Corona-Pandemie: „Unsere Bundeswehr“ im umfangreichsten und längsten Amtshilfeeinsatz
Corona-Pandemie: „Unsere Bundeswehr“ im umfangreichsten und längsten Amtshilfeeinsatz
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Seit mehr als einem Jahr unterstützt die Bundeswehr Bund und Länder, Städte und Kommunen bei der Bewältigung der Corona-Pandemie. Damit ist dies der bisher längste und umfangreichste Amtshilfeeinsatz in der Geschichte der Truppe. Zivile und militärische Experten haben daher miteinander über ihre bisherigen Erfahrungen gesprochen und zur Podiumsdiskussion eingeladen.
„Menschen in Deutschland wertschätzen die Hilfe durch die Bundeswehr”, sagte Ulrich Pohlmann, Referatsleiter des Referats Politik I 5 im Verteidigungsministerium, anlässlich einer digitalen Podiumsdiskussion zum Thema „Corona-Krise: Amtshilfe durch die Streitkräfte - Außenwirkung und Wahrnehmung der Bundeswehr”. Auf dem virtuellen Podium sprachen Mitte März unter anderem Brigadegeneral Ruprecht von Butler als Leiter des Lagezentrums Corona im Verteidigungsministerium, Gerd Landsberg als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie Ralf Kirsten als Erster Bürgermeister der Stadt Weimar. Pohlmann bezog sich vor allem auf die zahlreichen positiven Pressemeldungen, schriftlichen und mündlichen Äußerungen von Bürgermeistern, Landräten sowie von Personal aus Pflegeeinrichtungen. Es gebe aber auch kritische Stimmen, die meist einen grundsätzlichen Vorbehalt gegenüber der Institution Bundeswehr hätten, führte Pohlmann weiter aus.
Wie wurde der Einsatz der Bundeswehr bisher wahrgenommen?
„Die Bundeswehr rückt in Bezirken, in denen sie kaum noch wahrgenommen wurde, erneut in eine positive Wahrnehmung”, ergänzte Oberstleutnant Caspar-Friedrich Brauckmann, Leiter des Kreisverbindungskommandos Märkischer Kreis. Unzählige Menschen würden nicht nur in der Zeitung lesen, dass die Bundeswehr Amtshilfe leiste, sondern tagtäglich den Einsatz der Soldaten und Soldatinnen hautnah erleben – beispielsweise in Pflegeheimen und Impfzentren.
„Wo Licht ist, ist auch Schatten”, legte jedoch Oberstleutnant Henning von der Brelje aus dem Kommando Feldjäger der Bundeswehr seinen Finger in eine Wunde. Denn seit Beginn der Corona-Pandemie habe man mehr sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnen müssen. Diese reichten von Sachbeschädigungen an Fahrzeugen, wie zerstochenen Reifen oder Kratzern im Lack, über Angriffe in den sozialen Medien bis hin zu Körperverletzungen an Soldaten, so von der Brelje.
Wie ist der Stand nach einem Jahr Amtshilfe?
„Ich möchte mich für die Anerkennung des Einsatzes der Bundeswehr bedanken. Es ist wichtig, dass die Bevölkerung auch in Krisensituationen weiß, wir stehen hinter ihr”, betonte Ruprecht von Butler. Der Brigadegeneral regte zudem an, künftig nicht von „der Bundeswehr“ zu sprechen, sondern von „unserer Bundeswehr“. Denn: „Es ist unsere Bundeswehr. Unsere Bundeswehr schützt uns, unsere Bundeswehr hilft uns.” Das Wortpaar „die Bundeswehr” schaffe immer eine gewisse Distanz und die gelte es, „noch ein wenig abzubauen”, so von Butler.
Seit dem ersten Amtshilfeantrag Ende Februar 2020 sind im zurückliegenden Jahr rund 5.000 weitere Anträge eingegangen. „Das ist das zwanzigfache Aufkommen im Vergleich zu einem normalen Jahr mit etwa 250 Anträgen”, verdeutlichte Oberst Armin Schaus, Leiter des Covid-19-Einsatzes im Kommando Territoriale Aufgaben Berlin. Anfangs wurde vor allem Material abgefragt – beispielsweise Masken und Schutzausstattungen. Später sei immer mehr Personal zur Unterstützung in Gesundheitsämtern, Pflegeheimen und seit Dezember auch in Impfzentren beantragt worden. Aktuell leisten rund 12.500 Soldaten und Soldatinnen ihren Beitrag zur Bekämpfung von Covid-19. Weitere 7.500 stehen hierzu bereit.
Obwohl immer mehr Anträge auf Amtshilfe eingingen, wurde deren Bearbeitung immer effizienter: „Am Anfang waren wir langsam und haben zwei bis fünf Tage für einen Antrag gebraucht. Jetzt brauchen wir etwa 24 Stunden vom Antragseingang über die Prüfung der Voraussetzungen bis letztlich Soldatinnen und Soldaten da sind, wo sie gebraucht werden”, verdeutlichte Brigadegeneral von Butler.
Pandemie hat Schwachstellen offengelegt
Nach Ansicht der Diskutierenden hat sich zwar im vergangenen Jahr insgesamt vieles verbessert – beispielsweise die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit den Gesundheitsämtern und den Krisenstäben der Länder und Kommunen. Dennoch: „In der Pandemie sind Lücken im zivilen Bevölkerungsschutz sichtbar geworden”, erklärte Gerd Landsberg. „Irgendwann sind auch wir an dem Punkt angekommen, an dem es nicht mehr ging, wo wir die Unterstützung der helfenden Hände - unserer Bundeswehr - benötigt haben”, ergänzte Weimars Erster Bürgermeister Ralf Kirsten. Daraus wurden Lehren gezogen: Vor der Corona-Krise habe das Gesundheitsamt Weimar 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehabt, heute seien es über 60. Mehr personelle Flexibilität, die Lagerhaltung von Schutzausstattungen und weniger Abhängigkeit von ausländischen Zulieferern sowie bessere Abläufe müssten laut Kirsten zusätzlich in den Blick genommen werden.
Auch Brigadegeneral von Butler unterstrich dieses: „Wichtig ist der Blick nach vorne: Wie arbeiten wir in solchen Situationen der Krise gemeinsam zusammen? Und wie können wir diese Zusammenarbeit fördern?” Die Zusammenarbeit müsse in der Theorie und in der Praxis geübt werden. So könnten die gemachten Erfahrungen am Leben gehalten und im Fall der Fälle abgerufen werden. Es gelte aber auch, ein nach außen sichtbares Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung zu setzen. Sowohl für die vielen Helfer als auch, um der Gesellschaft die Bedeutung des Dienstes an der Gemeinschaft zu verdeutlichen. Vor diesem Hintergrund schlug Gerd Landsberg einen Ehrentag der Hilfskräfte vor.