Ausbildung von Diensthunden: Bindung und Bestätigung statt Druck und Stress
Ausbildung von Diensthunden: Bindung und Bestätigung statt Druck und Stress
- Datum:
- Ort:
- Ulmen
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Ein Diensthund, der seinem Menschen vertraut, arbeitet auch unter Belastung gern und zuverlässig. Die Basis hierfür sind eine positiv verstärkende Hundeausbildung und eine enge Bindung an den Hundeführer. Die sorgfältige Ausbildung von Diensthundeführerinnen und -führern und Diensthunden hat daher einen hohen Stellenwert in der Bundeswehr.
Positive Bestätigung statt Leinenruck, Clicker-Training und Familienanschluss statt Zwingerhaltung: Die Hundeausbildung hat sich seit den 1990er-Jahren erheblich gewandelt – nicht nur im Diensthundewesen von Polizei und Bundeswehr, sondern auch im Hundesport und in Welpen- und Grunderziehungskursen für Familienhunde.
„Früher war die Hundeausbildung sehr auf wölfisches Verhalten im Rudel ausgerichtet. Es ging vor allem um die Hierarchie zwischen Mensch und Hund, die Gehorsam automatisch nach sich ziehe“, erklärt Frau Oberstabsveterinär Dr. Esther Schalke, die im Sachgebiet Tierhaltung und Tierschutz im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr tätig ist. Doch die soziale Dynamik im Rudel sei nur ein Aspekt von vielen. Viel wichtiger sei das Wissen darum, wie Hunde überhaupt lernen: „Je besser ich das Lernverhalten eines Hundes kenne, desto stärker kann ich mein Training darauf ausrichten – für schnellere und bessere Lernerfolge.“
Heute ist das Lernverhalten von Hunden deutlich besser erforscht als noch vor 30 Jahren. Das schlägt sich auch in der Hundeausbildung nieder. Früher sei vor allem Fehlverhalten abgestraft worden, so Schalke, die als Fachtierärztin für Tierverhalten approbiert ist und an der Tierärztlichen Hochschule Hannover das Lern- und Aggressionsverhalten von Hunden wissenschaftlich untersucht hat.
In der heutigen Hundeausbildung werde dem Hund deutlicher gezeigt, was von ihm erwartet werde und gewünschtes Verhalten belohnt. Denn Strafen führen zu Vermeidungsverhalten und Unzuverlässigkeit. „Ein Familienhund, der schlecht hört, ist ein Ärgernis. Wenn jedoch Kampfmittelspürhund nur so tut, als ob er sucht, kann das für Mensch und Hund gefährlich werden.“
Höhere Anforderungen durch komplexere Aufgaben
Doch nicht nur die Ausbildungsmethoden, auch die Anforderungen an Diensthunde haben sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Ein Objektschutzhund der Bundeswehr hat früher eine Kaserne, ein Munitionsdepot oder einen Flughafen bewacht. Trainiert wurde auf ein bestimmtes Szenario: Es ist Nacht. Es ist ruhig. Und plötzlich geschieht etwas. Ein Eindringling steigt über den Zaun, der Hund stellt ihn. „Ein leicht auszubildendes, immer gleiches Szenario“, so Schalke.
Heute müssen Diensthunde deutlich mehr leisten. Mit Ausnahme der Spürhunde der Pioniere, die als hoch spezialisierte, sogenannte Monohunde, ausschließlich im Kampfmittel- und Minensuchdienst geführt werden, sind dabei alle Diensthunde der Bundeswehr dual ausgebildet: als Schutz- und Spürhund. Gerade im Auslandseinsatz eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, so Schalke: „Unsere Diensthunde schnüffeln vor Betreten eines Hauses die Tür auf Sprengfallen ab, können dann aber im Gebäude bei Feindkontakt blitzschnell vom Spüren zum Schützen wechseln.“
Zudem müsse der Hund auch in stressigen Situationen immer präzise führbar sein, zum Beispiel einen einzelnen Aggressor in einer Menschenmenge gezielt stellen können, ohne andere zu gefährden. Das funktioniere nur bei einem motiviert arbeitenden Hund mit einer guten Bindung an seinen Hundeführer.
Soldat und Diensthund: Bindung statt Arbeitsbeziehung
Neben der positiv verstärkenden Ausbildung setzt die Bundeswehr daher in ihrem Diensthundewesen auf eine enge Mensch-Hund-Bindung. „Ein Hund hat das Bedürfnis, in einem festen Sozialverband zu leben“, sagt Schalke. „Den Hund ohne feste Bezugsperson als reine Ressource zu nutzen, ist nicht artgerecht und unter Tierschutzaspekten für die Bundeswehr nicht vertretbar, auch wenn dies in manchen anderen Nationen noch so gehandhabt wird.“
Hundeführer der Bundeswehr werden nicht nur sorgfältig ausgewählt, sondern müssen sich kontinuierlich fortbilden – und wachsen mit ihrem Diensthund in gemeinsamen Lehrgängen zu einem Team zusammen. Nach Abschluss der Ausbildung lebt der Diensthund in der Familie von Hundeführerin oder -führer, nicht in der Kaserne.
Die Veterinärin erklärt: „Die enge Bindung führt nicht nur dazu, dass die Hunde besser zu führen sind und zuverlässiger arbeiten. Sie sind auch deutlich stressresistenter.“ Das liege daran, dass Menschen mit Belastungssituationen ähnlich umgehen wie Hunde, „möglicherweise evolutionsbiologisch der Grund, warum Mensch und Hund zusammengefunden haben“.
In einem Einsatzszenario bedeute das: Bewegen sich Einsatzkräfte und Diensthund in einem festen Team, das auf gegenseitigem Vertrauen beruht, haben Stressfaktoren wie Lärm, Gedränge oder Gerüche einen geringeren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Zudem wirken Stressoren weniger lange nach. Die Erholungszeit ist kürzer. Zwei- und vierbeinige Kameraden kommen schneller wieder zur Ruhe. Dazu gehöre auch, dass Diensthunde auf Belastungssituationen im Vergleich zu früher viel gezielter vorbereitet werden.
Im Einsatz alternativlos: Ohne Hund steigt die Gefahr
Die Anforderungen sind hoch, die Ausbildung ist aufwendig und teuer. Doch ob Spüren oder Schützen, die Fähigkeiten der Diensthunde machen sie im Auslandseinsatz unentbehrlich. So zeigen Versuche zu technischen Lösungen, dass diese keine Alternative zu einem ausgebildeten Spürhund darstellen. Denn eine sogenannte elektronische Nase kann nur auf einen einzelnen Geruch kodiert werden.
Weicht die Duftmarke geringfügig ab, funktioniert sie nicht mehr. Eine Straße, ein Haus oder ein Fahrzeug in einem Einsatzland auf Kampfmittel abzusuchen und so im Ernstfall Menschenleben zu retten – eine so komplexe Suche kann derzeit nur ein Diensthund leisten.
Auch der Schutzfaktor eines Diensthundes ist nicht zu unterschätzen. „Ein Diensthund wirkt abschreckend, aber nur, wenn der Gegner weiß, dass der Hund im Zweifel auch als Mittel körperlicher Gewalt einsetzbar ist“, sagt Schalke. Ohne Hund bleibe nur der Griff zur Schusswaffe, wenn eine Situation zu eskalieren drohe und der Soldat sich verteidigen müsse: „Die Präsenz eines Diensthundes wirkt präventiv gegen Gewaltspiralen. Zum Wohle alle Beteiligten.“