Sechs Fragen an einen Impfarzt der Bundeswehr
Sechs Fragen an einen Impfarzt der Bundeswehr
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 4 MIN
Corona in der vierten Welle, Omikron-Variante, steigende Todeszahlen: Trotzdem und trotz dringender Empfehlung aus Wissenschaft, Politik und Ständiger Impfkommission gibt es Vorbehalte gegen die Corona-Impfung. Wir haben mit dem Leiter des Sanitätsversorgungszentrums Beelitz, Oberfeldarzt Dr. Ingo Teufelhart, über das Thema Impfungen gesprochen.
Herr Oberfeldarzt, was passiert im Körper, wenn ein Impfstoff in ihn injiziert wird?
Der Impfstoff aktiviert und prägt das Immunsystem. Das geht so: Nachdem er per Injektion in den Körper gebracht wurde, entsteht eine lokale Ansammlung von Impfstoff im Muskelgewebe, genannt Depot. Durch den natürlichen Blutfluss kommen bestimmte Abwehrzellen im Gewebe zum Depot und geraten in Kontakt mit dem Impfstoff.
Diese speziellen Abwehrzellen, genannt T-Zellen, nehmen das erregertypische Merkmal aus dem Impfstoff auf. Sie stellen fest, dass es sich um körperfremdes Material handelt und präsentieren das Erregermerkmal anderen Abwehrzellen, den B-Zellen. Diese bilden nun Antikörper gegen den Erreger in vielen Varianten.
Dieser Prozess kann bis zu 14 Tagen dauern. Nun hat das Immunsystem einen passenden Antikörper gegen den Erreger. Einige der B-Zellen werden zu sogenannten Gedächtniszellen, welche den Bauplan des Antikörpers gespeichert haben und durch das Blut zirkulieren. Sollte es nun zu einer Infektion kommen, werden die Gedächtniszellen aktiviert, teilen sich und beginnen mit der Antikörperproduktion. Dadurch wird der eingedrungene Erreger früh in seiner Vermehrung behindert und bekämpft. Dadurch kommt es zu keinen oder abgeschwächten Symptomen.
Was sind eigentlich Impfnebenwirkungen, von denen man so oft liest?
Hier muss man unterscheiden: Zum einen gibt es unspezifische, das heißt, vom Impfstoff unabhängige Nebenwirkungen nach einer Impfung. Sie kommen durch eine leichte Überreaktion des Immunsystems auf den Impfstoff oder auch durch die Art der Verabreichung des Impfstoffes. Gemeint sind etwa grippeähnliche Symptome, die unmittelbar nach der Impfung auftreten, oder eine Schwellung, die durch eine kleine Gewebsschädigung oder Reaktion beim Impfen entstehen kann.
Zum anderen gibt es spezifische Nebenwirkungen. Dies sind gesundheitliche Veränderungen, die einem speziellen Impfstoff zugeschrieben werden. Solche Nebenwirkungen werden im Rahmen der Zulassungsuntersuchung eines Impfstoffes festgestellt. Spezifische Nebenwirkungen sind sehr selten und lediglich in Einzelfällen möglich.
Wichtig zu wissen ist, dass jeder zugelassene Impfstoff einen wissenschaftlich nachgewiesenen, sicheren Nutzen für den Patienten hat. Dieser überwiegt das mögliche Risiko für seltene schwere gesundheitliche Folgen. Erst wenn dies festgestellt ist, wird ein Impfstoff freigegeben und empfohlen.
Können Sie typische Impfnebenwirkungen nennen?
Häufig kommt es vor, dass Patienten unmittelbar nach einer Impfung grippeähnliche Symptome, Mattigkeit, leichtes Fieber, muskuläre Verspannungen oder ähnliche Beschwerden haben. Im Bereich der Impfstelle können Schmerzen auftreten, die sich wie ein Muskelkater anfühlen. All diese Symptome sind unspezifische Impfnebenwirkungen und stehen in direktem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung. Wenn, dann tauchen sie ein bis zwei Tage nach der Impfung auf. Es kann dann ein bis zwei Tage dauern, bis sie wieder abklingen.
Manche Patienten klagen auch über eine dicke Schwellung an der Stelle, wo sie geimpft wurden. In diesem Fall kann es sein, dass es durch die Spritze zu einer mechanischen Gewebsverletzung im Muskel gekommen ist. Ist ein Gefäß verletzt, kommt es zur Einblutung und das Gewebe schwillt an. Ein solcher Bluterguss kann auch länger als zwei Tage andauern.
Anderen fällt auf, dass die Lymphknoten in den Achseln anschwellen und schmerzen. Dies ist jedoch lediglich auf eine Reaktion des Immunsystems auf den Impfstoff zurückzuführen. Denn: In den Lymphknoten sind besonders viele Abwehrzellen des Immunsystems aktiv. Als Reaktion auf den Impfstoff vermehren sich diese stark. Die Lymphknoten schwellen an, üben Druck auf das umliegende Gewebe aus und es kommt zu Beschwerden bei Bewegungen.
Warum soll man nach der Impfung auf Sport, körperliche Betätigung oder Alkohol verzichten?
Das hat drei Gründe. Erstens: Die Aufnahme des Impfstoffes durch das Immunsystem benötigt eine gewisse Zeit. Die Impfstoffhersteller gehen davon aus, dass der Patient sich in Ruhe befindet und einen normalen Blutfluss hat. Treibt der Geimpfte jedoch intensiv Sport, beschleunigt sich der Blutfluss und die Aufnahme und Verteilung des Impfstoffes im Körper ändert sich. Es ist möglich, dass dies eine veränderte Wirkung des Impfstoffes zur Folge hat. Genauso verhält es sich bei anderen Aktivitäten, die die Durchblutung erhöhen, wie Alkoholkonsum oder Solariumbesuche.
Zweitens kann intensiver Sport dazu führen, dass das Immunsystem herunterfährt. Der Körper konzentriert seine Leistung und Ressourcen auf die sportliche Herausforderung. Unmittelbar nach einer Impfung ist jedoch ein möglichst aktives, unbeeinflusstes Immunsystem gewünscht, wie ich bereits erläuterte. Auch in diesem Fall kann die Prägung des Immunsystems möglicherweise nicht wie gewünscht stattfinden.
Drittens kann ein Muskel an der Impfstelle leicht geschädigt oder verändert werden. Wie gesagt: Es bildet sich nach der Injektion ein Impfstoffdepot im Muskel. Wenn ich durch Sport die Durchblutung eines Muskels erhöhe, verstärke ich sein Volumen und das bedeutet noch größeren Druck auf das umliegende Gewebe. Das merkt man dann auch.
Verschlimmern sich Impfnebenwirkungen, wenn man dennoch Sport treibt oder Alkohol trinkt?
Ja, das ist möglich. Unspezifische Nebenwirkungen wie grippeähnliche Symptome oder Muskelbeschwerden können dann länger und stärker sein.
Ist direkt nach einer Impfung das Immunsystem bei der Abwehr anderer Keime und Viren geschwächt?
Nein, gar nicht. Das Immunsystem ist es gewöhnt täglich tausende Keime abzuwehren. Da fällt ein zusätzlicher Erreger durch den Impfstoff nicht ins Gewicht.