Transkription
Transkription
- Datum:
- Lesedauer:
- 19 MIN
Sprecher: Kommandeur des Führungsstabes German Maritime Forces, Konteradmiral Stephan Haisch (SH), NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner Finnland/Fregattenkapitän Eero (FE), NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner Schweden/Hauptfeldwebel Mikael (HM), NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner Polen/Frau Fregattenkapitän Katarzyna (FK), NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner Litauen/ Fregattenkapitän Sergej (FSFrench Ship), Redakteurin Barbara Gantenbein (BG)
„Delta to all. Radiocheck. Over.
Hier ist Bravo. Kommen.
This is Tango. Over.„
Funkkreis – Podcast der Bundeswehr
BG: Herzlich willkommen zum Funkkreis, heute mal aus Rostock, einer Hafenstadt mit einer ganz langen Marinetradition. Heute sagt man auch gerne die Marinehauptstadt Deutschlands. Und das hat den Grund, dass hier mit dem Marinekommando die höchste Instanz der Deutschen Marine sitzt und deswegen auch der Inspekteur der Marine und der Stellvertreter, der Befehlshaber der Flotte.
Aber das ist noch längst nicht alles, denn hier wächst gerade das Marineführungszentrum. Außerdem sitzt hier in Rostock auch die German Maritime Forces, auf NATONorth Atlantic Treaty Organization-Englisch kurz DEUMAFOR, und von hier werden dann multinationale maritime Manöver und Operationen geführt. Und in Krisenzeiten kann die NATONorth Atlantic Treaty Organization – oder auch die EUEuropäische Union – den Stab als maritimes Hauptquartier hier aktivieren. Deshalb sitzen hier neben deutschen Soldatinnen und Soldaten auch eine Menge multinationale Kräfte.
Und in Zeiten wie diesen aktuell ist das ganz besonders wichtig. Und warum das so ist, darüber spreche ich jetzt mit Konteradmiral Stephan Haisch. Er ist der Kommandeur des Führungsstab German Maritime Forces und gleichzeitig der Abteilungsleiter Operation im Marinekommando. Guten Tag, Herr Admiral, und danke, dass ich hier sein darf.
SH: Sehr gerne. Herzlich willkommen hier im schönen Rostock.
BG: Danke schön. Wie wichtig ist denn die Ostsee jetzt für unsere Sicherheit als Deutschland und auch für die Sicherheit des gesamten NATONorth Atlantic Treaty Organization-Bündnisgebietes insgesamt?
SH: Da würde ich Sie gerne auf eine kleine Reise mitnehmen wollen vielleicht. Wenn man so auf die Ostsee mal drauf schaut, ist es ein Seegebiet, was durch ein paar Besonderheiten geprägt wird. Wir haben sehr viele Stellen, die sehr eng sind, die sehr flach sind. Die Ostsee ist eine der dichtbefahrensten Wasserstraßen auf der Welt. Pro Tag sind hier um die 2.000 Schiffe mit einer Länge von über 50 Meter unterwegs.
Dazu sind ja zig Fährverbindungen, eine kleine Fischerflotte, kleine Küstenmotorboote, also extrem viel Seeverkehr. Und viele der Staaten in der Ostsee sind auch davon abhängig, dass ihr tägliches Leben, die Waren des täglichen Lebens, über die Ostsee, über das Meer kommen. Finnland zum Beispiel hat über 70 Prozent seines Außenhandels über See, um mal ein paar Zahlen klarzumachen.
Und wir haben in der Ostsee eben auch sehr, sehr viele – wir nennen das in unserem Fachbegriff Chokepoints –, also besondere Punkte, die es zu überwachen gilt. Wo enge Seefahrtswege, wo die Geografie eng ist und wo wir einfach reinschauen müssen, was da passiert. Also für die Sicherheit der Ostsee ist es für uns wichtig, dass wir den Seeverkehr aufrechterhalten können, die Seeverbindungslinien schützen. Klassischer Auftrag für die Marine. Und das gilt für alle Nationen hier, denn die Ostsee ist freier Seeraum und alle nutzen sie.
BG: Das klingt in der Tat so, als wäre die Ostsee extrem wichtig. Nicht nur für uns, sondern auch eben für unsere Verbündeten. Welche Rolle spielt dabei jetzt der Marinestandort Rostock und wo entwickelt sich Rostock hin?
SH: Rostock – wir nennen das immer gerne so – ist ja seit 2012 die Marinehauptstadt, denn das Marinekommando als das Hauptquartier der Marine ist hier in Rostock beheimatet. Dazu haben wir hier in Rostock/Warnemünde auch noch ein Geschwader, das 1. Korvettengeschwader, und paar andere Einheiten auch mit dazu. Insofern hat Rostock für uns als Marine eine große Bedeutung als Hauptstandort der deutschen Marine.
Wir haben zusätzlich hier in Rostock in 2019 angefangen, ein internationales Hauptquartier aufzubauen, um maritime Operationen multinational zu führen. Das hat sich ganz hervorragend entwickelt. Wenn ich denke, wie wir 2019 angefangen haben, verteilt auf drei Gebäude in verschiedenen Büros, sind wir jetzt in einem neuen modernen Führungszentrum und werden zukünftig von Rostock eben auch weiterhin oder zusätzlich multinational führen. Also Rostock als Marinestandort gewinnt an Bedeutung.
BG: Und das Gebäude ist ja wirklich toll geworden. Ich kenne das noch als Baustelle, und ich war jetzt vorhin kurz drin und war auch in der Operationszentrale. Das ist wirklich richtig schick und toll geworden. Sie haben ja auch von Rostock aus in relativ kurzer Zeit jetzt zwei große Manöver geleitet, Northern Coasts 2023 und BALTOPs 2024. Deutschland war beide Male die Führungsnation und die internationalen NATONorth Atlantic Treaty Organization Übungsverbände wurden ausschließlich von hier, von Rostock, geführt.
Was ist daran für uns jetzt besonders wichtig perspektivisch und wo geht die Reise hin mit der internationalen Zusammenarbeit?
SH: Also, ich freue mich, dass Ihnen das Gebäude auch gefällt. Unsere Hörer, Hörerinnen, sehen es ja leider nicht. Aber es ist ein tolles Gebäude, sowohl von außen als auch von innen. Sie sprachen die beiden Manöver an: Unser Bundeskanzler Olaf Scholz hat auf dem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfel 2022 angekündigt, das Angebot gemacht, so ist es korrekt, dass Deutschland als Führungsnation in der Ostsee Verantwortung übernehmen möchte, zunehmend Verantwortung übernehmen möchte.
Und die Marine ist davon im positiven Sinne betroffen. Wir leisten unseren Beitrag. Wir sind im Rahmen der NATONorth Atlantic Treaty Organization die größte Marine in der Ostsee. Insofern ist es ganz natürlich, dass wir eine Verantwortung übernehmen. Und das äußert sich eben in der Form, dass wir dieses Hauptquartier aufbauen, dass wir dann auch mit unseren Partnern gemeinsam Übungen führen, Übungen koordinieren, um schlicht und ergreifend klar aufzuzeigen, dass wir erkannt haben, dass wir nur gemeinsam in der Ostsee was erreichen können, operieren können, und dass eine Führungsrolle Deutschlands als größte Marine hier auch klar unterstrichen werden kann.
Und das ist von den anderen Partnern auch anerkannt und akzeptiert. Und ich erlebe ein ganz hervorragendes Miteinander im tagtäglichen Dienstalltag, Dienstleben.
BG: Jetzt hat ja auch jede Nation so ihre Spezialitäten. Können Sie mir so ein bisschen erzählen, welche Szenarien beübt wurden während der großen Manöver und welche Rolle wir Deutschen gespielt haben und was unsere Alliierten so gemacht haben?
SH: Ja, hier muss man schon sehen, dass die Interessen der einzelnen Nationen in solchen Übungen eigentlich eher nachrangig sind, denn wir arbeiten ja im Bündnis und wir orientieren uns – und das haben wir mit Northern Coasts 2023 zum ersten Mal gemacht – schon an realen Szenarien, also an realen Verteidigungsplänen, über die ich jetzt hier ungerne im Detail reden möchte.
Aber das ist schon unser Anspruch, um das Motto zu haben ,,Train as you fight”. Und das heißt, dass wir uns eben schon darüber Gedanken machen, wie sichern wir denn im Ernstfall wirklich unsere Seeverbindungslinien, die für uns eine entscheidende Bedeutung haben, um beispielsweise Nachschub in das Baltikum zu bringen? Wie stellen wir sicher, dass unsere kritische Unterwasser-Infrastruktur geschützt wird, dass uns dort nichts passiert?
Wie schaffen wir es, dass unsere eigenen Seestreitkräfte hier auch operieren können und auch entsprechenden Schutz genießen? Wie räumen wir Seewege, wenn wir von Minen Kenntnis haben? Wie stellen wir sicher, dass uns nicht gegnerische U-Boote irgendwo überraschen? Also es ist schon ein Szenario, in dem wir in der gesamten Bandbreite von der maritimen Kriegsführung über, unter Wasser, in der Luft, zusammenarbeiten und kooperieren.
Und die Nationen bringen dort ihre Fähigkeiten ein, ihre Schiffe, ihre Soldaten, ihre Flugzeuge. Und die große Kunst ist, das eben alles zusammenzuführen und dann von einem einheitlichen und gemeinschaftlichen Plan aus zu operieren und dann in die Umsetzung zu gehen und wirklich draußen zu sehen: Klappt das denn so wie gedacht? Können wir alle miteinander reden? Hat jeder zur selben Zeit dieselben Befehle, weiß jeder, was er wann wo machen soll?
Und wie passt das zusammen? Und so ist so ein Manöver eher multinational geprägt und die Nationen leisten ihre Beiträge. Aber natürlich bringen die auch ihre Besonderheiten und ihre Expertisen ein. Die drei baltischen Staaten, die am weitesten im Osten sind, die haben eine Bedrohungsperzeption, die ist ganz anders als unsere. Die Polen, die dort unterwegs sind, erleben tagtäglich auch Begegnungen mit russischen Seestreitkräften, haben ihre Erfahrungen, bringen ihre Ergebnisse mit ein.
Schweden und Finnland haben sehr potente Seestreitkräfte mit besonderen Fähigkeiten im Bereich der Amphibik beispielsweise. Also es ist wirklich ein Miteinander und jede Nation leistet einen ganz wichtigen Beitrag.
BG: Sie haben es eben schon angesprochen, Schweden und Finnland, die beiden neuen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitglieder. Wie wichtig ist das – man sagt ja so gerne auch, jetzt sei die Ostsee ein NATONorth Atlantic Treaty Organization-Meer geworden durch den Beitritt der beiden. Wie wichtig ist, dass wir die jetzt haben? Und welche Rolle spielt zum Beispiel die Insel Gotland jetzt für die Sicherheit des gesamten Raumes?
SH: Schweden und Finnland, das würde ich gerne vorwegschicken – ich erwähnte vorher schon kurz unseren multinationalen Stab –, Schweden und Finnland hatten bereits, bevor sie NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitglieder geworden sind, hier in Rostock Soldaten, Soldatinnen zu uns geschickt, um die Kooperation bereits im Vorfeld zu stärken. Insofern hat sich das jetzt durch den NATONorth Atlantic Treaty Organization-Beitritt verstetigt und ist auf eine formal andere Grundlage gestellt worden.
Schweden und Finnland bringen gerade im maritimen Bereich schlagkräftige, gut ausgebildete, gut trainierte und sehr, sehr gute maritime Fähigkeiten ein. Die haben tolle Schiffe, die haben tolle amphibische Boote. Insofern ist das ein echter Mehrwert. Aber das dürfen wir auch nicht vergessen: Wir haben auch mehrere 1.000 Kilometer zusätzliche Grenze zu Russland jetzt dazubekommen, die es zu verteidigen gilt.
Die Ostsee als NATONorth Atlantic Treaty Organization-Meer, das sehe ich ausdrücklich nicht. Ausdrücklich nicht. Denn die Ostsee mit ihren Besonderheiten, mit ihren geografischen Besonderheiten, ist unverändert ein Seegebiet, das sehr anspruchsvoll ist für maritime Operationen, und das selbstverständlich durch alle Ostsee-Anrainer – und auch Russland ist Anrainerstaat in der Ostsee – weiterhin genutzt wird. Und ich bin weit davon entfernt zu sagen, es sei ein NATONorth Atlantic Treaty Organization-Meer, weil das assoziieren würde, dass die NATONorth Atlantic Treaty Organization dort die alleinigen Nutzungsrechte, die alleinige Herrschaft, was auch immer, haben würde.
Und das ist de facto nicht so, es ist freier Seeraum außerhalb der Hoheitsgewässer, und alle Staaten und Anrainer haben selbstverständlich das Recht und die Freiheit, die See zu nutzen für Handel, für alles, was dazugehört. Gotland liegt zentral in der Ostsee und ist damit als strategische Basis von herausragender Bedeutung. Und wenn man von dem berühmten Gamechanger oder von dem strategischen Mehrwert spricht, so ist Gotland ein ganz, ganz entscheidender, weil es schlicht und ergreifend – in Abstimmung mit der schwedischen Regierung natürlich – genutzt werden könnte, um dort eigene Streitkräfte zu stationieren, um von dort aus zu operieren und von dort aus Aufklärung zu betreiben.
Also, es bietet uns, wenn ich es noch mal maritim betrachte, einen unsinkbaren, nicht versenkbaren weiteren Stützpunkt, der mitten in der Ostsee uns extremst viel hilft.
BG: Ja, das ist absolut nachvollziehbar, dass das auch eben geopolitisch extrem wichtig ist. Wie ist denn das hier in Rostock? Haben wir von allen Ostsee-Anrainern Kräfte auch hier im Stützpunkt? Oder welche Nationen sind hier dauerhaft präsent?
SH: Ja, wir haben, als wir 2019 angefangen haben, hier mit unserem Stab, zuerst auf bestehenden Kooperationen mit anderen Nationen, in dem Fall den Briten und den Franzosen, angefangen, die also mit der Ostsee per se erst mal keine Grenze teilen, aber natürlich langjährige Partner in der NATONorth Atlantic Treaty Organization sind. Und als wir dann den Stab 2019 angefangen haben aufzubauen, mit dem Schwerpunkt auf der Ostsee, haben wir relativ schnell bei unseren Partnern Zustimmung erfahren und auch Unterstützung.
Und aktuell sind Kameraden, wenn ich mal geografisch rumgehe, aus Dänemark, aus Schweden, aus Finnland und aus Litauen bei uns, was die Ostsee-Anrainer angeht. Estland hat uns eine Zusage gemacht, dass sie zeitnah auch Personal schicken. Und mit dem Wechsel auf eine Aufgabe, die konkret für die NATONorth Atlantic Treaty Organization erfolgen wird – ich sprach vorhin vom Angebot Bundeskanzler Scholz, das geht in die Umsetzung, und ich denke, dass wir im Herbst 2024 dort auch den Wechsel haben werden –, wird auch Polen mit dabei sein. Dann haben wir alle Anrainer komplett. Und Lettland kommt auch, Entschuldigung, möchte ich nicht vergessen, haben auch zugesagt. Dann haben wir alle Anrainer komplett, und das finde ich ein ganz starkes Signal unserer Partner, dass sie sehen und anerkennen, was Deutschland hier leistet, was Deutschland hier leisten möchte, und dass wir das als gemeinschaftlichen Ansatz und auch als gemeinsames Verständnis von Sicherheit in der Ostsee sehen.
Und das ist gerade für die kleinen Marinen, wenn ich den Satz ergänzen darf, die kleinen Marinen der baltischen Staaten, die haben nicht viel Personal, und dass sie dann sagen: „Uns ist wichtig, euch in Rostock zu unterstützen”, das ist ein ganz starkes Zeichen. Das freut mich.
BG: Ja, das ist super. Das dient natürlich auch dem direkten Informationsaustausch. Das ist wirklich ein Asset. Wie ist das überhaupt nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine? Da gab es ja diesen berühmten Satz: “Alles, was schwimmt, geht raus”. Gilt das heute auch noch? Und ist tatsächlich alles draußen, was schwimmt oder taucht?
SH: Ja, „alles was schwimmt geht raus” war in der Tat, wie Sie es richtig gesagt haben, im Februar 2022 eine ganz direkte Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Angriff, fokussiert hier auf unsere heimischen Gewässer, im Schwerpunkt auf die Ostsee, um einmal genau dieses Signal zu setzen: Wir sind bereit, wir sind wachsam und wir können auch schnell reagieren. Nun darf man aber nicht vergessen, dass die deutsche Marine insgesamt–- und wir haben das Motto „regionaly rooted, globaly committed” – also hier in der Region verwurzelt, aber weltweit engagiert.
Und das ist auch das Wesen von maritimen Streitkräften, dass wir von der Naval Diplomacy, also als Botschafter in Blau, bis eben hin auch zu Gefechtseinsätzen die gesamte Palette bereitstellen können. Und wenn man heutzutage rausguckt, in der jetzigen Phase rausschaut, ist die Marine auch weltweit unterwegs. Und insofern, „alles, was schwimmt, ist draußen”, ist richtig, aber es ist nicht nur auf den Nordflankenraum beschränkt.
Wir haben deutsche Einheiten permanent im Mittelmeer, wir haben zeitweise Einheiten im Roten Meer gehabt. Wir haben einen Verband, der über den Atlantik gefahren ist, durch den Panamakanal, sich im Pazifik aufhält. Also die Deutsche Marine hat alles das, was sie aktuell einsatzbereit hat, auch wirklich in den Einsätzen. Und auch das macht mich so ein bisschen stolz, das zu sehen.
BG: Ja klar, und das ist ja auch jetzt, wenn ich an Indo-Pazifik denke oder so, das sind ja auch Erfahrungen, die sicherlich auch im Krisenfall sehr, sehr hilfreich sind dann. Wie ist es jetzt ganz genau aktuell, welche Aufgabe haben wir jetzt aktuell in Bezug auf Schutz der Infrastruktur und Erstellung des Lagebilds und so weiter im Ostseeraum? Wie wichtig ist die Verbindung zwischen Ostseeraum und Nordsee, also auch der Austausch, der Informationsaustausch? Und was machen Sie konkret hier in Rostock?
SH: Ja, ich hole mal in zwei Sätzen aus, weil für alles, was wir hier machen, mit Blick auf maritime Operationen, ist ein Lagebild, also zu wissen, welche Schiffe sind wo draußen, welche Flugzeuge sind wo draußen, welchen Auftrag haben die? Und das gilt für Handelsschiffe, das gilt für Kriegsschiffe und natürlich auch unter Wasser zu gucken, was passiert da? Also ein Lagebild zu haben, um zu sehen, droht irgendwo eine Gefahr?
Gibt es eine Bedrohung? Gibt es irgendwas, das unsere Aufmerksamkeit erregt? Das ist erst mal die Basis. Und dieses Lagebild bauen natürlich alle unsere Partner auf. Und wir haben so viele Nationen, Institutionen, Marinen, Küstenwachen, zivile Organisationen, ganz viele, die zu einem Lagebild beitragen. Und die große Aufgabe ist, das alles zusammenzutragen und das zu fusionieren und allen Verfügung zu stellen.
Das ist eine der wesentlichen Aufgaben, die wir hier zukünftig in Rostock werden leisten müssen. Und die Verbindung zur Nordsee ist automatisch gegeben, weil Ost-, Nordsee sind dicht beieinander. Das kann man gar nicht trennen. Aber da gilt es auch ein bisschen, ich sage mal bürokratische und administrative Hindernisse zu überwinden. Denn nicht jeder ist vielleicht sofort bereit, seine Erkenntnisse zu teilen.
Da muss einfach ein bisschen Überzeugungsarbeit gemacht werden. Wir müssen das technisch realisieren. Und eins muss uns klar sein: Der Ozean, egal, ob hier oder im Atlantik, ist nicht gläsern. Also, ich kann nicht permanent 24/7 draufgucken und kann einfach sehen, was passiert. Also, ich muss mir schon Gedanken machen, wie stelle ich das sicher? Welche Mittel, welche Möglichkeiten habe ich überhaupt?
Und ich muss vor allem im Vorfeld eine Idee haben: Von wo könnte eine Bedrohung welcher Art auch immer kommen? Und das ist der Schritt vor dem Lagebild, in dem wir einfach über Aufklärung, über Beobachten, das einfach im Vorfeld ausschließen können. Und so setzt sich Lagebild am Ende zusammen, und das als Basis hier in Rostock zusammenzuführen, ist dann wiederum die Basis für jegliche Operationsplanung.
BG: Sie hatten eben schon Bedrohung erwähnt. Wie schätzen Sie die konkrete Bedrohung durch Russland aktuell ein?
SH: Ja, das ist schwer zu beantworten, weil, es hat eine ganze Menge Facetten, eine ganze Menge Abhängigkeiten. Ich persönlich glaube nicht, dass wir in einem absehbarer Zeitraum einen Angriff Russlands auf einen Staat in der NATONorth Atlantic Treaty Organization erwarten. Also wirklich, wie wir es in Ukraine sehen, dass das glaube ich nicht. Aber wir nehmen natürlich schon wahr, dass die russische Marine, genauso wie wir, in der Ostsee übt, eine hohe Einsatzbereitschaft hat, dass wir bei Manövern sehen, dass die uns beobachten, was wir machen.
Wir beobachten, was die machen. Und wir stellen schlicht und ergreifend fest, dass die russische Marine auch trotz Ukrainekrieg unverändert eine hohe Anzahl an einsatzfähigen Schiffen und Flugzeugen hat, dass sie regelmäßig den Einsatz auch hier üben und dass sie bereit sind. Und dann gilt es nun zu sehen, was sich in welcher Form entwickelt. Viel passiert ja auch in dem, was nicht klassisch Krieg ist.
Also, wir sehen hybride Aktionen, wir sehen Dinge, die unter Wasser passieren. Es gibt vielleicht irgendwo einen Unfall, dass durch Zufall ein Schiff in einer der vielen Engstellen der Ostsee mal einen Navigationsfehler hat, gegen einen Brückenpfeiler fährt, auf einmal eine Passage versperrt. Und da gilt es einfach vorbereitet sein und das im Vorfeld zu erkennen, und insofern schätze ich es schon so ein, dass wir gut beraten sind, wachsam zu sein und aufzupassen.
Und Kriegstauglichkeit und Kriegstüchtigkeit sind die Begriffe, das sollten wir schon ernst nehmen, denn einzuschätzen, wann geht es wirklich in welcher Form los, dass mag eben schwierig sein.
BG: Und dann gilt wahrscheinlich genau das, was unser Verteidigungsminister auch immer sagt kriegstüchtig sein, um nicht Krieg führen zu müssen. Und dafür ist natürlich Rostock ein idealer Stützpunkt, und ganz herzlichen Dank für dieses Interview, Herr Admiral.
SH: Sehr, sehr gerne. Schön, dass Sie hier sind.
BG: Nach meinem Gespräch mit Admiral Haisch hatte ich die Gelegenheit, mit einigen unserer NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner zu sprechen. Zwei von ihnen waren extra für BALTOPs nach Rostock gekommen und die anderen beiden sind dauerhaft hier für zwei beziehungsweise drei Jahre und zwar im Stab DEU MARFORGerman Maritime Forces in Rostock. Einer von ihnen ist der finnische Fregattenkapitän Eero, und von ihm wollte ich wissen, wie sich seine Arbeit im internationalen Team durch den NATONorth Atlantic Treaty Organization-Beitritt Finnlands verändert hat.
FE: Natürlich haben wir als NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner schon früher mit Marinen im Ostseeraum zusammengearbeitet, aber die Perspektive hat sich nun völlig verändert. Jetzt denken wir darüber nach, wie wir innerhalb der Allianz arbeiten und damit ändert sich die Arbeit natürlich. Und wir lernen eine Menge und haben die Möglichkeit, mehr Einblicke zu gewinnen, was tatsächlich in der NATONorth Atlantic Treaty Organization geschieht, und arbeiten mit multinationalen Kollegen zusammen.
Wir haben dasselbe Ziel. Das macht alles einfacher. Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede, Ansichten und Auffassungen, aber das ist normale Stabsarbeit, miteinander sprechen, um einander besser zu verstehen. Ich würde sagen, das Level an Erfahrung und Wissen ist hier sehr hoch. Das macht es leicht.
BG: Auch das zweite neue NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitglied, Schweden, hat Personal nach Rostock abgeordnet. Der schwedische Hauptfeldwebel Mikael ist Marineinfanterist, und er war während des Manövers BALTOPs im Stab des deutschen Commander Task Force. Für ihn hat sich mit dem Beitritt seines Landes nicht sehr viel verändert, wie er mir verraten hat.
HM: Schweden war schon lange ein Partner der NATONorth Atlantic Treaty Organization, und unsere Marineschiffe sind sehr gut in NATONorth Atlantic Treaty Organization-Verfahren integriert. Deshalb war der Wechsel vom Partner zum Alliierten nach der Ratifizierung der schwedischen Mitgliedschaft für uns kein so großer Schritt. Der Unterschied wird nun sein, dass wir Personal in viele NATONorth Atlantic Treaty Organization-Stäbe entsenden, und deshalb bedeutet meine Anwesenheit hier, dass wir wichtige Einsichten gewinnen, wie NATONorth Atlantic Treaty Organization-Stäbe arbeiten.
Diese Erkenntnisse nehmen wir dann mit nach Hause, um die Kameraden auf NATONorth Atlantic Treaty Organization-Stäbe in ganz Europa vorzubereiten.
BG: Der Logistiker Mikael schätzt die internationale Zusammenarbeit in Rostock sehr.
HM: Ich denke, das ist ein relativ neuer Stab hier, aber seine Abläufe und seine Produkte sind sehr gut, und das internationale Team arbeitet sehr gut zusammen, weil alle Englisch sprechen. Ich möchte hervorheben, dass die deutschen Kameraden auch untereinander immer Englisch sprechen, so dass der internationale Stab alles versteht, und es herrscht eine hohe Professionalität im CTFCommander Task Force-Stab.
BG: Ähnlich äußert sich auch die polnische Offizierin Katarzyna. Sie kommt aus Danzig, ist Fregattenkapitän und ebenfalls nur für die Dauer des Manövers in Rostock. Ihre Schwerpunktthemen sind das sogenannte Informationsumfeld und die strategische Kommunikation.
FK: Was sehr wertvoll ist und was mir gefällt, ist, dass unsere Kommandeure sogar bei diesem Manöver wirklich Wert auf das Informationsumfeld legen. Wir berichten in Bezug auf strategische Kommunikation über verbale und nonverbale Signale der verschiedenen Seiten. Ich weiß, das ist schon etwas Neues. Vor allem für militärische Stäbe, aber ich möchte die Bedeutung von nonverbaler Kommunikation hervorheben, von der politischen bis zu taktischen Ebene. Denn diese Signale können gut vorbereitete militärische Operationen sowohl unterstützen als auch behindern.
BG: Fregattenkapitän Katarzyna betrachtet das Manöver BALTOPs ganzheitlich und sie begrüßt die Internationalität im Stab in Rostock.
FK: Aus meiner Sicht gibt es nur Vorteile, selbst unter Zeitdruck. Denn Vielfalt und verschiedene Lösungsansätze sind sehr informativ. Das gibt mir persönlich ein gutes Gefühl dafür, wie wir uns alle als Alliierte identifizieren. Hier in Rostock haben wir sechs polnische Kameraden. Für mich ist das sehr wichtig, weil ich an verschiedensten Aufgaben mitwirken und alles aus verschiedenen Perspektiven erleben kann, sei es im Bereich Information, Operationen oder Unterstützung.
BG: Ihr litauischer Kamerad Sergej, ebenfalls ein Fregattenkapitän, ist wie Eero längerfristig im Stab DEU MAFOR. Er betont, wie wichtig es auch für sein Land ist, eingebunden zu sein in die NATONorth Atlantic Treaty Organization und in die internationale Zusammenarbeit.
FSFrench Ship: Weil Litauen ein Ostsee-Anrainer ist und auch nur eine kleine Marine hat, ist es für uns sehr wichtig, hier präsent zu sein, bei allen Planungen beteiligt zu sein, und die Koordination der Aktivitäten überall in der Ostseeregion zu unterstützen. Schlussendlich ist das eine sehr gute Investition in unser aller Sicherheit in dieser Region.
BG: Die Sicherheit des Ostseeraum hat für alle NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner oberste Priorität. Das habe ich bei meinen Gesprächen im Marineführungszentrum immer wieder gehört. Und die internationale Zusammenarbeit dort wird immer enger und auch immer wichtiger. Damit steigt natürlich auch die Bedeutung des Marinestützpunkts Rostock. Ich bin allen meinen Gesprächspartnern dankbar für die Zeit, die sie mit mir verbracht haben und die Erklärungen, die sie mir gegeben haben. Und ich bin sicher, wir werden auch in Zukunft noch Einiges hören aus Rostock. Danke fürs Zuhören. Ich melde mich ab aus dem Funkkreis. Tschüss.