Medizinischer ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutz: „Alle wollen bis ans Limit“
Eine Patrouille wird im Einsatz mit ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Stoffen attackiert. Die Truppe muss schnell behandelt werden. Doch das ist deutlich schwieriger als bei anderen Patienten. Denn die Versorgung ist für die Sanitäter nur unter Vollschutz und mit ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutzmaske möglich. Auch das wird bei Precise Response 2022 in Kanada trainiert.
Handicaps für die Helfenden
Multinationale Übungen, die die Truppe handlungssicher machen und die internationale Zusammenarbeit vertiefen, gibt es viele. Doch Precise Response ist für die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr etwas ganz Besonderes: Der Kampfstoff, mit dem trainiert wird, ist echt – also potenziell tödlich. Und auch die Übungsszenare sind so realitätsnah wie möglich. So sind unter anderem Attrappen von Sprengfallen ausgelegt, mit denen die Truppe im Einsatz konfrontiert werden könnte. Aber anders als beispielsweise in Afghanistan explodieren sie nicht nur. Sie setzen auch ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Kampfstoff frei. Wer die Sprengfalle auslöst, ist beides: verwundet und kontaminiert.
Jetzt müssen Experten ran. Der Soldat oder die Soldatin wird von den Kameraden und Kameradinnen vor Ort stabilisiert und dann schnellstmöglich zum Medizinischen ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutz gebracht. In diesem Fall auf dem Übungsgelände im kanadischen Suffield im Bundesstaat Alberta. Einmal im Jahr kommen dort die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Spezialisten der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten und verbündeter Nationen zusammen, um den Ernstfall zu trainieren. Auch der Medizinische ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutz ist dabei gefordert.
Bei der Versorgung des kontaminierten Verletzten müssen alle Schutzbestimmungen eingehalten werden. „Man hat keinen einfachen Zugang zum Patienten. Durch die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Maske ist die Sicht eingeschränkt und durch die Handschuhe und den Anzug ist man auch in der Bewegung eingeschränkt, die Kommunikation durch die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutzmaske nur sehr schwer möglich“, erläutert Oberstarzt Prof. Dr. Dirk Steinritz die Herausforderungen. Er ist bereits seit 20 Jahren im medizinischen ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutz tätig und aktuell Leiter der Taskforce Medizinischer ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutz an der Sanitätsakademie der Bundeswehr.
„Im Notfall wird triagiert“
Die Anforderungen sind unterschiedlich, daher unterscheiden sich auch die Vorgehensweisen. Handelt es sich um einen atomaren Stoff, wird von einer A-Lage gesprochen. „Wurde dieser nicht eingeatmet, sondern haftet auf der intakten Haut, lässt sich die Substanz mit Wasser und Seife abwaschen.“ Bei einer B-Lage, also mit biologischem Kampfstoff, „ist es extrem schwierig. Da der Patient selbst infektiös ist.“ Bei einem Vorfall mit einem chemischen Kampfstoff, einer C-Lage, komme es darauf an, den Kampfstoff so schnell wie möglich vom Patienten zu entfernen, um eine weitere Aufnahme zu verhindern. Ein solcher C-Kampfstoff ist beispielsweise das Nervengift VX : „Davon reichen schon kleinste Mengen aus, ein Tropfen, der mit bloßem Auge kaum zu erkennen ist, um die Person zu töten“, erläutert Steinritz.
Es gibt zwei Fälle, für die der Medizinische ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutz bei dieser Übung trainiert: „Das klassische Man-down-Szenario, bei dem eine oder zwei Personen verletzt werden. Und den Massenanfall, bei dem mehrere Personen betroffen sind.“ Die Herausforderung steigt mit der Anzahl der Verletzten. „Die Ressourcen sind bei ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Lagen limitiert. Im schlimmsten Fall muss triagiert werden, wenn die Anzahl der Patienten die Kapazitäten übersteigt.“
Bei Precise Response sind die Szenare so konzipiert, dass Soldatinnen und Soldaten aus der Hot Zone kommen, also von dort, wo mit dem scharfen Kampfstoff gearbeitet wird. Das bedeutet, diese tragen wie die Rettungskräfte ein Overgarment, einen Anzug, der sie vor den ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Stoffen schützt, und die entsprechende ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutzmaske. Was die Arbeit am Patienten noch einmal erschwert. „Im echten Leben ist es wahrscheinlicher, dass ein ungeschützter Soldat betroffen ist.“ Es sei aber in beiden Fällen wichtig, dass die Abläufe und Prozeduren immer wieder geübt und dadurch gefestigt würden. Und bei Precise Response gehe das am besten.
„Herausragende Zusammenarbeit“
Steinritz ist schon mehrmals für solch besonderen ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Übungen nach Kanada gereist. „So zu üben wie hier haben wir selten die Gelegenheit.“ Damit bezieht er sich nicht nur auf die scharfen Kampfstoffe, die das Bewusstsein für Präzision und Risiko noch einmal schärfen, sondern auch auf die multinationale Zusammenarbeit.
Mehr als zehn NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten sind dabei. Seit 2005 ist der Medizinische ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutz der Bundeswehr vertreten. „Es ist eine sehr hochwertige Übung. Viele Nationen wollen teilnehmen und möglichst viele Kräfte einbringen. Die Übung ist international sehr begehrt.“
Von Szenar zu Szenar sind große Steigerungen zu sehen. Hier sind alle Experten auf ihrem Gebiet und wollen ans Limit gebracht werden.
Precise Response 2022 ist die erste Übung ihrer Art seit Beginn der Corona-Pandemie. Zwar sind einige Staaten in diesem Jahr noch nicht wieder dabei, doch die Bundeswehr ist mit der ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr und dem medizinischen ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutz angereist. Steinritz ist als Oberstarzt der Dienstgradhöchste und somit Kopf der deutschen Delegation. „Die Zusammenarbeit zwischen unserer ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr und dem medizinischen ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutz ist herausragend“, so Steinritz.
In diesem Jahr fungiert er als „medical director“ und koordiniert alle medizinischen Szenare der gesamten Übung. „Ich plane die Szenare nach den Bedürfnissen der Übungsteilnehmer. Ich begleite die Kräfte dann bei der Übung. Im Anschluss gibt es ein Auswertegespräch darüber, was gut war und wo es noch Potenzial für Verbesserungen gibt“, so der Experte.
Er betont: „Von Szenar zu Szenar sind große Steigerungen zu sehen.“ Das liege insbesondere daran, „dass hier alle Experten in ihrem Fach sind, die ans Limit gebracht werden wollen“. Nur so könne man sehen, wo Konzepte noch überdacht werden müssten. „Alle Beteiligten hier haben richtig Lust darauf, etwas zu lernen und sich weiterzuentwickeln.“
Gemeinsam üben, zusammen auswerten
Das sei auch für die Precise-Response-Reihe insgesamt der Fall. Von Jahr zu Jahr werde die Übung besser. „Die Kanadier fragen im Vorfeld, was die Nationen gerne üben möchten und gehen gezielt darauf ein und verbessern die Übungsszenare immer weiter.“
Die internationale Zusammenarbeit sei hervorragend und werde immer besser. Dabei gehe es vor allem um die Frage, wie Abläufe und Verfahren innerhalb des Sanitätsdienstes mit NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partnern vernetzt werden könnten, um in einem realen Szenario das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. „Wir betrachten das auch aus wissenschaftlicher Perspektive und evaluieren gemeinsam mit allen beteiligten Nationen.“
Die internationale Zusammenarbeit bringe aber noch einen weiteren Vorteil: das Vertiefen der Englisch-Kenntnisse. „Hier sind alle gezwungen, miteinander zu kommunizieren, und zwar auf Englisch. Das zeigt, dass die Sprachkurse, die alle bei der Bundeswehr machen müssen, wichtig und sinnvoll sind.“