„Der Schütze schießt und der Spotter trifft“
„Der Schütze schießt und der Spotter trifft“
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 4 MIN
Sie arbeiten im Team und kämpfen auf große Entfernung, um ihre Kameradinnen und Kameraden zu schützen: Scharfschützen sind die vermutlich meistgefürchteten militärischen Spezialisten auf dem Gefechtsfeld. Um Scharfschütze zu werden, braucht es aber mehr als nur eine ruhige Hand und gute Augen, weiß Hauptfeldwebel Sahin K. von der Luftwaffe.
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Der Job eines Scharfschützen sei komplexer, als in Kriegsfilmen dargestellt, sagt Hauptfeldwebel Sahin K. zur „Nachgefragt“-Moderatorin, Frau Hauptmann Beate Schöne. „Die Hauptaufgaben sind zum einen die Aufklärung des Feindes, zum anderen der Schutz der eigenen Kräfte“, so der Führer eines Scharfschützentrupps einer Sicherungsstaffel der Luftwaffe.
Treffsicher auf 1.000 Meter
Hinzu komme das gezielte Bekämpfen von Zielen auf große Entfernungen, so der Hauptfeldwebel. In erster Linie würden gegnerische Schlüsselziele ins Visier genommen: MG-Stellungen, Schwerpunktwaffen, gegnerische Scharfschützen, Führungspersonal. Mit ihrem SG22A2-Gewehr treffen die Scharfschützen der Bundeswehr Ziele auf eine Entfernung von mehr als einem Kilometer. Werden die Hochleistungsgewehre mit Hartkernmunition geladen, haben auch Menschen in Schutzwesten kaum eine Chance. Sogar leicht gepanzerte Fahrzeuge könnten so von Scharfschützen bekämpft werden.
Scharfschützen hätten aber auch Wirkung auf die Moral der Soldatinnen und Soldaten auf dem Schlachtfeld, so Hauptfeldwebel K. Während die Moral der eigenen Truppen durch die Anwesenheit eines Scharfschützen steige, würde sie auf der Gegenseite sinken. „Wenn ich einen feindlichen Scharfschützen habe in der Umgebung, agiere ich natürlich anders: Vorsichtiger, verhaltener. Entsprechend kann ich die Bewegung des Feindes beeinflussen.“
Gekämpft wird im Team
Operiert werde immer in Teams, so der Scharfschützen-Truppführer. „Wir arbeiten immer im Schütze-Spotter-Verfahren, zu zweit mindestens. Wir haben einen Schützen, der sich rein auf das Schießen konzentriert. Und den Spotter. Er ist auch meistens der erfahrenere Schütze. Das ist der, der die meiste Denkarbeit macht.“ So beurteile der Spotter die Lage, die Umgebung und das Wetter und gebe dann das Zielverfahren vor. „Man sagt bei uns immer: Der Schütze schießt und der Spotter trifft.“ In urbanen Umgebungen werde zusätzlich häufig ein dritter Scharfschütze mitgenommen: der sogenannte Sicherer. Dieser schütze seine beiden Kameraden, während sie ihre weit entfernten Ziele beobachteten.
Bis zu 72 Stunden in Feindesland
Bis zu drei Tage könnten Scharfschützenteams auf sich allein gestellt in feindlicher Umgebung operieren, so K. – vorausgesetzt, sie würden nicht entdeckt. Daher erhält jeder Scharfschütze der Bundeswehr einen sogenannten Ghillie-Suit: Einen Tarnanzug, um mit der Umgebung zu verschmelzen. „Gerade im Gelände ist die Tarnung sehr wichtig. Mein Ziel ist es ja, möglichst ohne aufgeklärt zu werden, meinen Auftrag zu erfüllen“, so der Hauptfeldwebel. Ergänzt wird der Tarnanzug mit Flechten und Blättern aus der unmittelbaren Umgebung. „Wir arbeiten mit 70 Prozent natürlicher Tarnung und 30 Prozent künstlicher Tarnung – das ist die Faustformel. Der Ghillie-Suit ist die Basis, und dann passen wir uns der Umgebung an.“
Ausrüstung wiegt bis zu 60 Kilogramm
Wenn ein Scharfschütze zu einer Aufklärungsmission aufbreche, wiege seine Ausrüstung bis zu 60 Kilogramm, so K. Dieses Gepäck müsse für lange Zeit über weite Strecken getragen werden. Zudem müsse sich ein Scharfschütze während einer Mission auf Hunger und Müdigkeit einstellen. Die Anforderungen sind hoch – auch deshalb dauert das Auswahlverfahren der Scharfschützen der Bundeswehr rund zwei Wochen.
„Man muss körperlich leistungsfähig sein, eine gewisse Leidensfähigkeit muss dabei sein, und natürlich auch eine intrinsische Motivation, da ein bisschen mehr zu machen, als das bisher der Fall war“, beantwortet Hauptfeldwebel K. die Frage, welche Eigenschaften ein Scharfschütze mitbringen müsse. Um in extremen Situationen handeln zu können, müssten die Scharfschützen schon im Training an ihre Belastungsgrenzen geführt werden. „Das heißt, es muss sich auch mal schlimm anfühlen, um den ersten Schock, den man oft hat und der zu lethargischem Verhalten führt, zu umgehen.“