Precise Response 2022

ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr: Training mit scharfen Kampfstoffen in Kanada

Das militärische Trainingsgelände im kanadischen Suffield ist Treffpunkt für internationale ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrkräfte. Die Soldatinnen und Soldaten arbeiten mit scharfen Kampfstoffen. Hier ist höchste Präzision gefragt. Wie im Ernstfall. Die Bundeswehr steht besonders auf dem Prüfstand. Sie muss sich für die NRFNATO Response Force (NATONorth Atlantic Treaty Organization Response Force) 23 zertifizieren.

Zwei Soldaten in Schutzanzügen und mit ABC-Schutzmasken stehen neben einem Auto im Gelände

Alles, was tötet – von VX bis Caesium

„Wir können zwar auch woanders mit scharfen Kampfstoffen arbeiten, aber nicht in dieser multinationalen Konstellation. Das zeichnet die Übung aus“, erklärt Major Yves H.* Er führt die 2. Kompanie des ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrbataillons 7 und leitet die deutschen Kräfte bei Precise Response 2022. „Wir lernen hier voneinander und stärken den Zusammenhalt. Die Welt der ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr ist klein, aber eine eingeschworene Gemeinschaft.“

Von der Bundeswehr sind Soldatinnen und Soldaten der Schule für ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr in Sonthofen, der 2. Kompanie des ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrbataillons 7 aus Höxter, der Kampfmittelabwehrschule Einsatzkompanie Kampfmittelabwehrzug aus Stetten am kalten Markt (a. k. M.) und vom ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrregiment 1 in Strausberg dabei. Mit 13 weiteren Nationen trainieren sie auf dem großen Übungsgelände im kanadischen Suffield: Neben NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partnern wie den USA, den Niederlanden und Kanada sind auch neutrale Nationen wie Österreich vertreten.

Einmal im Jahr kommen die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr-Spezialistinnen und Spezialisten der verschiedenen Armeen hier zusammen, um zu trainieren. 2005 gab es die erste Precise Response, wie Übungsverantwortlicher Major Christian L.* berichtet. Nur in den Jahren 2020 und 2021 ist die Übung wegen der Corona-Pandemie ausgefallen.

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Überblick über den Bereich für das Training mit scharfen ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Kampfstoffen auf dem Übungsplatz im kanadischen Suffield. In den Containern werden verschiedene Szenare dargestellt, damit möglichst realistisch geübt werden kann.

Das Übungsgelände in Suffield im kanadischen Bundesstaat Alberta ist nahezu zehnmal so groß wie der Übungsplatz der Bundeswehr in Bergen/Munster. Hier trainiert die kanadische Armee. Und wie in diesem Fall auch mit internationalen Partnern.

Ein Bereich ist nur für die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr-Übungen bestimmt, das Cameron Centre. Das Gelände ist kontaminiert. Denn hier wird ausschließlich unter realen Bedingungen trainiert. Die Kampfstoffe werden natürlich nur in der Menge genutzt, wie sie für das Training benötigt werden. Dazu gehören unter anderen Nervenkampfstoffe wie Sarin und VX.

„Schon kleinste Mengen können bei der Aufnahme durch den Menschen Nervenrezeptoren im Körper so blockieren, dass die Person daran stirbt“, erklärt H. Auch Rizin kommt zum Einsatz. „Ein sehr starkes Gift, das zum Atemstillstand führt.” Um die Palette vollständig abzudecken, wird auch mit radioaktiven Stoffen gearbeitet, Cobalt-60 und Caesium-137 zum Beispiel, Stoffe, die auch nach Atomdetonationen vorkommen.

Vertrauen in die Partner

Die Übung dauert vier Wochen. Zu Beginn trainieren die Nationen für sich. Dann folgt die Arbeit als multinationale Taskforce, drei gibt es insgesamt. Jede Taskforce setzt sich aus kleinen Teams für die einzelnen Bereiche zusammen: Kampfmittelbeseitiger, Probennahme, Dekontamination und Taskforce-Leitung. Jede Nation stellt eines dieser Teams.

„Jede Nation hat ihre eigene Arbeitsweise. Abläufe und Methoden unterscheiden sich, führen aber immer zum gleichen Ziel“, erklärt H.*, der bereits das zweite Mal bei Precise Response ist und die internationale Zusammenarbeit sehr schätzt. „Es ist gut, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und zu sehen, wie andere Nationen arbeiten.“ Deutschland gehöre im Bereich der ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr zu den führenden Nationen, lerne aber natürlich auch nie aus.

Damit die Aufgaben so realistisch wie möglich sind, orientieren sich die Trainingsleiter an Situationen, die sich so oder ähnlich bereits ereignet haben oder passieren könnten. Eine Aufgabe für die multinationale Taskforce: Es gab einen ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Anschlag auf einen Bus, die entsprechenden Kräfte werden alarmiert. Ein amerikanisches Team zur Kampfmittelbeseitigung (EODExplosive Ordnance Disposal, Explosive Ordnance Disposal) geht im Schutzanzug zuerst rein, um auszuschließen, dass es noch weitere Bomben oder andere Sprengkörper gibt. Ist alles gesichert, folgt ein deutscher Aufklärungstrupp, der dann nach ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Gefahren sucht. Ist dieser fündig geworden, kommt ein niederländisches Team, das Proben nimmt. Diese werden letztlich in einem Labor der Kanadier analysiert.

So sieht ein Szenar aus – zumindest während der Übung. „Dass so multinational gemischt wird, wird es so in der Realität vielleicht nicht geben, aber man sieht hier, dass es geht. Und das schafft nicht nur Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, sondern auch in die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner. Es steigert das gegenseitige Verständnis, das Zusammengehörigkeitsgefühl und man kann voneinander lernen“, betont H.

Ein deutscher, ein österreichischer und ein kanadischer Soldaten stehen zusammen und posieren für ein Gruppenbild

Internationaler Zusammenhalt: Major Yves H. (v. l.), Major Christian L., Übungsleiter Precise Response, und ihr Kamerad aus Österreich

Bundeswehr/Amina Vieth

Die Teams ergänzen sich

Dabei gibt es einige Unterschiede zwischen den Nationen. In Deutschland werden die Frauen und Männer zu Spezialistinnen und Spezialisten auf ihrem Gebiet ausgebildet und können sich hundertprozentig darauf konzentrieren. „Andere sind beispielsweise Pioniere und machen ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr nur in Nebenfunktion.“

Einige Nationen seien erfahrener als andere. Aber alle seien so eingesetzt, dass sie sich mit Expertise und Ausrüstung ergänzten. „Deswegen stellen wir multinationale Taskforces auf.“ Dabei zeige jede Nation einen „hohen Grad an Professionalität und Zusammenarbeit in allen Bereichen“.

Jeder und jede Einzelne sei sehr gut ausgebildet. Es freue ihn sehr, „dass die Leute Lust haben, etwas zu lernen und gerne hierherkommen. Und wenn sie gehen, wissen sie, dass sie für alle Situationen vorbereitet sind.“

Historie

Precise Response erfreut sich international großer Beliebtheit. 380 Soldatinnen und Soldaten sind in diesem Jahr von überall auf der Welt angereist, um sich hier fortzubilden. „Das Ganze hat sich von einem kleinen Training zu einer weltweit anerkannten und großen Übung entwickelt“, so Übungsleiter Major Christian L.* von der kanadischen Armee. Bei der ersten Precise Response nahmen nur vier Nationen teil. Das Ziel war es, die Expertise im Bereich der ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr mit den NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partnern zu teilen und auch Trainingsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Defence Research and Development Canada (DRDC) in Suffield führt die Übung durch.

Jetzt nehmen jährlich bis zu 400 Soldatinnen und Soldaten der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten teil. „Wir sind gewachsen. Auch an den Aufgaben. Die Szenare, die wir hier darstellen, werden immer komplexer.“ Dabei orientiere man sich immer an aktuellen Geschehnissen weltweit, um möglichst nah an der Realität zu bleiben. Und daraus ergebe sich auch die internationale Kooperation. „Es ist Fakt, dass wir das machen müssen“, so L., „um auf Geschehnisse reagieren zu können.“

Auf einer Fläche von etwa 5.000 Quadratmetern werden hier verschiedene Szenare trainiert, in denen immer ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Kampfstoffe vorkommen. In dutzenden Containern wird mit den scharfen Stoffen geübt, im Fachjargon Live Agent Training genannt. Es werden verschiedene Situationen nachgestellt wie ein Restaurant, in dem ein Gift verbreitet wurde, oder die Wohnung eines Attentäters, der chemische Kampfstoffe nutzt. Auch Fahrzeuge und Flugzeuge finden sich auf dem Areal und werden zu Schauplätzen der Übung.

*Name zum Schutz des Soldaten abgekürzt.

von Amina Vieth