Bundeswehr-Verteilzentrum: Corona-Impfstoffe für ganz Deutschland

Bundeswehr-Verteilzentrum: Corona-Impfstoffe für ganz Deutschland

Datum:
Ort:
Quakenbrück
Lesedauer:
4 MIN

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Ob Biontech, Moderna, Johnson & Johnson oder in der ersten Jahreshälfte Astra Zeneca – alle Impfstoffe gegen Covid-19, die in Deutschland verimpft werden, stammen aus einem einzigen Umschlagzentrum: dem Versorgungs- und Instandsetzungszentrums Sanitätsmaterial der Bundeswehr in Quakenbrück. Ein Amtshilfeauftrag, der besondere Fähigkeiten benötigt.

Ein Soldat nimmt vorsichtig eine Impfstoff-Flasche aus einem Karton, um diese in einen kleineren Karton zu packen.

Größte Sorgfalt: Alle Corona-Impfstoffe, die in Deutschland verimpft werden, werden im Impfstoffverteilzentrum der Bundeswehr in Quakenbrück umgeschlagen. Das Handling erfordert größte Umsicht, um den Produktschutz zu gewährleisten.

Bundeswehr/Daniel Wolter

Die Soldatinnen und Soldaten sowie die zivilen Mitarbeitenden des Versorgungs- und Instandsetzungszentrums Sanitätsmaterial (VersInstZ SanMat) Quakenbrück versorgen Bundeswehrkrankenhäuser, Bundeswehrapotheken und Truppenärztinnen und -ärzte mit Medikamenten, Verbänden und Operationsbesteck. Und sie reparieren Medizingeräte wie Ultraschall- und Röntgenapparate. Doch seit rund einem Jahr haben sie eine weitere Aufgabe: Sie lagern, kommissionieren und versenden Corona-Impfstoffe an anfangs 11, jetzt 60 zivile Verteilzentren sowie an die Ministerien des Bundes und einzelne Bundesländer.

Flottenapotheker Martin Pape, Leiter des VersInstZ SanMat, sagt: „Bis Oktober 2021 haben wir insgesamt 90 Millionen Impfdosen umgeschlagen. Seit Herbst liefert auch Biontech über die Bundeswehr aus. Allein in den letzten vier Wochen lagen wir daher bei rund 60 Millionen Impfdosen für Grundimmunisierung und Booster.“ Doch nicht nur deutsche Verteilzentren werden versorgt. Im Zuge der Auslandshilfe gingen Corona-Impfstoffe – gut gesichert und gekühlt – in den vergangenen Monaten auch von Quakenbrück nach Ägypten, Ghana, Namibia, Thailand, Vietnam und in die Ukraine.

Von der Bundeswehrapotheke zum Arzneimittelgroßhändler

Das Impfstoffverteilzentrum geht auf einen Amtshilfeantrag des Bundesgesundheitsministerium im Oktober 2020 zurück. Die Verteilung der anfangs sehr knappen Covid-19-Impfstoffe sollte zentral gesteuert nach Priorisierung erfolgen. Die erste Herausforderung: Durch die truppenärztliche Versorgung der Soldatinnen und Soldaten besaß die Bundeswehr zwar eine Apothekenbetriebserlaubnis, nicht aber eine Großhandelslizenz für Pharmaprodukte. Diese war jedoch erforderlich, um das Impfstoffverteilzentrum betreiben zu können.

„Ohne Großhandelserlaubnis nach EUEuropäische Union-Recht darf die Bundeswehr auch in der Amtshilfe keine Arzneimittel oder Impfstoffe an zivile Verteilzentren ausgeben“, erläutert Oberfeldapotheker Duane-Eddy Harder, der als Reservist extra für diese Aufgabe einberufen wurde und im zivilen Leben Betriebsleiter einer Versandapotheke ist. Die Antragsbearbeitung dauert normalerweise mehrere Monate. Das VerstInstZ SanMat Quakenbrück hatte jedoch kurz zuvor sein Qualitätsmanagement nach DINDeutsches Institut für Normung ISOInternational Organization for Standardization 9001 zertifizieren lassen. Harder sagt: „Die nun erforderliche Zertifizierung nach GDP, der Good Distributing Practise Guideline der Europäischen Union, war unabdingbare Voraussetzung für die Antragstellung. So konnten wir unter anderem die Erfahrungen unserer Sanitätsstaffel im Umgang mit Arzneimitteln in Kühlcontainerlagerung nachweisen und auf viele bereits zertifizierte Prozessschritte zurückgreifen.“

Das Ergebnis nach zahlreichen Nachtschichten: Innerhalb von drei Wochen war der Antrag genehmigt. Das erste deutschlandweite Impfstoffverteilzentrum der Bundeswehr konnte am 16. Dezember 2020 die Arbeit aufnehmen.

  • Mehrere Container stehen an einer beleuchteten Überdachung bei Dunkelheit. In der Mitte parkt ein Gabelstabler.

    Startklar: Seit dem 16. Dezember 2020 steht das Impfstoffverteilzentrum als Umschlagzentrum für Corona-Impfstoffe bereit.

    Bundeswehr/Daniel Wolter
  • Ein Polizeiauto fährt vor einem LKW auf einer Straße durch eine Toreinfahrt.

    Wertvolle Ware: Eskortiert von der Polizei, wurden zum Jahreswechsel 2020/21 die ersten Impfstoffe in Quakenbrück angeliefert.

    Bundeswehr/Daniel Wolter
  • Mehrere Soldaten bilden eine Kette und tragen Kartons in einen eisgekühlten Container.

    Gemeinsam schneller: Für das Abladen und Einsortieren der Impfstoffe bleibt nur wenig Zeit.

    Bundeswehr/Daniel Wolter
  • Ein Polizist und ein Soldat, von hinten zu sehen, stehen auf einer Straße vor Polizeiautos und Lieferwagen bei Dunkelheit.

    Nachttransport: Anfangs werden die knappen Impfstoffe sofort nach Eingang kommissioniert und nach den Vorgaben des Bundesgesundheitsministeriums verteilt – 24/7.

    Bundeswehr/Daniel Wolter
  • Eine Soldatin zieht einen Hubwagen mit Kartons in einen eisgekühlten Container.

    Eisgekühlt: Die meiste Zeit des Tages arbeiten die Soldatinnen und Soldaten bei Temperaturen von minus 20 Grad.

    Bundeswehr/Jan Röllig
  • Zwei Soldaten in Schutzkleidung füllen Trockeneis aus Transportkartons in Styroporbehälter um. Wasserdampf steigt auf.

    Vorbereitung auf die erste Biontech-Lieferung: Corminaty wird in Trockeneis geliefert und bei minus 70 Grad gelagert. Die Kühlkette darf nur für drei Minuten unterbrochen werden.

    Bundeswehr/Daniel Wolter
  • Ein Soldat mit Schutzvisier steht vor einem offenen Spezialkühlschrank. Ein digitales Thermometer zeigt -79 Grad an.

    Länger haltbar: Die – mit steigenden Coronazahlen aufgelöste und verimpfte – Bundesreserve an Biontech-Impfstoffen wurde in Spezialkühlschränken gelagert.

    Bundeswehr/Daniel Wolter
  • Ein Soldat in einem Gabelstapler hebt eine Palette mit Kartons in einen eisgekühlten Container.

    Keine Mullbinden: Impfstoffe sind hochempfindliche Produkte, die empfindlich auf Erschütterungen reagieren. Beim Be- und Entladen ist Fingerspitzengefühl vom Gabelstaplerfahrer gefragt.

    Bundeswehr/Jan Röllig
  • Mehrere Styroporbehälter auf Paletten stehen aufgereiht vor Containern.

    Auf dem Weg nach Afrika und Asien: Im Zuge der Auslandshilfe wurden Corona-Impfstoffe – gut gesichert und gekühlt – von Quakenbrück nach Ägypten, Ghana, Namibia, Thailand und Vietnam verschickt.

    Bundeswehr/Daniel Wolter
  • Drei Soldaten, von hinten zu sehen, stehen vor einem landenden Hubschrauber der Bundespolizei bei Schnee.

    Schneegestöber: Ein Hubschrauber der Bundespolizei landet direkt neben dem Impfstoff-Verteilzentrum.

    Bundeswehr/Daniel Wolter

Lagerung bei minus 70 Grad – nur im Thunfischcontainer

Anfangs erfolgte die Lagerung der Impfstoffe in Bundeswehrkühlcontainern. Die optimale Lagetemperatur für die Covid-19-Impfstoffe von Moderna und Johnson & Johnson liegt bei minus 20 Grad Celsius – eine Temperatur, die ein Standardkühlcontainer problemlos abdecken kann.

Doch ab August 2021 begann das Bundesgesundheitsministerium auch Biontech-Impfstoffe in Quakenbrück einzulagern. Zuvor hatte das Unternehmen Lagerung und Verteilung in Eigenregie geregelt. Der Biontech-Impfstoff benötigt eine Lagertemperatur von minus 70 Grad – und die Kühlkette darf für maximal drei Minuten unterbrochen werden. „Die bisher umgeschlagenen Impfstoffe können bei minus 20 Grad dauerhaft gelagert werden. Das geht mit Corminaty nicht. Entsprechend war der Pharmagroßhandel für solche Temperaturen zunächst nicht ausgerüstet“, erklärt Pape.

Auch die Bundeswehr besaß keine Kühlcontainer, die diese Temperaturen gewährleisten konnten. Laborkühlschränke bieten zwar entsprechende Temperaturen, verfügen aufgrund ihrer Größe aber nur über begrenzte Lagekapazitäten. Der Ausweg: 40-Fuß-Gefriercontainer aus der Lebensmittelindustrie, und zwar solche, die auf Seeschiffen zum Tiefgefrieren von Thunfisch verwendet werden – „natürlich nicht gebraucht“.

Aktuell beläuft sich die Lagerkapazität in Quakenbrück auf rund 32,5 Millionen Dosen Covid-19-Impfstoff in insgesamt 30 Kühlcontainern der Bundeswehr, zwei zivilen Gefriercontainern und zehn Kühlschränken – zu optimalen Bedingungen.

Zwei Soldaten in Schutzkleidung gehen in einen Gefriercontainer.

Gut verpackt: Nur in besonderer Schutzkleidung ist das Betreten der Minus-70-Grad-Container erlaubt und möglich.

Bundeswehr/Daniel Wolter
Ein Soldat mit Stirnlampe prüft in einem dunklen Gefriercontainer einen Karton mit Corona-Impfstoff.

Eiskalter Job: Zwei Soldaten prüfen eine Charge Biontech-Impfstoffe im Gefriercontainer. Sie dürfen sich maximal 15 Minuten darin aufhalten.

Bundeswehr/Daniel Wolter

Höchster Produktschutz durch Umsicht und Schnelligkeit

Die niedrigen Temperaturen und die Besonderheiten der Impfstoffe stellen nicht nur besondere Anforderungen an die für die Lagerung und den Versand notwendige Infrastruktur. Auch die Soldatinnen und Soldaten – insgesamt 20 Frauen und Männer, vom Gabelstaplerfahrer über die Pharmazeutisch-Technische Assistenz bis hin zum Apotheker – müssen bestimmte Kriterien erfüllen. Die meiste Zeit wird bei minus 20 Grad Celsius gearbeitet, zeitweise bei minus 70 Grad, mit 24-Stunden-Bereitschaftsdiensten an sieben Tagen die Woche.

Ein Soldat im Porträt
Duane-Eddy Harder, Oberfeldapotheker Bundeswehr/Jan Röllig
„Qualitätsmanagement bei Medikamenten ist in erster Linie Produktschutz. Wir fahren hier keine Mullbinden durch die Gegend.“

„Auch wenn eine Lieferung am Samstagabend ankommt: Wenn entsprechende Bestellungen vorliegen, wird die Lieferung nicht nur sofort angenommen, geprüft und eingelagert, sondern auch bereits kommissioniert und für den Versand vorbereitet – für die Auslieferung am Sonntagmorgen“, sagt Feldwebel Marcus Falke, der als pharmazeutische Fachkraft in der Bundeswehrapotheke Blankenburg eingesetzt ist, seit September 2021 aber in Quakenbrück unterstützt.

Der Dienst ist körperlich anstrengend. Dennoch ist höchste Umsicht und Genauigkeit gefordert. „Qualitätsmanagement bei Medikamenten ist in erster Linie Produktschutz. Wir fahren hier keine Mullbinden durch die Gegend. Impfstoffe sind sehr empfindlich gegen Erschütterungen. Und bei maximal drei Minuten vom Öffnen des Kartons bis zum Einräumen in den Kühlschrank muss jeder Handgriff sitzen“, sagt Harder.

von Simona Boyer

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