Bundeswehr und Nachhaltigkeit

Über die Bedeutung der Truppenübungsplätze für die Rückkehr des Wolfes

Über die Bedeutung der Truppenübungsplätze für die Rückkehr des Wolfes

Datum:
Ort:
Klietz
Lesedauer:
5 MIN

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Der Wolf breitet sich seit Jahren in Deutschland aus. Truppenübungsplätze in Ostdeutschland haben bei diesem Prozess von Anfang an als Trittsteine bei der Wiederbesiedlung gedient. Im Auftrag der Bundeswehr wird die Bestandsentwicklung der geschützten Art durch Mitarbeiter von Bundesforst dokumentiert. Dieses Monitoring zeigt einen klaren Trend.

Eine Person platziert eine Wildkamera an einem Baum in einem Wald

Revierförster Benjamin Menn beim Nebenjob: Für das Wolfsmonitoring wird an geeigneten Stellen eine Wildkamera postiert. Anders ist den scheuen Wölfen kaum auf die Schliche zu kommen. Sie meiden Begegnungen mit Menschen.

Bundeswehr/Tom Twardy

Auf den ersten Blick ist das kleine Beobachtungstool kaum zu erkennen. Nahe einer künstlichen Wasserstelle auf dem Truppenübungsplatz Klietz installierte Revierförster Benjamin Menn eine Wildkamera. In gut 30 Zentimeter Höhe fixiert, dokumentiert dieses Gerät alle Waldbewohner. Ob Reh oder Fuchs, ob Damwild oder Schwarzkittel. Doch Menn interessiert sich vor allem für Aufnahmen einer besonderen Spezies. Und das hat mit seiner Nebenaufgabe zu tun. Der 42-jährige Revierleiter von Bundesforst ist einer der Wolfsexperten für den Truppenübungsplatz Klietz.

„Hier in der Region war der Wolf nie weg“

Der Wolf zurück in Deutschland! Menn kennt die Diskussionen um den großen Beutegreifer bestens – und auch eine lokale Besonderheit: „Hier in der Region war der Wolf nie weg. Bis zum Ende der DDR sind regelmäßig Wölfe geschossen worden“, sagt er. Allerdings habe es sich um von Osten zugewanderte Tiere gehandelt. „Reproduktionen verzeichnen wir in Klietz erst seit 2016. Und das erste Klietzer Rudel setzte sich aus Jungwölfen zusammen, die auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow geboren wurden.“ Dort, auf dem etwa 80 Kilometer südlich gelegenen Areal, etablierte sich vermutlich schon 2009 ein äußerst fruchtbares Pärchen. Mehr als 50 Welpen zogen die Alphawölfe über die Jahre auf. Und viele dieser Nachkommen begaben sich auf Wanderschaft.

„Welpen bleiben nicht dauerhaft beim Rudel“, erklärt Menn. „Sie suchen sich ihr eigenes Revier und sind da recht anspruchsvoll. Ein Rudel benötigt mehrere Tausend Hektar.“ Weil rudelfremde Wölfe untereinander unverträglich sind und die Populationsdichte in Ostdeutschland höher ist, wanderten die Tiere meist nach Westen, so Menn. „Die Truppenübungsplätze in Ostdeutschland haben dabei von Anfang an als Trittsteine bei der Wiederbesiedlung Deutschlands gedient. Inzwischen ist das in Teilen Nordwestdeutschlands ganz ähnlich.“


Truppenübungsplätze bieten ideale Lebensbedingungen

Tatsächlich fänden die Raubtiere auf den Übungsarealen alles vor, was das Wolfsherz begehrt. Unterschlupf und reichlich Wild sichern das Überleben. Wenig Straßenverkehr und die relative Ruhe vor Begegnungen mit dem Menschen tun ihr Übriges. Schießlärm störe die Wölfe überhaupt nicht, fügt Menn hinzu. „Wir haben das Rudel mit Welpen schon in aller Ruhe beim Dösen in der Mittagssonne beobachtet, während auf der nahen Schießbahn 13 voller Schießbetrieb lief.“ Augenscheinlich seien die Tiere sehr gut in der Lage, reale Bedrohungen von Krach zu unterscheiden. Ein Rudel lebt gesichert auf dem Übungsplatz, ein weiteres könnte aktuell hinzugekommen sein.

Weil der Wolf eine nach deutschem und europäischem Recht streng geschützte Art ist, werden die Bestände und ihre Entwicklung überwacht. Aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit, die der Wolf genießt, beauftragte die Bundeswehr auf ihren militärischen Übungsflächen gleich nach den ersten erfolgreichen Reproduktionen auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz Bundesforst mit der Wahrnehmung des sogenannten Wolfsmonitorings . „Zum Monitoring gehören nun mal Wildkameras und die sollte nicht irgendwer aufstellen dürfen“, erklärt Revierleiter Menn. „Schließlich braucht man für das Betreten der Truppenübungsplätze eine Genehmigung und nicht alle Aktivitäten hier sind für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt.“ Umso mehr, weil viele Kameras an Wegen montiert würden, die häufig von der Truppe frequentiert werden. So habe die Zusammenarbeit mit den Fachleuten von Bundesforst nahegelegen.

Wolfsexperten: Häufchen sammeln für die Wissenschaft

Und was hat so ein Wolfsexperte nun zu tun? „Wir dokumentieren in erster Linie die Bestandsentwicklung“, sagt Menn. Dazu würden die Bilder der Wildkameras sowie Spuren jeglicher Art ausgewertet. Im Alltag heißt das vor allem: Häufchen einsammeln. Der Revierleiter lacht. „Wölfe hinterlassen eher wenig verwertbare Spuren. Kotproben bieten uns noch die besten Chancen, die Anwesenheit des Wolfes zweifelsfrei zu bestätigen.“ Für die dazu nötige Genanalyse sind möglichst frische Proben notwendig, die dann an Labore geschickt werden. „So ist es zudem möglich, einzelne Individuen zu unterscheiden.“ Werden Kadaver aufgefunden, werden die ebenfalls ins Labor geschickt und aufwendig untersucht, um die Todesursache festzustellen.

Aufgrund der gesammelten Kotproben lasse sich ferner nachweisen, welche Beutetiere die Wölfe in einer Region bevorzugten. „In Klietz reißen sie besonders häufig Rehwild“, sagt Menn. Letztlich seien Wölfe aber Opportunisten und holten sich das, was am leichtesten verfügbar sei. So habe das Rudel in Altengrabow über Jahre neben Rehen vor allem Damwild erbeutet – einfach, weil es davon ausreichend gab.

Eine Person befestigt eine Wildkamera an einem Baum

Falle ohne Gefahrenpotenzial: Ohne Wildkamera kein Wolfsmonitoring. Ältere Modelle verfügen über interne Speichermedien, die regelmäßig ausgewertet werden müssen.

Bundeswehr/Tom Twardy
Ein Wolf klettert über eine Übersteighilfe aus Holzstämmen, um einen Zaun in einem Wald zu überwinden.

Scheuer Zeitgenosse im Sucher der Wildkamera: Damit die Wölfe wandern können, wurden für sie Übersteighilfen an Zäunen geschaffen. Die intelligenten Tiere können diese problemlos überwinden.

Bundesforstbetrieb Nördliches Sachsen-Anhalt

Viel Wild, viele Wölfe. Wenig Wild, weniger Wölfe

Menn hat die Jagdtechniken des Klietzer Rudels beobachtet und ist von der ausgeklügelten Jagdtaktik beeindruckt. Identifizieren der Beute, Ablenken und Isolieren und dann ein Kehlbiss. Dabei seien die Räuber je nach Lage imstande, sich und ihr Vorgehen anzupassen. Dass sie bestimmte Wildarten ausrotten könnten, glaubt Menn nicht. „Natürlich gibt es eine Wechselwirkung zwischen Jäger und Beute. Aber die Populationsdynamik läuft gerade andersrum. Die Zahl der Spitzenpredatoren wird durch das Nahrungsangebot reguliert.“ Im Klartext: Viel Wild, viele Wölfe. Wenig Wild, weniger Wölfe.

Die Frage von durch Wölfe gerissener Nutztiere stellt sich in Klietz kaum. Vielerorts in Deutschland ist genau das die Ursache für eine ablehnende Haltung von Landwirten. Menn kennt das Phänomen des „Surplus Killing“. Also das Töten von weit mehr Beutetieren, als vertilgt werden können. Die Ursache für das Verhalten liege in der Natur des Raubtiers, nicht in besonderer Blutrünstigkeit. „Raubtiere nutzen jede Gelegenheit, Beute zu machen. Denn sie wissen nicht, wann es wieder klappt.“ Im Schafsgatter könne so etwas zum Gemetzel führen. In der Natur stelle sich die Frage nicht, weil das Wild bei Angriffen flieht. Probleme mit Menschen sind in Deutschland nicht dokumentiert. „Die Chance auf ein Treffen ist auch sehr gering“, so Menn. Mit rund 1.200 Individuen in ganz Deutschland und dann in eher unzugänglichen Regionen sei die Wolfsdichte überschaubar. Mehr als Wolfsspuren bekäme kaum jemand zu sehen.

Besonders alt werden Wölfe in freier Wildbahn nicht. Sechs bis neun Jahre, schätzt Menn. „Immer draußen, ständig auf Nahrungssuche und mitunter wehrhafte Beutetiere sind dafür ausschlaggebend.“ Krankheiten und Verkehrsunfälle seien neben innerartlicher Konkurrenz die hauptsächliche Todesursache. Außerdem leider auch illegale Jagd. Die Bundeswehr reagierte schon vor Jahren auf die neue Gesellschaft auf ihren Truppenübungsplätzen und brachte die Taschenkarte Wolf heraus. Wichtigster Hinweis darin: Habituierung unbedingt vermeiden. Also weder füttern noch Essensreste im Wald liegen lassen.

von Markus Tiedke

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