Funkkreis: Rechts vor links und Vogelschlag – militärische Fluglotsen berichten
Funkkreis: Rechts vor links und Vogelschlag – militärische Fluglotsen berichten
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Sprecher: Hauptmann Kay (K), Oberleutnant Tina (T), Redakteurin Amina Vieth (AV). Wegen des Datenschutzes werden nur die Vornamen der Flugverkehrkontrolloffiziere genannt.
Delta to all. Radio check. Over.
Hier ist Bravo. Kommen.
This is Tango. Over.
Funkkreis – Podcast der Bundeswehr
AV: Wie wird eigentlich der militärische Luftverkehr geregelt? Das erklären uns heute Kay und Tina. Sie sind beide Flugverkehrskontrolloffiziere und erzählen uns, wie sich ihr Job von dem eines zivilen Fluglotsen eigentlich unterscheidet, was sie genau den ganzen Tag machen und wann auch sie manchmal noch nervös werden. Meine Name ist Amina Vieth aus der Redaktion der Bundeswehr. Und ich heiße heute im Funkkreis willkommen Kay und Tina. Hallo.
Kay: Hallo.
Tina: Hallo.
AV: Sehr schön, dass Sie sich heute Zeit genommen haben. Tina, bei Ihnen ja noch im Dienst, wie ich eben schon hörte. Und Kay, bei Ihnen kurz vor dem Start ins Wochenende. Wie lief Ihre Woche denn bisher, Tina?
T: Bei mir ist es so, dass ich diese Woche Tagesdienst hatte. Das heißt, ich bin von morgens um 7 Uhr bis nachmittags um 16:30 Uhr im Dienst gewesen und hatte auf dem Tower zu tun. Das heißt, ich hatte mit meinen Luftfahrzeugen zu tun, die ich direkt vor mir gesehen hatte – durch meine Scheiben hindurch. Wir hatten sehr viel Flugverkehr, trotz schlechten Wetters. Und ich muss sagen, dass es ein sehr befriedigendes Arbeiten war. Weil halt viel zu tun war. Und jetzt sitze ich noch hier im Dienst, um mit Ihnen zu telefonieren. Wir haben gerade eben alles zugemacht, uns abgemeldet von den umliegenden Flugsicherungsstellen. Und ich bin gespannt, was heute noch auf uns zukommt.
AV: Und bei Ihnen, Kay?
K: Ich war quasi die Gegenschicht. Ich hatte den Dienst von Tina übernommen und hatte die Nachtschicht die Woche über, auch im Tower eingesetzt. Ich habe mich um einen unserer Auszubildenden gekümmert. Bis knapp Mitternacht.
AV: Das klingt schon sehr herausfordernd. Und Sie sagten ja schon: Schichtdienste. Vielleicht erklären Sie uns einmal ganz genau, was Sie eigentlich machen.
K: Im Grunde militärische Flugverkehrskontrolloffiziere. Das ist im Grunde aber das Gleiche wie ein Fluglotse. Die Bundeswehr hat sich da einfach nur einen anderen Begriff für ausgedacht. Im Kern ist es dieselbe Aufgabe, die die Kollegen auch draußen erfüllen. Wir sind für die Sicherheit, für den zügigen und für den geordneten Ablauf oder die Ordnung des Luftverkehrs zuständig. Im Gegensatz zu den Kollegen und Kameraden draußen bei der DFS, machen wir beides bei der Bundeswehr. Wir sitzen auf dem Tower, wie Tina und ich das erzählt haben. Aber wir können auch unten im Radar sitzen. Also meistens ein Stockwerk tief. Und da kümmern wir uns dann um einen größeren Bereich.
AV: Was genau ist denn DFS?
K: Die DFS ist die Deutsche Flugsicherung. Das ist die zivile Flugverkehrs… Ah…
T: Gesellschaft.
K: (lacht). Ja. Genau.
AV: Okay. Inwiefern unterscheidet sich denn der militärische Fluglotse vom zivilen Fluglotsen?
T: Der militärische Fluglotse ist nicht einfach nur Fluglotse. Sondern der militärische Fluglotse ist auch noch Soldat. Im Gegensatz zum zivilen Lotsen ist es so, dass man erst einmal bei der Bundeswehr eingestellt wird. Und dann erst einmal als Soldat die ersten ein bis zwei Jahre eine militärische Ausbildung genießt. Das heißt, man macht seine Grundausbildung. Und dann weitere aufbauende Lehrgänge. Erst dann absolviert man die Ausbildung zum Fluglotsen. Und zwar nach Kaufbeuren, wo dann die Fluglotsen-Schule ist. Im Zivilen ist es tatsächlich so, dass man nach Langen geht. Dort bildet die Deutsche Flugsicherung, die DFS, Fluglotsen aus. Und wenn man dort ausgebildet ist, und tatsächlich alles geschafft hat, wird man von dort gleich auf die Plätze verteilt, wo man dann arbeitet. Und bei uns ist es wie gesagt so, dass wir neben dem Flugsicherungsjob auch noch den Soldatenjob zu erledigen.
AV: Kümmern Sie sich denn dann auch um zivile Maschinen oder nur um militärischen Flugverkehr?
K: Unseren Aufgabenbereich muss man sich quasi dreidimensional vorstellen. Wir arbeiten ja in der Höhe und in der Fläche. Alles, was durch unseren Zuständigkeitsbereich durchfliegt, und da ist es unabhängig, ob das jetzt militärisch oder zivil ist. Um die kümmern wir uns. Also auch um Zivile.
AV: Sie sagten jetzt eben schon, dass Sie auf dem Tower sitzen. Und das stelle ich mir ein bisschen so vor, wie man das vielleicht mal im Film gesehen hat. Dass man auf einen Bildschirm, ein Radar schaut und da sind Punkte oder Ähnliches drauf zu sehen. Und man schaut, dass die nicht kollidieren. Also man leitet an, wer wo hinfliegt, und so. Ist das wirklich so? Oder ist das eine vom Film geprägte verschobene Vorstellung?
K: Das sind quasi beide Arbeitssituationen ein bisschen vermischt. Film und Fernsehen kombinieren oft beides. Man hat also auf dem Tower, wie du gerade gesagt hast, die Radarmonitore gezeigt, aber bei uns ist es tatsächlich so: Wir sitzen auf dem Tower und nutzen diese Radarmonitore nicht. Wir schauen aus den Fenstern und kontrollieren alles, was wir tatsächlich visuell identifizieren können. Alles, was darüber hinausgeht, was wir mit bloßem Auge nicht mehr erkennen können, das sind dann originär die Aufgaben vom Radar.
AV: Das heißt, Sie sind gar nicht für den kompletten Luftraum zuständig, sondern immer nur für ein bestimmtes Gebiet.
K: Ja, genau. Also der Tower ist für die Kontrollzone verantwortlich. Das ist der Bereich um den Flugplatz herum. Lateral und horizontal. Das ist immer unterschiedlich, je nachdem, wie die örtlichen Begebenheiten das erfordern. Und darauf anschließend kommt dann der Zuständigkeitsbereich vom Radar. Und darüber sitzt dann die Zuständigkeit von der DFS. Also gibt es im Grunde keinen Flecken Luftraum, der nicht in irgendeiner Form strukturiert oder sogar überwacht wird.
AV: Geht das denn auch nach Lufthöhen oder nur nach Sichtweiten?
K: Nein, das geht tatsächlich auch nach Höhen. Auf Laupheim gesprochen, wo wir arbeiten, ist meistens nach 7.000 Fuß Schluss. Höher beginnt die DFS, also die zivilen Fluglotsen in München beziehungsweise Karlsruhe, zu lotsen, zu arbeiten. Fliegt also ein Flieger oder startet ein Flieger oder Hubschrauber in Laupheim, dann haben wir ihn zuerst vom Tower unter Kontrolle. Dann geht er in aller Regel zu unserem Radar. Und je nachdem, wo er hingeht, wenn er nach Stuttgart fliegt oder München, kommt er irgendwann auf den Zuständigkeitsbereich der DFS und wird von den Kollegen dann weiterbearbeitet.
AV: Wenn wir gerade von Flughöhen sprechen, welche Flugzeuge fliegen denn ungefähr wo? Also, ich denke mal, dass Langstreckenflugzeuge, die beispielsweise nach Bangkok fliegen, die werden ja bestimmt ein bisschen höher steigen als die, die nur einen Inlandsflug machen, oder vielleicht auch Privatmaschinen, wenn einer selbst privat ein Flugzeug besitzt. Oder?
T: Die Airliner, die global unterwegs sind oder von mir aus auch von München nach Hamburg fliegen, die fliegen natürlich in einer Höhe, in der kleine Cessnas normalerweise nicht unterwegs sind. Einfach, weil die Gefahr dann zu groß für die Cessnas wäre. Oder umgekehrt: Die Cessnas fliegen so tief, weil oben die Airliner fliegen. Und diese Airliner fliegen meistens in einer Höhe zwischen 10.000 Fuß und manchmal auch ein bisschen höher. Das kommt immer darauf an. Wenn sie innerhalb Deutschlands unterwegs sind, dann sind es auch mal weniger. Dann sind es zwischen 7.000 und 10.000 Fuß. Und wenn sie dann global unterwegs sind, kann es auch viel, viel höher sein. Es kann auch bis hoch zu, ich sage jetzt mal 30.000 Fuß und noch höher gehen. Das hängt immer vom Luftraum ab und natürlich von der Flugsicherung, wo sie sie hinhaben möchte.
AV: Gibt es denn da Unterschiede? Müssen Sie jedes Flugzeug, das bei Ihnen auftaucht, das Sie sehen oder bei Ihnen auf dem Radar auftaucht, anleiten? Oder bitten die Pilotinnen und Piloten darum?
K: Je nachdem, wo wir arbeiten. Man hat mal beschlossen: Es gibt Bereiche, in denen ist es einfach notwendig, zu wissen, wer sich da bewegt. Und es gibt Bereiche oder Luftraum, wo es nicht ganz so wichtig ist. Wo man einfach sagt: Okay, da ist – in Anführungszeichen – so viel Platz, da brauchen wir nicht 100 Prozent wissen, wo der ist. In Bezug auf den Tower, in der Kontrollzone, da wissen wir tatsächlich über jeden Flieger Bescheid. Wir wissen, welcher Flieger bei uns landet, wer starten möchte oder wer auch nur bei uns durchfliegen möchte. Sie müssen sich vor dem Einflug erst die Erlaubnis bei uns aus dem Tower holen und anfragen. Sie müssen beispielsweise sagen: Ich bin jetzt im Süden. Und ich würde gern einmal durch Ihre Kontrollzone durchfliegen in den Norden. Dann arbeiten wir Sie in das Verkehrsbild ein und sagen: Ja, das ist möglich. Oder wir müssen sagen: Du kannst zwar durchfliegen, aber da ist Verkehr, auf den du achten musst. Im schlimmsten Fall müssen wir einfach sagen: Nee, tut uns leid, wir haben jetzt zu viel eigenen Verkehr, flieg bitte außen rum.
AV: Und wenn man im Radar ist?
K: Auch da hängt es wieder mit der Luftraumstruktur zusammen. Aber in einem Bereich bis zirka 1.200 bis 2.500 Fuß können die Piloten einfach fliegen. Sie entscheiden sich am Morgen, weil das Wetter so schön ist, nach Innsbruck, Karlsruhe oder sonst wohin zu fliegen, und dann fliegen die einfach. Dann setzen sie sich in den Flieger rein und dann fliegen sie quasi über Land. Das nennt sich, nach Sichtflugregeln fliegen. Sie sind also selbst verantwortlich, sie schauen selbst aus dem Fenster und fliegen zu ihrem Ziel. Dann wissen wir im Zweifel auch nicht, dass sie fliegen.
AV: Kann es da nicht trotzdem mal zu Komplikationen kommen? Wenn da mehrere sich plötzlich denken: Wir wollen jetzt einfach mal starten und fliegen auf Sicht.
T: Tatsächlich kann es das. Aber es gibt wie im Straßenverkehr auch im Luftverkehr Vorfahrtsregeln. Das heißt, derjenige, der von rechts angeflogen kommt, hat tatsächlich auch Vorfahrt.
AV: Ach, das ist ja interessant.
T: Ja. Dementsprechend muss dann auch Vorfahrt gewährt werden. Oder man weicht dementsprechend aus, dass der, der von rechts kommt, freie Fahrt hat. Weiterhin ist es auch so, dass Luftfahrzeuge, die nicht so beweglich sind, auch Vorfahrt haben. Das heißt, ein Luftschiff, ein Zeppelin oder auch ein Ballon hat Vorfahrt vor einer Cessna. Weil der Ballon oder der Zeppelin einfach nicht so wendig und nicht so schnell sind. Das heißt, es kommt immer darauf an, was für ein Luftfahrzeug es ist. Und wenn es gleiche Luftfahrzeuge sind, dann gilt rechts vor links. So ist das ungefähr gehandhabt.
AV: Da muss man ja, Gott sei Dank, nicht so viel umdenken. Außer man kommt aus einem anderen Verkehr, aus Großbritannien oder so. Dann könnte das vielleicht ein bisschen schwierig werden.
T: Wobei das luftfahrttechnisch weltweit einheitlich ist. Das ist dann tatsächlich alles gleich geregelt. Das heißt, dass auch die im Bereich Großbritannien oder wo die anderen Linksfahrer sind, gibt es auch die Rechts-vor-links-Regelung.
AV: Gut. Dann muss man aus dem restlichen Raum, wo man nicht Linksfahrer, nicht groß umdenken. Sagen wir es so. (lacht)
T: (lacht) Richtig.
AV: Aber was ist denn, wenn ich gar nicht so weit gucken kann? Weil es zum Beispiel sehr regnerisch ist oder sehr nebelig, wolkig. Ich weiß nicht, was einem sonst noch so begegnen kann in diversen Höhen.
K: Das hätte ich vielleicht vorhin noch erwähnen sollen. Was ich beschrieben habe, dass man sich morgens entscheidet, irgendwo hinzufliegen und dann nicht unter Radarkontrolle zu sein, das trifft natürlich nur zu, wenn das Wetter entsprechend gut ist. Schöner blauer Himmel, die Sonne, keine Wolken – dann funktioniert das. So, wie du es gerade ansprichst, Nebel, Regen, die Wolken hängen tief, dann kann dieser Pilot in aller Regel gar nicht nach Sicht fliegen. Denn er muss einen gewissen Abstand zu Wolken einhalten, er braucht gewisse Sichten, sonst darf er gar nicht fliegen. Und wenn er es doch tut, dann darf er nicht nach Sicht fliegen, sondern nach Instrumentenregeln. Und da kommen dann wir wieder ins Spiel. Sobald es nach Instrumentenregeln geht, ist die Flugsicherung verantwortlich. Und wir geben ihm dann auch Kursanweisungen. Wir identifizieren den Luftraum. Dann können wir genau sehen, wo er ist und wo anderer Verkehr ist. Da geben wir tatsächlich auch Ausweichhinweise und Anweisungen. Jetzt links drehen, jetzt rechts drehen oder sinken, steigen – damit nichts passiert.
AV: Diese Anweisungen, die müssen ja auch einheitlich sein. Oder?
K: Ja. Wir haben da standardisierte Sprechgruppen. Wir lernen die in der Ausbildung auf Deutsch und auf Englisch. Lustig ist, dass die deutschen Begriffe einem deutlich schwerer über die Lippen gehen als die englischen. Aber, wie gesagt, wir haben standardisierte Sprechgruppen.
AV: Können Sie mal ein Beispiel geben, was man häufig sagt? Auf Englisch zum Beispiel.
K: Join traffic cir… runway 27. Report tower. Gear down and locked.
AV: Okay. Und das heißt auf Deutsch?
K: Ich habe den Piloten die Erlaubnis gegeben, in die Kontrollzone einzufliegen, in die Platzrunde einzufliegend und er soll sich bitte auf Höhe des Towers melden mit ausgefahrenem…
T: … Fahrwerk.
K: Fahrwerk. Danke. Fahrwerk.
AV: Wenn man so viel Fachenglisch spricht, glaube ich auch, dass man die deutschen Begriffe gar nicht häufig nutzt. Und das gerät dann mal ganz gern ein bisschen ins Hinterstübchen. Das eine völlig normale Reaktion, kann ich mir vorstellen. Und das Fachenglisch lernen Sie in der Ausbildung? Das sagten Sie ja gerade schon.
K: Ja.
AV: Können Sie mir kurz erklären, wie die Ausbildung abläuft. Wenn ich mich dafür interessiere, was sind Grundeigenschaften, die ich auf jeden Fall mitbringen sollte, weil der Job sonst gar nichts für mich wäre.
T: Was muss man mitbringen? Das ist relativ einfach erzählt. Man muss mitbringen Multitasking-Fähigkeit, man muss mitbringen ein Vorstellungsvermögen im dreidimensionalen Raum. Man muss teamfähig sein. Man muss eine gute Merkfähigkeit und eine gute Konzentrationsfähigkeit haben. Das alles macht den Fluglotsen aus. Das wird getestet. Egal, ob man zur Deutschen Flugsicherung geht oder zur Bundeswehr als Flugverkehrskontrolloffizier. Wenn man sich bewerben möchte, muss man erst einmal diese Eignungstests bestehen und diese sind dann auch auf die verschiedenen Fähigkeiten abgestimmt. Wenn man die Tests besteht, werden noch medizinische Tests gemacht. Und dann kann man rein theoretisch Fluglotse werden. Und wenn man dann irgendwann bei der Bundeswehr diese Eignungstests bestanden hat, kommt man nach der militärischen Ausbildung, die zuerst kommt – wie ich vorhin schon erwähnt habe – nach Kaufbeuren zur Fluglotsen-Schule. Dort wird theoretisches Wissen vermittelt. Dort lernt man unsere Flugsicherungsvorschriften mehr oder weniger auswendig. Das ist alles auf Englisch. Hat man dann den theoretischen Teil bestanden, geht es weiter in den Simulator-Teil. Dort werden Tower und Radar in gleichen Maßen im Simulator ausgebildet. Man prüft dann auch ab, ob die Lotsen, die wir ausgewählt haben im Eignungsfeststellungsverfahren, tatsächlich geeignet sind und ob sie auch die Transferleistung von der Theorie in die Praxis bringen können und dort als Lotse arbeiten. Und das ist schon sehr anspruchsvoll, muss man sagen. Der Flugverkehr, der in der Schule generiert wird, das sind ganz viele verschiedene Luftfahrzeuge aufeinander. Das heißt, vom Hubschrauber über Flächenflugzeuge, über Airliner, über Jets. Das wird alles zusammengemischt auf einem kleinen Flugplatz, der virtuell erstellt wird. Und die Schüler müssen dann handeln. Ich glaube, sie haben insgesamt 14 Monate Zeit, um Theorie, Radar- und Tower-Praxis zusammen abschließen können. Wenn sie das dann abgeschlossen haben, kommen sie an die Plätze in Deutschland. Es gibt mehrere Plätze in Deutschland. Einen von der Marine, ein paar von der Luftwaffe, ein paar vom Heer. Dort werden sie dann das erste Mal im realen Flugbetrieb ausgebildet. Aber sie dürfen noch nicht eigenverantwortlich arbeiten, sondern dann auch immer ein Lehrer oder ein Ausbilder, so wie Kay das ist. Dort wird dann geschaut: Können die Schüler, die im Simulator schon super performed oder gut performed haben, das im realen Leben auch noch? Das ist nämlich auch wieder ein Punkt: Wenn man auf dem Tower oder im Radar sitzt, da spricht man mit echten Menschen. Das ist noch einmal ein anderer Punkt, als wenn man mit einem Simulator-Piloten spricht und weiß, wenn ich hier Mist baue, dann passiert nichts. Wenn man im realen Flugverkehr einen Fehler macht, kann durchaus etwas passieren. Und das kann sehr unschön enden. Und das möchte man ja vermeiden.
AV: Das stelle ich mir absolut stressig vor, wenn ich ganz ehrlich bin. Weil Sie ja auch stundenlang den ganzen Tag über volle Konzentration brauchen. Das ist ja, denke ich mal, nicht so, dass Sie alle halbe Stunde sagen können: Ich mache jetzt mal zehn Minuten Augenpause und gehe mal vor die Tür. Wie ist es denn? Wie fühlt es sich an oder wie fühlt ihr euch nach so einem Tag?
T: Bei mir ist es tatsächlich so, wenn wir jetzt einen Tagesdienst haben, sind wir nicht von morgens 7 Uhr bis nachmittags um 16:30 Uhr im Dienst. Wir haben Fünf-Stunden-Schichten. Machen dann eine Mittagspause von zirka einer Stunde beziehungsweise: Das müssen wir sogar machen. Und dann gehen wir wieder in Position. Das kommt auch auf den Flugverkehr an. Wenn viel los war, bin ich nach so einem Tag wirklich gerädert und freue mich dann, wenn ich mich nach der Arbeit zu Hause kurz auf die Couch legen kann, wenn ich kurz die Augen zumachen kann und mich entspannen kann. Gleichzeitig bin ich aber auch superzufrieden, weil ich es einfach mag, wenn die Luft brennt – so heißt es bei uns. Wenn viel fliegt, dann heißt es bei uns: Die Luft brennt. Man hat ständig was zu tun, man ist die ganze Zeit am Funken. Man hat den Austausch mit den Piloten und den anderen Lotsen, die mit auf dem Tower sind. Jedem macht das Spaß. Es ist ein wirklich sehr zufriedenstellendes Gefühl. Es gibt einem wirklich Berufszufriedenheit.
AV: Das klingt auf jeden Fall sehr gut. Und das lässt auch gleich noch die Frage aufkommen: Warum ist das denn ein so toller Job? Also für euch.
K: Mir hat das mal jemand gesagt, als ich selbst in der Ausbildung war zum Fluglotsen, und das habe ich so übernommen. Denn vom Mindset her ist es genau das. Für mich als Fluglotsen ist deswegen so toll, weil keine Arbeit übrigbleibt. Ich kann den ganzen Tag arbeiten und wenn ich aufstehe, das Mikrofon hinlege, den Kopfhörer ablege, dann gehe ich nach Hause und dann ist die Arbeit vorbei. Wenn ich am nächsten Morgen wiederkomme, dann ist da kein Aktenordner, der auf mich wartet, weil ich es nicht fertig bekommen habe. Dann ist alles auf null gesetzt. Dann geht es wieder von vorn los. Mit Dingen, von denen ich nicht weiß, was mich erwarten wird. Ich habe keinen Ordner, ich habe keine Struktur in diesem Sinne und weiß genau, um 8 Uhr geht es los, um 9 Uhr passiert das, um 10 Uhr passiert das. Das habe ich einfach nicht. Mein Tag ist jeden Tag aufs Neue individuell. Und das finde ich für mich einfach so super. Und das macht für mich auch den Spaß dieser Arbeit aus.
T: Ich kann Kay da nur beipflichten. Für mich ist es auch toll, jeden Tag eine neue Herausforderung zu haben. Jeder Tag ist anders. Dann ist auch ganz wichtig die Zusammenarbeit mit den Menschen, mit den Piloten über Funk, mit den Flugberatern, die uns die Details über den jeweiligen Flug zur Verfügung stellen. Dann mit den Technikern, mit meinen Lotsen, Mitlotsenden, die mit mir zusammen auf dem Tower sitzen. Die Zusammenarbeit macht einfach riesig Spaß. Man merkt halt, dass, wenn jeder qualifiziert ausgebildet ist und weiß, was der andere von einem möchte, funktioniert es einfach sehr gut.
K: In Zeiten, in denen vielleicht ein bisschen weniger los ist. Es ist noch niemand gestartet, es fliegt gerade niemand, dann wird auch mal rumgeflachst. Da wird auch über den Tag erzählt oder was man am Wochenende gemacht hat. Aber ab dem Moment, wo wieder Flugverkehr da ist, merkt man richtig, wie ein Schalter umgelegt wird, es wird sofort alles professioneller. Von jetzt auf gleich. Man hat keine Gelegenheit hochzufahren und zu sagen, in fünf Minuten sei man soweit. Man muss sofort bereit sein. Und das Schöne ist, man sieht das dann auch bei den Kollegen und bei sich selbst, wie gut das funktioniert. In einer Minute macht man noch einen Scherz übers Wochenende und in der nächsten Minute ruft der nächste Flieger rein. Und alles ist wieder professionell. Die Kommunikation wird viel zielgerichteter, viel kürzer. Und das auch wieder so ein Punkt.
AV: Ich merke schon, Sie brennen für Ihren Job. Das finde ich supertoll. Und das begeistert mich auch. Eine Frage noch. Sie sagen immer, es gibt ganz viele verschiedene Situationen und man weiß nie, was am nächsten Tag oder in der nächsten Minute kommt. Gab es auch schon einmal eine Situation, in der Sie dachten: Wow, jetzt flattern mir die Nerven. Oder: Jetzt wird´s richtig brenzlig.
K: So eine Situation hat bestimmt jeder. Ich für mich hatte schon einmal die Situation, dass ich einen Hubschrauber unter Kontrolle hatte, der sich aber während der Kommunikation plötzlich nicht mehr gemeldet hat. Ich hatte ihn angesprochen, er hat aber nicht mehr reagiert. Es war einfach notwendig, dass er reagiert. Ich musste ihm Anweisungen geben. Er ist auf einen fremden Luftraum zugeflogen und ohne Erlaubnis darf man da nicht hineinfliegen. Und ich wusste ja auch nicht, was auf der anderen Seite stattfindet. Und der hat sich einfach nicht mehr gemeldet. Ich spreche ihn einmal an, spreche ihn ein zweites Mal an. Und man merkt, wie man innerlich nervös wird. Warum passiert da nichts? Warum antwortet der nicht? Und es kam dann so, dass es ein Notverfahren war. Der Pilot hatte einen Funkausfall. Er hat mich zwar gehört, konnte aber nicht mehr reagieren, nicht mehr antworten. Und so hat er mir das dann zu verstehen gegeben. Das war für mich dann eine Situation, wo wir dann den Flieger zusätzlich koordinieren mussten. Wir mussten Absprachen mit dem Nachbarsektor treffen, dass wir jetzt einen Flieger haben, der da kurz einfliegt, obwohl er es nicht darf. Und dann wurde da ein bisschen aufgepasst. Es ist nichts passiert am Ende. Wir haben den Flieger auch gut zur Landung gebracht. Aber das war so eine Situation… Man erwartet, wenn man den Piloten was sagt, dass er antwortet. Und wenn beim ersten Mal nichts kommt, denkt man, okay, er hat nicht hingehört. Wenn beim zweiten Mal nichts kommt, dann wird man nervös. Und beim dritten Mal merkt man plötzlich: Oh, Notlage. Da stimmt etwas nicht. Das ist ein Notfall.
AV: Ist das ein Erfahrungswert, weiß man das von vornherein oder lernt man das in der Ausbildung so?
K: Man wird auf Notverfahren ausgebildet. Wie Funkausfall oder verschiedenste Sorten von Notfällen. Aber wenn das dann wirklich mal passiert, glaubt man das im ersten Moment ja auch gar nicht. Der antwortet nicht, dann denkt man, der hat nicht zugehört und er hat ja im Cockpit noch mit seinem Co-Piloten zu reden. Bis das Bewusstsein entsteht, dass das kein Versehen ist, sondern er mich wirklich nicht hört. Das wird trainiert. Aber das wirklich zu erleben, das ist noch einmal etwas anderes.
T: Da muss ich Kay recht geben. Tatsächlich erleben wir alle mal wieder Situationen, in denen Luftnotlagen vorkommen. Was zum Beispiel sein kann, das hatten wir vor ein paar Monaten, da gab es einen Vogelschlag. Das heißt, ein Vogel ist einem Luftfahrzeug direkt ins Cockpit reingeflogen. Der Hubschrauber musste dann notlanden. Dann merken wir natürlich auch über Funk, dass der Pilot gestresst ist und vielleicht auch Angst hat. Das merkt man einfach an der Stimmlage. Da wird man selbst auch erst einmal unruhig und natürlich auch nervös. Das ist eine neue Situation. Eine Situation, in der man nicht weiß, was denn jetzt alles passiert ist. Geht es den Piloten gut? Können sie sicher landen – ja oder nein? Man muss ruhig bleiben. Man soll eine gewisse Sicherheit vermitteln den Piloten, und zwar in jeder Situation. So dass er weiß, okay, ich habe jetzt gerade zwar ein Problem, aber die Flugsicherung ist noch da. Und wir versuchen dann auch mit allen Mitteln, den Piloten, wenn sie eine Luftnotlage haben, Hilfe zukommen zu lassen. Und das tun wir dann auch.
AV: Da kann man ja richtig froh sein, dass man es mit solchen erfahrenen und vor allem ruhig bleibenden Fluglotsinnen und Fluglotsen zu tun hat. Da fühle ich mich auch gleich viel sicherer, wenn ich das nächste Mal ins Flugzeug steige. Aber eine Frage zu dem Vogelschlag: Passiert das häufig oder ist das ganz selten mal, eine Ausnahme?
T: Ob das häufig passiert im Zivilen, das kann ich Ihnen nicht sagen. Man hört ja immer wieder Berichte, wie irgendwelche Vögel in Triebwerke marschieren. Wir hatten ja das Beispiel relativ groß mit dem Hudson River. Wo dieser Gänseschwarm in die Triebwerke geflogen ist und der Pilot Captain Sully das Luftfahrzeug auf dem Hudson gelandet hat. Beim Militär kommt es bei uns nicht so häufig vor beziehungsweise wüsste ich es jetzt nicht. Wir haben ja immer wieder verschiedene Schichten und da kann es schon sein, dass das mal vorkommt. Aber tatsächlich ist das eher die Seltenheit.
AV: Da freue ich mich jetzt nicht nur für die Piloten und für Sie, sondern auch für die Vögel, wenn das nicht so häufig vorkommt – muss ich jetzt mal ganz ehrlich sagen. Steigen Sie denn noch gern ins Flugzeug oder haben Sie nicht so viel Vertrauen in andere Fluglotsen.
K: Ich persönlich habe überhaupt keine Affinität zum Fliegen. Ich habe einige Kameraden und Kollegen, die selbst fliegen und einen Flugschein machen, aber mir persönlich gibt das überhaupt nichts. Wenn überhaupt mal alle Jubeljahre mal in den Urlaub fliegen. Aber selbst in die Maschine und selbst steuern, hat mit den anderen Fluglotsen nichts zu tun, gebe ich offen zu, Fliegen ist nur einfach nicht meins.
AV: Das verwundert mich jetzt, ehrlich gesagt, ein bisschen. Weil ich dachte, dass jemand, der so nah an Flugzeugen und Flugverkehr dran ist, dass er dann auch eine Affinität für Flugzeuge und das Fliegen hat.
T: Bei mir ist das völlig anders. Wenn ich ein Luftfahrzeug draußen am Himmel sehe oder höre, dann stelle ich mich hin, schaue nach oben, versuche herauszufinden, was es für ein Luftfahrzug ist. Auch mit Flight Radar 24 schaue ich dann, wo es hinfliegt, was ist das für ein Typ, welche Höhe, welche Richtung hat es und so weiter und so fort. Das finde ich total spannend. Selber fliegen, da habe ich die Erfahrung gemacht, dass, wenn ich in einem Cockpit sitze am Steuer, zum Beispiel in einer kleinen Cessna, dass das absolut nicht mein Ding ist. Das habe ich ausprobiert und mir wurde furchtbar schlecht dabei. Mitfliegen in Airlinern oder in Hubschraubern finde ich absolut spannend. Ich liebe es, wenn ich auch zum Beispiel auf einem großen Flugplatz bin wie Frankfurt, das ganze Drumherum zu sehen. Natürlich auch den Tower, wo wir dann auch rein theoretisch drin arbeiten. Und ich sitze dann nachher im Flugzeug, bin auf der Startbahn und dieses Gefühl, wenn der Pilot die Gase reintritt und man in den Sitz gedrückt wird, das finde ich einfach unbeschreiblich. Dann natürlich das Abheben und die Sicht von oben auf die Welt herab – einfach unglaublich. Das ist absolut mein Ding. Ich genieße das. Und ich versuche, das so oft wie möglich zu tun.
AV: Gibt es etwas, wo Sie unbedingt mal gern mitfliegen würden, wo Sie bisher noch keine Gelegenheit hatten? Also eine besondere Maschine oder so etwas? Sie kennen sich da wahrscheinlich besser aus als ich.
K: Ich bin noch nie im A400M mitgeflogen. Also das wäre tatsächlich was. Wenn jemand gerade mithört, der das vielleicht entscheiden kann, das wäre eine Supersache.
AV: Was macht den A400M so besonders für Sie?
K: Er ist neu (lacht). Wir haben mal wirklich etwas Neues. Und ich bin schon in der Transall mitgeflogen. Man könnte den Generationenwechsel mal aktiv mitzuerleben. In der Transall war es früher so: vorn kalt, hinten warm. Oder umgekehrt, Entschuldigung. Angeblich soll es in dem A400M deutlich besser sein. Mal in etwas Neuem mitfliegen – das wäre es.
AV: Ja, vielleicht hört ja wirklich jemand zu, der Einfluss darauf hat und könnte sich dann gegebenenfalls bei Ihnen melden. Und bei Ihnen, Tina?
T: Ich würde mich dem Kay einfach anschließen. Mir fällt aber jetzt auch spontan Ballonfahren ein. Ich weiß zwar nicht, warum. Das ist nicht so spannend wie Hubschrauber fliegen oder Cessna fliegen oder Airliner fliegen. Aber Ballonfahren würde mich schon sehr interessieren.
AV: Aber ich wollte gerade schon sagen, das ist bestimmt einfach eine tolle Erfahrung. Auch wenn es dann vielleicht nicht ganz so hoch geht – Gott sei Dank – mit dem Ballon.
T: Das ist richtig.
AV: Dann bedanke ich mich ganz herzlich, dass Sie sich Zeit genommen haben, obwohl Sie sehr viel zu tun haben, wie wir jetzt gehört haben. Und ich wünsche Ihnen viel Erfolg.
T: Vielen lieben Dank.
K: Dankeschön.
AV: Den nächsten Podcast gibt es wie gewohnt in einer Woche. Mein Name ist Amina Vieth. Ich melde mich ab aus dem Funkkreis.