Bedrohung durch Desinformation: Das Schlachtfeld ist der Verstand
Bedrohung durch Desinformation: Das Schlachtfeld ist der Verstand
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
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Von Cyberangriffen bis zu Desinformationskampagnen: Deutschland ist nicht erst seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine der Einflussnahme durch Russland ausgesetzt. Gerade mit Blick auf die Bundestagswahl ist die Bedrohung durch manipulierte Informationen relevanter denn je. Wie reagiert die Bundeswehr darauf?
Das Phänomen der Informationsmanipulation ist seit Jahren nahezu allgegenwärtig. Erst im vergangenen Sommer wurde die deutsche Medienöffentlichkeit Zeuge einer Desinformationskampagne. Im Zuge der „Doppelgänger-Affäre“ wurden die Webseiten ausgewählter deutscher Leitmedien, darunter auch Spiegel Online, zum Verwechseln ähnlich nachgestellt. Lediglich marginale Abweichungen in der URLUniform Resource Locator – also dem Seitenpfad – deuteten darauf hin, dass es sich nicht um die originale Seite handelte. Die Seiten wirkten authentisch. Allerdings waren diese „Doppelgänger“ mit Artikeln und Meldungen bestückt, die inhaltlich eine besondere Intention verfolgten: Durch das plakative Überspitzen politischer Sachverhalte und das geschickte Ergänzen falscher Informationen wurden gezielt Botschaften gestreut, wonach die deutsche Regierung mutwillig dem eigenen Volk schade und gesellschaftliche Interessen der Bundesrepublik untergrabe.
Das „Klonen“ von Internetauftritten blieb nicht auf Nachrichtenportale beschränkt. Mithilfe gängiger Social-Media-Plattformen wurden zum Beispiel gefälschte Zitate, manipulierte Screenshots und zusammengeschnittene Originalinterviews von deutschen Politikerinnen und Politikern verbreitet.
Desinformation als Waffe
Gemäß einem technischen Bericht des Auswärtigen Amts vom Juni 2024 gehören systematische „Doppelgänger“-Kampagnen dieser Art zum Arsenal der hybriden Einflussnahme Russlands. Sie sind nur eines von vielen Beispielen dafür, wie Desinformation als Instrument der Informationsmanipulation eingesetzt wird, um den politischen und gesellschaftlichen Zusammenhalt Deutschlands zu untergraben.
Auch im Vorfeld der Bundestagswahl halten diese „Doppelgänger“-Kampagnen an. Gleichzeitig sind neue Strategien zu erkennen: Mit sogenannten „Matrjoschka-Operationen“ sollen Betreiber von Faktencheck-Webseiten systematisch überfordert werden. Dazu werden unter anderem Bots eingesetzt, um möglichst viele Überprüfungen von Informationen anzufragen. Ziel dieser Operationen sind häufig Redakteure und Aktivisten, die sich dem Aufdecken manipulierter Informationen widmen. Ihnen soll so die Zeit genommen werden, um echte Desinformationskampagnen zu enttarnen. Diese neue Strategie ist gleichermaßen raffiniert wie gefährlich. Etablierte Mechanismen wie Faktenchecks werden dadurch systematisch geschwächt.
Diese „Doppelgänger“- und „Matrjoschka“-Kampagnen sind vor allem auf Plattformen wie X, Tiktok und Bluesky zu finden und werden künftig weiter an Bedeutung gewinnen.
Wie geht die Bundeswehr gegen Desinformation vor?
Die Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung definiert Verteidigung gegen hybride Bedrohungen als eine Aufgabe, die gesamtpolitisch und gesamtgesellschaftlich angegangen werden muss. Dazu gehören auch die Gefahren, die mit Desinformation einhergehen. Alle Institutionen der Bundesrepublik, die sich in einem engeren und weiteren Sinne der Sicherheit des Landes widmen, müssen Maßnahmen und Strategien entwickeln, um die Bürgerinnen und Bürger vor diesen Gefahren zu schützen.
Die Bundeswehr ist eine von ihnen und leistet mit dem Zentrum Operative Kommunikation der Bundeswehr in Mayen einen wichtigen Beitrag zum Schutz vor hybrider Beeinflussung. Konkret geht es um Informationsmanipulation, die zum Ziel hat, den Einsatzwert der Bundeswehr zu schwächen. Der Herausforderung, diese zu erkennen und abzuwehren, widmet sich das Dezernat Abwehr Ausländischer Informationsmanipulation der Abteilung Informationsumfeld.
Die Arbeit des 2023 aufgestellten Dezernats basiert auf zwei Säulen: zum einen auf der systematischen Analyse und Bewertung von Informationsaktivitäten ausgewählter und freigegebener ausländischer Akteure, die gegen die Bundeswehr und ihre Soldatinnen und Soldaten gerichtet sind, und zum anderen auf der Schaffung von konkreten Maßnahmen zur Abwehr schädlicher Informationsmanipulation. Die Analyse der schädlichen Informationsaktivitäten bildet die Grundlage für die Arbeit des Dezernats. Sie greift dabei auf wissenschaftlich fundierte Methoden, sowohl quantitative als auch qualitative, zurück. Die Lageberichte des Dezernats zeigen anhand der manipulierten Informationen und ihrer Träger die Techniken, Taktiken und Verfahren ausländischer Informationsmanipulation mit konkreten Belegen auf.
Die Ergebnisse der Analystinnen und Analysten bilden das Fundament für die zweite Auftragssäule des Dezernats: Die daraus abgeleiteten Erkenntnisse dienen als Grundlage dafür, um konkrete Maßnahmen zur Abwehr gegenüber schädlicher Informationsmanipulation zu schaffen. Eine der wichtigsten ist der Aufbau von Resilienz innerhalb der Truppe. Dadurch, dass Soldatinnen und Soldaten bereits im Vorfeld über Inhalte, Wirkweisen und Taktiken schädlicher Informationsmanipulation sensibilisiert werden, sollen Ansatzpunkte für feindliche Beeinflussung minimiert werden. Zu diesem Zweck führt das Dezernat regelmäßig Workshops und Weiterbildungen für Führungspersonal durch, um innerhalb der gesamten Bundeswehr Multiplikatoren zu generieren.