überlebt nicht jede Idee die ersten Testreihen. 

Wie läuft die Projektentwicklung mit externen Start-ups? Erhalten diese nach erfolgreicher Projektumsetzung automatisch den Zuschlag?

Nein, nicht automatisch. Wir stehen aktuell zu oft vor der Situation, dass wir Innovationsvorhaben erfolgreich testen, sie der Bundeswehr zur Einführung empfehlen, dann aber ein langwieriger Beschaffungsprozess folgt. In diesem sogenannten „Tal des Todes“ verliert die Innovation massiv an Zeit und Kraft – im schlimmsten Fall versickert sie ganz.

Diese Themen, wie Beschaffung, langfristige Finanzierung und Verstetigung von Innovationsvorhaben, liegen zwar außerhalb unseres Zuständigkeitsbereiches – sie treiben uns dennoch um, denn hier sehen wir extremes Verbesserungspotenzial. Wir denken nur in Ende zu Ende und wollen den Soldaten die Tools geben, die sie brauchen.

Wie funktioniert die Einführung erfolgreicher Projektumsetzungen in die Truppe?

Ist der Nutzer überzeugt, empfehlen wir das Vorhaben der Bundeswehr zur Einführung. Und dann übernimmt das System, in unserem Fall sind das der Bedarfsträger für Cyber und ITInformationstechnik, das Zentrum Digitalisierung der Bundeswehr und Fähigkeitsentwicklung Cyber- und Informationsraum (ZDigBwZentrum Digitalisierung der Bundeswehr), mit denen wir eng zusammenarbeiten.

Wie kann man sich die Netzwerkarbeit vorstellen – mit welchen externen Firmen, Stakeholdern und Entscheidungsträgern arbeiten Sie zusammen?

Von staatlicher Seite aus lässt sich häufig ein „Culture Clash” feststellen zwischen innovativen Unternehmen, die sich sehr schnell bewegen können und müssen, und behäbigen Vorschlägen für Arbeitskreise, Koordinierungsstellen und Förderprogramme. Die unternehmerischen Realitäten und Zwänge solcher Unternehmen werden häufig nicht wirklich verstanden oder mit der ganz anders gelagerten Situation von Großunternehmen und Forschungseinrichtungen in einen Topf geworfen.

Wir hier im Cyber Innovation Hub sind allerdings bereits sehr gut aufgestellt, um diese Chancen auf die Straße zu bringen. Wir arbeiten, wie erwähnt, im Rahmen unserer Innovationsvorhaben natürlich eng mit Start-ups zusammen. Darüber hinaus haben wir einen Venture Capital (VCVenture Capital) Roundtable im CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr ins Leben gerufen, der einen direkten Dialog zwischen interessierten Investorinnen und Investoren, Startups und der Bundeswehr ermöglicht.

Ziel ist es, nicht im Elfenbeinturm über Themen nachzudenken, sondern ganz pragmatisch, zügig und direkt gemeinsam Chancen zu erkennen und zu ergreifen. In den kommenden Wochen starten wir zudem eine Schulungsserie, in der Expertinnen und Experten aus dem Start-up- und Investitionsbereich essenzielle Begrifflichkeiten und Denkweisen aus ihrer Welt für interessierte Teilnehmende der Bundeswehr und des BMVgBundesministerium der Verteidigung transparent machen werden. In der Bundeswehr arbeiten wir mit allen Teilstreitkräften zusammen und starten mit der Logistik nun unsere erste Sparkcell Intrapreneurship und sind hiermit Pionier.

Warum sind israelische Armee und USUnited States-Streitkräfte Ihre Vorbilder? Wie weit reicht Ihre internationale Kooperation sowohl auf zivilem als auch militärischem Sektor? 

Ein Blick ins Ausland kann Impulse liefern und der CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr wurde 2017 auch nach dem Vorbild israelischer und USUnited States-amerikanischer Innovationseinheiten der Streitkräfte gegründet. In den USA und Israel kann man sehen, wie schon seit Jahrzehnten erfolgreich Beschaffungsprozesse innovationsfreundlich gestaltet werden können. Dort gibt es beispielsweise die Möglichkeit, für bestimmte als innovationsrelevant eingestufte Themen und Aufgaben einen „Fast Track“ mit deutlichen Erleichterungen einzurichten. Einen regelmäßigen Austausch pflegen wir zudem mit den Innovationseinheiten AFWERX aus den USA und MINDMilitary Innovation by Doing (Military Innovation by Doing) aus den Niederlanden. Mit den Niederländern haben wir auch bereits ein Innovationsvorhaben gemeinsam durchgeführt. Das war einmalig in dieser Form. Und mit der Innovationseinheit Brave1 aus der Ukraine haben wir Anfang Juni eine Innovationspartnerschaft geschlossen, um künftig schnell und unbürokratisch Ideen und Lösungen zu teilen.

Im Hub arbeiten Reservistendienstleistende, aktive Soldatinnen und Soldaten sowie zivile Mitarbeitende zusammen. Was macht diese Diversität in der Zusammenarbeit so besonders? 

Die enge Zusammenarbeit zwischen zivilen Kräften und Reservistendienstleistenden im CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr hat sich als essenziell für den Erfolg der Innovationsvorhaben erwiesen. Im CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr verschmelzen militärische und zivile Arbeitskultur zu einer einzigartigen und für die Problemlösung optimalen Synthese. Das Beste aus beiden Welten vereint.

Wie werden aus gestandenen Soldatinnen und Soldaten, die jeden Tag ihren Dienst in der Truppe leisten, plötzlich Intrapreneurinnen und Intrapreneure?

Indem wir sie entsprechend ausbilden. Diese Soldatinnen und Soldaten werden bei uns zu den Innovatorinnen und Innovatoren von morgen, indem sie zum Beispiel unser Intrapreneurship Bootcamp besuchen oder einfach eine Idee haben, wie sich die Bundeswehr innovativer gestalten lässt. Bestes Beispiel ist ein Soldat, der in Eigenregie die Software Mese entwickelt hat: ein digitales Lagebild, das Seekarten, Zirkel und Bleistift auf der Brücke eines Tenders ersetzt. Und solche Charaktere gibt es in der Bundeswehr viele. Wir müssen ihnen bloß die Möglichkeit und Werkzeuge an die Hand geben, ihre Ideen umzusetzen.

Das CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr-Wappen zeigt ein Einhorn hinter einem Schwert – was bedeutet das („Einhorn-Potenzial”)?

Das Unicorn steht in der Start-up-Welt für Unternehmen, die mit über einer Milliarde USUnited States-Dollar bewertet werden. Dabei hat das Start-up oft eine besonders innovative Idee gehabt, die die spezifische Branche stark verändert hat. Als Bindeglied zwischen Start-up-Welt und Bundeswehr haben wir deshalb dieses Symbol als unser Wappentier gewählt. Außerdem sind wir als erste Innovationseinheit eines deutschen Ministeriums auch gewissermaßen ein Fabelwesen im öffentlichen Sektor.

von Evelyn Schönsee

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