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31 MIN

Sprecher: Hauptmann Janet Watson (Watson) und Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer (G Breuer)

Intro

Delta to all. Radiocheck. Over.
Hier ist Bravo. Kommen.
This is Tango. Over.
Funkkreis – Podcast der Bundeswehr

H Watson
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat Krieg wieder zurück in die Köpfe der Menschen gebracht. Denn Krieg in der Ukraine heißt auch Krieg in Europa. Und umso wichtiger ist eine gut vorbereitete und gut aufgestellte Bundeswehr. Und genau dafür wollen Verteidigungsminister Boris Pistorius und der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, jetzt sorgen. Einige mögen sich jetzt fragen: Wie soll die Truppe das denn überhaupt hinkriegen? Ich bin Hauptmann, Janet Watson, und ich darf jetzt erst mal den Generalinspekteur begrüßen. Schön, dass Sie sich unseren Fragen stellen wollen und wir heute mal auf die operative Ebene schauen.

G Breuer
Ich freue mich, mal wieder hier zu sein, Frau Watson.

Watson
Es ist Krieg in Europa. Warum müssen wir trotzdem darüber reden, obwohl wir in Deutschland gar nicht betroffen sind?

G Breuer
Doch, es betrifft, es betrifft uns und es macht uns betroffen. Es ist, es ist wichtig, dass wir über diesen Krieg reden, weil er unmittelbar vor unserer Haustür stattfindet und weil er unsere Gesellschaft eigentlich in jeder Phase schon betroffen hat und auch noch weiter betreffen wird. Dieser Krieg kommt bei uns an, es ist nicht irgendwo weit entfernt und es ist auch für uns Soldaten etwas anderes, als wir es bislang mit unseren Einsätzen in Mali oder in Afghanistan oder auch auf dem Balkan erlebt haben. Dieser Krieg findet unmittelbar vor unserer Haustür statt und deswegen müssen wir auch darüber reden.

Watson
Sie waren ja jetzt auch kürzlich in der Ukraine, oder?

G Breuer
Ja, war ich. Ich war auf Einladung meines ukrainischen Counterparts General Saluschnyj dort, mit vielen Bildern, die ich von dort mitgenommen habe, und auch mit vielen Ableitungen. Eine Ableitung, und ich kann das gleich noch mal an vielleicht ein paar Beispielen noch deutlich machen: Eine Ableitung für mich ist, dass wir kriegstüchtig werden müssen, dass wir uns darauf besinnen müssen, dass wir gewinnen wollen, weil wir gewinnen müssen. Und das ist in dieser Auseinandersetzung, das gilt aber insgesamt auch für uns als Soldaten. Und das, was ich dort erlebt habe in der Ukraine, hat das eigentlich nur noch mal bestätigt. General Saluschnyj machte auf mich –  und ich hatte sehr intensive Gespräche mit ihm – machte auf mich den Eindruck, dass er genau weiß, was er da tut. Aber dass er auch das nur tun kann, weil er auf Soldatinnen und Soldaten zugreifen, zurückgreifen kann, die kriegserfahren, die kriegserprobt sind. Und dieses zu lenken, dieses zu leiten, ist sein operatives Geschick jetzt dort. Der Besuch ist jetzt ein paar Wochen her, also war noch vor dem Beginn der sogenannten Gegenoffensive. All das, was wir jetzt sehen, hatte er eigentlich dort auch schon in diesem Gespräch mit mir angedeutet. Also wenn wir jetzt darüber sprechen, ob es, warum es in der Ukraine keine große Gegenoffensive gibt, dann war ihm auch da schon klar und auch in unseren Gesprächen wurde das klar, dass es immer wieder darum geht, wie wir es ja auch in unserer Taktik immer wieder ausbilden, dass man Fühlung mit dem Feind aufnimmt, dass man versucht, irgendwo einen Durchbruch zu erzielen, dass, wenn es einem gelingt, dass man diesen Durchbruch auch taktisch klug, in dem Fall dann vielleicht operativ klug, dann auch zusammenführen muss. All das, war ihm völlig klar. Er wusste aber auch, dass er auf Menschen zurückgreifen kann, dass er sich auf Menschen verlassen kann, die kriegserprobt sind und die vor allen Dingen eins haben: einen unheimlichen Durchhaltewillen. Und diese Resilienz, dieser Durchhaltewillen, diese Widerstandsfähigkeit ist sowohl bei den Soldaten vorhanden als auch in der Bevölkerung.

Watson
Ja gut, aber jetzt haben die Ukrainer ja nicht zwangsläufig eine Wahl. Das kam jetzt alles nicht zustande, weil die gerne Krieg führen wollten, sondern weil die sich von heute auf morgen in einem Angriffskrieg wiedergefunden haben, gegen den sie sich jetzt wehren mussten. Und wir als Bundeswehr, ja, wir sind davon ja gar nicht betroffen. Wir müssen ja gar nicht kämpfen.

G Breuer
Doch, wir müssen kämpfen wollen. Wir müssen es können. Wir müssen uns darauf vorbereiten, weil wir nie wissen – und ich glaube, das ist ausschlaggebend auch für unsere sicherheitspolitische Situation – weil wir nie wissen, wann und wo wir zum Einsatz kommen müssen. Während wir vielleicht beim internationalen Krisenmanagement, das wir eigentlich bislang immer doch einigermaßen einschätzen konnten – und dort auch in einer gewissen Regelmäßigkeit, mit einer enormen Belastung, das ist völlig klar, aber in einer gewissen Regelmäßigkeit drin waren – das ist jetzt bei der Landesverteidigung und Bündnisverteidigung, also wenn es darum geht, bereit zu sein, unser Land im Bündnis zu verteidigen, worauf wir vorbereitet sein müssen, dass es dann eben vor allen Dingen darauf ankommt, diese Vorbereitung auch nach außen deutlich zu machen, weil dadurch schrecke ich auch ab und auf diese Abschreckung, darauf kommt es jetzt an.

Watson
Und das ist wahrscheinlich auch das, was Sie mit Kriegstüchtigkeit meinen…

G Breuer
Ja, das ist das, was ich mit Kriegstüchtigkeit meine. Ich meine damit aber eben nicht mehr nur eine Einsatzbereitschaft, also nicht nur die materielle und die personelle Einsatzbereitschaft, sondern ich meine vielmehr, dass wir uns auch darauf eingestellt haben, dass wir das, was ich gerade versucht habe, auszudrücken mit dem „wir müssen gewinnen wollen, weil wir gewinnen müssen“, das ist eigentlich das Mindset, was dahintersteckt. Und dieses Mindset müssen wir erreichen für uns alle.

Watson
Ja gut, aber dafür müssen wir als Bundeswehr ja überhaupt noch mal in der Lage sein, hochintensive Gefechte zu führen, also um kriegstüchtig zu sein. Können wir das dann überhaupt noch?

G Breuer
Na ja, also wenn Sie mit Soldatinnen und Soldaten sprechen, die in den Einsätzen jetzt waren, wenn Sie mit denen sprechen, die in Afghanistan waren, die in Mali waren: Ja, wir können hochintensives Gefecht, denn genau das ist es, was dort gemacht worden ist. Wir haben gekämpft und wir haben Soldaten verloren im Einsatz, weil sie dort gefallen sind. Ich glaube, wenn sie mit denen sprechen, dann werden die ihnen sehr deutlich machen, dass das hochintensives Gefecht war, was wirklich über alle Grenzen hinausgegangen ist. Also wir können das und wir haben es auch über die letzten Jahre bewiesen und wir haben es richtig dort gemacht. Das, was wir jetzt tun müssen, ist, die zweite Facette für unsere soldatische Ausrichtung mit hineinzubringen, für die Ausrichtung unserer Streitkräfte mit hineinzubringen, dass wir sowohl internationales Krisenmanagement können müssen, also alle Maßnahmen dafür auch können müssen, dass wir kämpfen können müssen im internationalen Umfeld, dass wir auf der anderen Seite aber eben auch jetzt das, was wir als Landesverteidigung und als Bündnisverteidigung bezeichnen, dass wir auch das können. Und wenn ich sage, da den Mindsetwechsel dazu zu machen, wird das, glaube ich, besonders deutlich, wenn man sich mal überlegt, wie wir bislang in die Einsätze gegangen sind. Wir hatten eine Einsatzvorbereitung, dann sind wir anschließend in den Einsatz gegangen, dann hatten wir eine Einsatznachbereitung. Wir sind dann in den Grundbetrieb gegangen, wo wir Lehrgänge gemacht haben, wo wir im Standort waren, wo wir vor allen Dingen eins hatten: Wir konnten uns um unsere Familien kümmern und unsere Familien sich um uns kümmern. Und dann irgendwann sind wir wieder in die Einsatzvorbereitung und dann in den Einsatz gegangen. All das war belastend für uns alle und ich glaube, wir haben es alle, nahezu alle genauso erlebt. Das war belastend und es war fordernd, für Familien fordernd, aber vor allen Dingen auch für die Soldatinnen und Soldaten, die in den Einsätzen waren. Das war aber berechenbar, zeitlich berechenbar. Jetzt zukünftig wird es so sein, dass wir jederzeit 24/7 bereit sein müssen, um in einen Einsatz zu gehen, um kämpfen zu können, um Deutschland verteidigen zu können, um den Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger, weil das ist das, worauf es für die Bevölkerung ankommt, um diesen Schutz auch gewährleisten zu können.

Watson
Gleichzeitig haben Sie aber auch gerade gesagt, dass wir mit dem internationalen Krisenmanagement, also mit unseren Auslandseinsätzen, nicht aufhören werden, dass wir die weiterhin befüllen werden müssen. Jetzt habe ich gelernt, im Militär kann man nur einen Schwerpunkt haben. Wo liegt der denn für die Bundeswehr in dem Fall?

G Breuer
Die Frage habe ich jetzt ein paar Mal gehört. Wir sprechen über internationales Krisenmanagement, wenn wir sagen Landes- und Bündnisverteidigung, wenn wir sagen, wir müssen aber auch die Ukrainer jetzt ausbilden, wir müssen Waffen und Material abgeben, wir müssen auch bereit sein, im Rahmen von Amtshilfe bei Katastrophen, Naturkatastrophen, in Deutschland auch bereit zu sein, helfen zu können. Und jetzt können Sie vieles, vieles andere noch mehr mit dazunehmen, insbesondere auch bilaterale Beziehungen aufrechtzuerhalten. Wenn Sie das alles zusammennehmen, dann höre ich schon häufig die Frage: Na ja, jetzt priorisier doch mal. Und im Grunde genommen mit der Frage nach dem Schwerpunkt haben Sie genau das auch gefragt: Dann priorisieren Sie doch mal! Ich muss dann immer wieder antworten: Habe ich schon. Das, was ich, was ich jetzt gerade mit aufgezählt habe, müssen wir gleichzeitig schultern können. Das ist nicht einfach. Das führt sicherlich an der einen oder anderen Stelle dazu, dass man den Kopf schütteln muss, weil man sagt: Mensch, jetzt habe ich doch gerade das Material abgegeben, aber trotzdem soll ich üben können damit. Das stimmt. Aber es ist genau die sicherheitspolitische Situation. Es ist genau die Lage, in der wir uns mit der Bundeswehr im Moment befinden. Das müssen wir überkommen, das werden wir überkommen. Wir werden dafür sorgen, dass Material wieder nachgeführt wird, dass wir wieder das Material haben, um Ausbildung machen zu können, um auch dieses Material für den Einsatz bereit zu haben. Aber bis dahin müssen wir immer sagen: Wir machen das, was wir können. Mit dem Material, was wir jetzt gerade auf dem Hof stehen haben, heißt das, dass wir nicht einsatzbereit sind? Nee, wir kommen so, wie wir es gerade haben. Und das ist unsere Einsatzbereitschaft jetzt.

Watson
Wobei das tatsächlich genau die Frage ist, die in der Truppe immer wieder hochkommt. Ich habe diverse Kameradinnen und Kameraden, die sagen, gerade was die Ausbildung der Ukraine angeht, was ist denn jetzt gerade wichtiger, dass wir die ausbilden? Klar, wir müssen die unterstützen, das sieht auch jeder ein. Auf der anderen Seite stehen die da: „Aber, Mensch, macht uns das immer noch einsatzbereit?“ Also da sind tatsächlich diverse Fragezeichen.

G Breuer
Und diese Fragezeichen verstehe ich auch. Das ist ja auch völlig klar. Die Fragezeichen habe auch ich am Anfang gehabt wie ich natürlich auch. Ich glaube, viele von uns haben die Dauer des Krieges in der Ukraine unterschätzt und viele von uns haben auch die Aufgabe unterschätzt, die da dahintersteckt. Das ist erst langsam in unser Bewusstsein mit hineingekommen und erst so langsam haben wir erfasst, überhaupt, was das eigentlich alles bedeutet. Jetzt wissen wir das ziemlich genau. Jetzt wissen wir, wie wir unterstützen können. Und das ist – Sie haben ja meinen Besuch in der Ukraine mit angesprochen – das ist das, was mir der ukrainische Generalstabschef sehr klar sagte. Er sagte: Das, was wir von euch bekommen, nämlich dass ihr auf der einen Seite Waffen und Material, Ausrüstung liefert, dass ihr auf der anderen Seite die Instandsetzung dafür macht und dass ihr vor allen Dingen auch hingeht und dann anschließend uns dafür ausbildet und nicht nur anschließend, sondern auch zeitgerecht dafür ausbildet, dass wir diese Waffen und dieses Material einsetzen können – dieses Dreierpaket, was ihr uns zur Verfügung stellt, das ist nachhaltig und das hilft uns in diesem Krieg. Und ich glaube, das ist genau das, was wir jetzt tun müssen und was wir auch weiter tun müssen.

Watson
Jetzt sind Sie ja bereits seit über 100 Tagen im Amt und haben sich jetzt so langsam eingearbeitet, würde ich jetzt fast mal ein bisschen salopp sagen wollen. Sie haben ja tatsächlich nicht nur den Besuch in der Ukraine hinter sich gebracht, Sie haben ja auch noch andere Antrittsbesuche. Was haben Sie denn da für Erfahrung mitgenommen? 

G Breuer
Also, ich habe in den ersten Tagen unheimlich viele Begegnungen gehabt, Begegnungen in der Truppe mit Soldatinnen und Soldaten, viele, viele Gespräche dort auch schon geführt. Ich habe Begegnungen mit Politikern gehabt, weil ich mich auch dort als neuer Generalinspekteur vorgestellt habe. Ich habe meine Antrittsbesuche sowohl in den USA als auch in den Niederlanden als auch in Frankreich, in Großbritannien gemacht. Ich war auf der Asienreise des Ministers mit dabei und wir haben uns dann getrennt. Er ist nach Indien und Indonesien weitergereist und ich bin nach Korea weitergereist. Überall dort, wo ich in den internationalen Bereich mit hineingekommen bin, habe ich eine unheimliche Wertschätzung gegenüber deutschen Soldatinnen und Soldaten erlebt. Die Art und Weise, wie wir, egal ob in internationalen Einsätzen, aber auch innerhalb der NATO für Bündnisverteidigung, wie wir zur Verfügung stehen, das, was wir dort machen mit der großen Verlässlichkeit, mit der wir es machen, all das führt dazu, dass wir eine unheimlich große Reputation haben. An der müssen wir immer weiterarbeiten, und deswegen auch genau diese Antrittsbesuche. Was mich in diesen ersten 100 Tagen geprägt hat, war mit Sicherheit auch die Evakuierungsoperation im Sudan, wo ich eben erlebt habe, wie schnell dieser große Apparat Bundeswehr sich auf eine solche Operation fokussieren kann und dann unheimlich zielgerichtet auch die Hilfe zur Verfügung stellt.

Watson
Man selber hat immer das Gefühl, dass die Bundeswehr immer so ein bisschen starr ist. Gerade wenn ich mich so an verschiedene Prozesse oder so erinnere beziehungsweise wenn ich so an die Beschaffung denke, da hat man immer das Gefühl, es dauert und dauert und dauert. Jetzt haben sie bei der Evakuierungsmission im Sudan bewiesen: Wir können anpacken, wir können anpacken als Truppe. Aber auch Sie mussten mit ran. Gerade auch die Überflugrechte organisieren. Und anpacken wollen Sie vor allem auch in der Truppe. Sie wollen vor allem mit den Leuten ins Gespräch kommen. Und das machen Sie mit town halls.

G Breuer
Das ist so ein bisschen etwas, was wir über Jahre hinweg, was ich in verschiedenen Verwendungen auch miterlebt habe, was am Anfang immer ein Fragezeichen bedeutet. Also man kommt zusammen und es kommt ja aus dem Angelsächsischen, wo man sich in der Stadthalle, also beim Bürgermeister oder dem Stadtverordneten, getroffen hat und man steht dann dort, sitzt dort und der Bürgermeister, so war es früher, und in diesem Fall ist es dann der Generalinspekteur, man steht mitten drin. Und dieses Mittendrinstehen, das macht eigentlich das aus. Man ist auf Augenhöhe mit denen, mit denen man spricht. Man hat hinter sich Leute stehen, man hat neben sich Leute stehen, man hat vor sich Leute stehen, man kann nichts hinter dem Rücken verstecken. Ich sage das jetzt etwas schmunzelnd und in Anführungszeichen, sondern man macht deutlich, man ist ehrlich, man ist authentisch, man sagt das, was man wirklich erlebt hat. Und vor allen Dingen kriegt man auch die Fragen daher oder über die Themen, wo es wirklich jetzt gerade brennt und worauf es ankommt. Und in dieses Gespräch mit hineinzukommen, eben nicht nur mit dem Führerkorps – mit dem auch, eben nicht nur mit denen, die schon wer weiß wie lange da sind und dienen –, sondern mit allen Soldatinnen und Soldaten. Das macht eigentlich diesen besonderen Charakter von town halls aus.

Watson
Erleben Sie das denn auch bei diesen town halls, dass dann wirklich auch die brennenden Fragen kommen und ihnen auch mal erzählt wird, wo es knirscht?

G Breuer
Oh ja, das erlebe ich und das ist genau das Richtige, weil nur so kann man überhaupt – weil man ja doch von den Führungsebenen weit weg ist – nur so kann man diesen Originalton mit aufnehmen und kann eben feststellen: Ist die Ausrüstung, die wir jetzt aufwendig beschafft haben, ist MOBASTModulare Ballistische Schutz- und Trageausstattung Soldat jetzt wirklich schon angekommen? Ist es überall da? Wo tauchen die Schwierigkeiten damit auf? Ist es das, was jetzt beschafft worden ist, was auch wirklich hilft? Wie sind die ersten Erfahrungen damit? Bis hin dazu, dass man aus diesen Gesprächen wirklich das lernt, wo es gerade knirscht. Und manchmal sind es, und das fasziniert mich immer wieder, sind es ganz einfache Lösungsmöglichkeiten, die dann aufgezeigt werden und die man dann auch schnell in die Praxis umsetzen kann. Und derjenige, der diesen Vorschlag macht, der ist halt immer wieder an Prozessen, an Verläufen, an Abläufen gescheitert. Und die Möglichkeit, dort zu sprechen und sich darüber auszutauschen, führt dann dazu, dass ich vielleicht an der einen oder anderen Stelle dann eben auch mit unterstützen kann und sagen kann: Auch darüber müssen wir noch mal nachdenken. Also ich nehme aus diesen Gesprächen viel mit. Man beeinflusst in diesen Gesprächen logischerweise auch meine Sichtweise und damit meine Entscheidung. Man beeinflusst aber auch das, was ich dann anschließend hier in Berlin dann darüber erzähle oder wie dann Dinge auch weiterhin vorbereitet werden.

Watson
Jetzt haben Sie es gerade angesprochen mit Vorgängen, Prozessen etc. Also das dauert in der Truppe ja schon, oder zumindest habe ich das Gefühl, ewig lange, bis irgendwie irgendwann mal irgendetwas passiert. Also ich kann Ihnen zum Beispiel sagen, ich habe noch keine MOBASTModulare Ballistische Schutz- und Trageausstattung Soldat-Weste und ich habe von dieser Vollausstattung auch gefühlt bis auf Fotos noch nichts gesehen. Jetzt bin ich vielleicht auch kein Kampftruppensoldat, der es als Erstes kriegen sollte, aber wir haben teilweise manchmal in der Truppe das Gefühl, und das weiß ich auch von Kameradinnen und Kameraden, dass wir zum Beispiel die 100 Milliarden, die uns zugesagt worden ist, eher gerade einsparen als ausgeben.

G Breuer
Ja, da haben Sie mir jetzt ziemlich viele Anknüpfungspunkte geliefert. Ich mache mal den ganz banalen oder den ganz einfachen vorweg. Ich habe im Februar festgestellt, wir brauchen ein neues Auto und bin zum Autohändler gegangen, ein neues Auto ausgesucht und dann sagte mir der Autohändler: Na ja, also das kommt dann wahrscheinlich im November, wahrscheinlich aber auch erst Anfang Januar. Das heißt also, dass, was wir zurzeit in der Bundeswehr haben, erleben wir auch in der Wirtschaft. Lieferketten, also das zusammenzubringen, es ist manchmal schwierig. Ich will das überhaupt nicht wegdiskutieren. Aber wir müssen das auch sehen. Also wenn wir davon hören und sagen, da gibt es doch jetzt etwas „off the shelf“, also etwas, was im Regal liegt und was man einfach dann so nehmen könnte, man muss keine langen Beschaffungsprozesse damit reinbringen, man muss nicht mehr irgendetwas entwickeln, sondern wir können das aus dem Regal rausnehmen. Das trifft manchmal zu, aber ganz häufig bedeutet Marktverfügbarkeit auch eben nur, dass es irgendwo auf dem Markt verfügbar ist und dass es in der Regel produziert werden muss genauso wie mein Auto. Und das führt dann dazu, dass es eben nicht jetzt heute mit da ist. Wenn es dann größere Stückzahlen sind, dann verschiebt sich das immer noch mal wieder. Und Produktionslinien in der Rüstungsindustrie sind halt nicht so, wie sie beim Autobauer da sind, und deswegen kommen manchmal dort eben auch so lange lange Wartezeiten mit rein. Das ist aber nicht alles und das ist auch nicht der wesentliche Punkt, ist auch nicht das, wonach Sie gefragt haben. Wir haben bei uns Prozesse und Verfahren, die wir über Jahre hinweg genutzt haben, um Geld nicht ausgeben zu müssen, weil wir nämlich kein Geld hatten. Und diese Prozesse haben sich verselbstständigt, haben sich ineinandergefressen und haben sich überlagert, sodass wir dort eben nicht mehr schnell sind. Und auf der anderen Seite haben wir viele Soldatinnen und Soldaten, Beamte, zivile Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, die über Jahre hinweg eigentlich immer Dinge kleiner gemacht haben, die Truppenteile aufgelöst haben, die Standorte geschlossen haben, die Dinge effizienter gemacht haben, aber nicht unbedingt effektiv. Und damit haben wir uns ein Instrumentarium angelegt, mit dem wir gut umgehen können. Aber wir können halt eins: Dinge kleiner machen und effizienter machen, aber nicht unbedingt effektiver machen. Und jetzt haben Sie auf der einen Seite diese, ich bezeichne die dann ganz gerne mit dem Schlagwort als Generation Downsizing, also die, die alles herunterfahren können, schließen können. Und auf der anderen Seite haben Sie die Prozesse, wie ich sie beschrieben habe. Und jetzt sagt jemand: Hier hast du 100 Milliarden, mach mal schnell! Dann sieht man schon aus dieser Schilderung, die sicherlich ein bisschen überspitzt ist, aber aus dieser Schilderung heraus sieht man dann schon, das geht gar nicht so einfach. Und das ist so ein Teil dabei. Das haben wir natürlich jetzt hier auch gesehen, das hat Staatssekretär Zimmer gesehen, das hat der Minister gesehen, das hab aber auch ich hier in den ersten Tagen erlebt. Und wir sind jetzt schon hingegangen und haben, Staatssekretär Zimmer und ich, eine Weisung, einen Erlass gemacht, wo wir genau diese Beschaffung auch beschleunigen. Das funktioniert auch und da werden auch Leute wieder ganz anders in die Verantwortung mit hineingenommen und es wird dadurch schneller werden. Nur das merken Sie natürlich jetzt noch nicht, sondern das ist eher etwas, was man in zwei, drei Jahren merken wird. Trotzdem müssen wir das jetzt tun und wir müssen auch danach gucken, dass wir Dinge, die wir jetzt in der Pipeline haben, dass die schnell auch bei den Soldatinnen und Soldaten ankommen. Das heißt also, das, was ich sagen will, Summenstrich drunter: Bitte noch mal ein bisschen Geduld, aber trotzdem die Ungeduld immer bewahren, nachzufragen in town halls, in Gesprächen, in Gesprächen mit Vorgesetzten, immer wieder nachzufragen und zu fordern und zu sagen: Hey, das fehlt uns noch, das brauchen wir jetzt, um unseren Auftrag zu machen.

Watson
Gerade weil Sie es jetzt mal mit den town halls angesprochen haben, also die Fragen und Probleme, die Sie da zu hören kriegen, die nehmen Sie doch sicherlich auch mit nach Berlin, oder? Ich meine, Sie sitzen ja im Verteidigungsausschuss.

G Breuer
Ja, also ich nehme das natürlich mit nach Berlin, ein jeder Punkt, der mir genannt wird, um den dann hier auch noch mal bewerten zu lassen und zu gucken, kriegen wir da eine schnelle Lösung hin? Finden wir eine Lösungsmöglichkeit? Ist ein grundsätzliches Problem dahinter? Kann man vielleicht in diesem Einzelfall helfen? Das machen wir dann schon hier aus dem Ministerium heraus, eine solche Bewertung. Wichtig ist aber, dass die Punkte, die man dort bei den town halls, aber auch bei den Truppenbesuchen, die man aufnimmt, dass die für mich zu einem Lagebild beitragen und dass ich dieses Lagebild dann hier mitnehmen kann. Einmal für die Entscheidungen, die hier gefällt werden müssen, aber vor allen Dingen auch um ein Bild – Sie haben gerade den Verteidigungsausschuss mit angesprochen – ein Bild auch bei den Politikerinnen und Politikern setzen, die über unsere Einsätze entscheiden, die darüber entscheiden, welche finanzielle Ausstattung wir bekommen, die über Strukturen bei uns mitentscheiden. Das eben mit hineinzunehmen und dort auch die Sichtweise der Truppe, sicherlich immer dann auch bewertet, aber die Sichtweise der Truppe mit hineinzunehmen. Und das ist manchmal ganz interessant, wenn wir, und da will ich gar nicht sagen, auf der einen Seite, auf der anderen Seite, aber wenn wir Truppensicht und politische Sicht dann zusammenbringen und darüber diskutieren. Insofern ist das für mich unverzichtbar, dass ich genau diese Punkte auch bei den Dienstaufsichten immer so mitaufnehmen kann, egal, ob im Inland oder im Ausland bei den Einsätzen.

Watson
Bleiben wir doch jetzt noch mal auf der politischen Ebene. Verteidigungsminister Pistorius hat eine ständige Brigade in Litauen zugesagt und meine Erfahrungen aus der Truppe sind, dass sich die Kameradinnen und Kameraden fragen, wie wir das überhaupt leisten sollen. Zu teilen kann ich das sehr verstehen, weil das eine Frage ist, die ich mir selber stelle. Und vor allem sollten wir auch mal darüber reden: Finden sich denn überhaupt 4.000 Freiwillige für so eine Brigade?

G Breuer
Also die Frage höre ich natürlich immer wieder. Habe ich auch in den ersten Tagen hier gehört, nachdem Minister Pistorius diese Entscheidung getroffen hat. Auch so die Frage danach: Glauben Sie wirklich, dass die Leute sich da hinstationieren lassen? Und ich stelle dann meistens die Frage dagegen. Wir müssen es erreichen, dass die Leute anschließend fragen werden: Warum soll ich eigentlich wieder nach Deutschland zurückgehen? Und um das zu machen, müssen wir verschiedene Dinge hier zusammenbringen. Und auch das war sehr, sehr klar, auch in den Gesprächen mit den Litauern, dass bei dem, was jetzt als Rahmenbedingungen für diese Brigade geschaffen werden soll, dass diese Rahmenbedingungen eben nicht nur militärische Rahmenbedingungen sind, also nicht nur militärische Infrastruktur wie Übungsplatz und Ausbildungsmöglichkeiten, nicht nur militärische Unterkünfte, Abstellflächen, Tanklager, Munitionsdepots und so weiter; dass das nicht nur das geschaffen wird, sondern dass auch für die Familien, für die Familienangehörigen, die dann mitgehen, auch genau dieser Rahmen so geschaffen wird, wie wir das vielleicht bei den Amerikanern gesehen haben, die in Deutschland stationiert waren. Also wir müssen darauf gucken, dass Kindergartenplätze da sind. Wir müssen gucken, dass Schulen da sind, dass auch Einkaufsmöglichkeiten vorhanden sind, dass Pendelmöglichkeiten mit da sind. Wir müssen sehen, dass man in der Gemeinde oder in der Stadt wohnen kann, aber gleichzeitig auch Wohnmöglichkeiten auch für Familien so vorhanden sind, dass man, die Amerikaner würden sagen, „on post“ leben kann, also dass man in der militärischen Umgebung dann eben auch sein kann. Und all das gilt es jetzt zu untersuchen. All das muss jetzt zusammengebracht werden, muss dann auch mit den Litauern besprochen werden, die sehr umfangreich gesagt haben, dass sie uns da unterstützen wollen, sie waren schon sehr, sehr froh darüber, dass dieses Zeichen auch durch den Minister somit gesetzt worden ist. Für die Litauer ist es eine Rückversicherung und es ist eine Rückversicherung, so wie wir das erlebt haben in den Zeiten des Kalten Krieges, als wir die Amerikaner, wir können aber auch alle Alliierten mit ansprechen, als wir die Alliierten hier in Deutschland hatten. Genau das Gleiche empfinden gerade eben die Litauer und das ist mir sehr deutlich geworden. Jetzt Rahmenbedingungen schaffen und wenn ich bei den town halls, da sind wir wieder, wenn ich bei den town halls da jetzt in den letzten Wochen seit der Entscheidung mal gefragt habe: Wer wird denn mitgehen? Dann ist das, und ich weiß, das ist nur, wie nennt man das, anekdotische Evidenz. Also es ist sicherlich nur mal ein Spotlight, eine Kurzabfrage, aber wenn ich da frage, wer kommt mit? Dann melden sich so rund ein Drittel der Soldatinnen und Soldaten. Und das finde ich schon ziemlich beeindruckend. Also ich glaube schon, dass, wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, wir es dann auch schaffen werden, diese Brigade dort somit aufzustellen. Und am Ende wird sich dann wahrscheinlich doch die Frage stellen: Warum soll ich eigentlich wieder hier weggehen? Denn Litauen ist schon ziemlich schön.

Watson
Das klingt tatsächlich, als würden wir die 4.000 finden.

G Breuer
Also ich denke auch. Und noch mal: So, wie ich das in den Gesprächen jetzt erlebt habe, sicherlich nur ausschnittsweise, habe ich auch das Gefühl, dass uns das gelingen wird.

Watson
Ich bin ehrlich, ich tue mich bis heute so ein bisschen schwer, so einfach von der Einsatzarmee, also die, die ich kennengelernt habe, so einfach umzustellen auf Landes- und Bündnisverteidigungsarmee. Wenn ich an Einsätze denke, habe ich immer noch Wüste im Kopf und eben nicht Slowakei, Litauen etc. Und Sie haben aber gerade gesagt, im Schwerpunkt müssen wir beides können. Die Frage, die sich mir stellt und sicherlich nicht nur mir, sondern auch vielen Kameradinnen und Kameraden ist: Sind wir überhaupt noch darauf eingestellt? Und haben wir als Bundeswehr überhaupt noch Begriffe wie Kämpfen im Kopf?

G Breuer
Jetzt habe ich ja die Gnade der frühen Geburt oder wie auch immer Sie das sagen. Ich bin halt ein paar Jahre älter und habe durchaus einen Wechsel erlebt, der nach dem Kalten Krieg dazu geführt hat, dass die Bundeswehr in Einsätze gegangen ist. Egal, ob auf dem Balkan, Jugoslawien, Ex-Jugoslawien oder dann auch Afghanistan oder dann Mali und all die anderen Einsätze, die dann mit dazugekommen sind. Damals habe ich das ähnlich erlebt, wie Sie es jetzt gerade beschrieben haben, nämlich dass man von einer Ausbildung oder von dem, wofür man trainiert war, wofür man ausgebildet war, was man auch im Kopf hatte, dass man plötzlich in eine ganz andere Welt hineingegangen ist. Und diese ganz andere Welt war dann eben Krisenreaktionskräfte, die ganz andere Welt waren dann eben die Kräfte, die in die Einsätze mit hinein gegangen sind mit all dem, was dazu gehörte, eine andere Ausbildung, aber vor allen Dingen auch mit dem gedanklichen Einlassen darauf. Und dieses gedankliche Einlassen, das müssen wir auch jetzt wieder machen. Also wir müssen einen change of mindset, wir müssen einen Mindset-Wechsel, wir müssen einen Gedankenwechsel haben. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir, nachdem wir jetzt über Jahre hinweg internationales Krisenmanagement gemacht haben, auch wieder Landesverteidigung und Bündnisverteidigung können müssen. Und diesen change of mindset, diesen Mindset-Wechsel, den müssen wir in unsere Köpfe mit hineinbekommen. Und wenn wir über Zeitenwende im Moment viel sprechen, dann ist die Zeitenwende in der Bundeswehr genau dieser change of mindset. Das muss uns gelingen, damit wir alle darauf eingestellt sind, dann auch anschließend gewinnen zu wollen, wie wir es vorhin einmal gesagt haben. Weil wir einfach gewinnen müssen. Weil einfach die Lage uns in einen Rahmen stellt, wo wir das wieder können müssen, auch hier in Europa und hier bei uns. Und wenn man dann schaut, dann haben wir natürlich über Jahre hinweg in Afghanistan gefallene Soldaten zu beklagen gehabt. Wir haben gekämpft dort. Kampf ist wieder zu einem Begriff dort geworden. Das hat mit uns als Soldaten, aber auch mit der Organisation Bundeswehr unheimlich viel gemacht. Und ich glaube, vor einem ähnlichen Wechsel stehen wir jetzt auch wieder. Und noch mal: Dieses muss in unsere Köpfe mit hineinkommen und das müssen wir versuchen, auch mit umzusetzen. Das muss jeder machen, das muss ich machen und ich wahrscheinlich zuallererst. Aber es muss auch jeder Soldat, jede Soldatin machen. Und dass die Bereitschaft dazu da ist, das merke ich in vielen Gesprächen und das kriegen wir gemeinsam hin. Und ich bin überzeugt davon, dass wir uns in ein paar Jahren über einen Unterschied oder den Übergang von dem einen in das andere, also vom internationalen Krisenmanagement in Landes- und Bündnisverteidigung als enen 180-Grad-Wechsel, dass wir uns darüber gar keine Gedanken mehr machen werden, sondern es wird ineinanderlaufen. Wir werden Synergien sehen, wir werden sehen, wie es zusammenpasst. Und wir werden am Ende beides können, weil wir es können müssen.

Watson
Wir haben es schon eine ganze Weile über das Mindset geredet. Jetzt würde ich gerne noch mal ein bisschen konkreter werden. Welche Eigenschaften kommen Ihnen in den Kopf? Bzw. an welche Eigenschaften denken Sie, die in unsere Köpfe reinmüssen? Gerade auch wenn wir darüber reden, dass wir gewinnen wollen, weil wir gewinnen müssen? Ich würde es gerne noch mal ein bisschen konkreter angehen.

G Breuer
Das, worauf wir auf jeden Fall schauen müssen, ist, dass Verantwortung wieder dort wahrgenommen wird, wo sie wahrgenommen werden kann. Und das heißt für mich sehr viel deutlicher auf allen Ebenen, auf unteren Ebenen, also wo immer eine Entscheidung gemacht werden kann, soll sie auch geführt werden und dieses, dieses Hochgeben, dieses Hochdelegieren und immer wieder zu sagen: Nee, das ist ja ein Übergreifender. Und diese Entscheidung muss da getroffen werden. Nein, ich glaube, wir werden nur dann flexibel, wir werden nur dann schnell und wir werden nur dann zielorientiert sein mit Blick auf Landesverteidigung, Bündnisverteidigung, wenn wir die Entscheidungen wieder dahin bringen, wo sie auch wirklich getroffen werden können. Das ist die Ebene der Kompaniechefs, das ist in weiten Teilen aber auch schon die Ebene der Zugführer, das ist die Ebene der Bataillonskommandeure. Es muss wieder möglich werden, dass Entscheidungen dort getroffen werden, weil meine Erfahrung ist, dass mir fast jeder sagt: Ja, ich will ja entscheiden. Und genau das ist jetzt ein Ziel, was wir hinkriegen müssen, auch das ist ein Kulturwandel. Auch das ist ein change of mindset. Und ich hoffe, dass wir das hinbekommen werden. Und wir müssen darauf gucken, dass wir uns gegenseitig immer wieder in die Pflicht nehmen, dass wir also den Finger in die Wunde legen, wenn Dinge nicht funktionieren, dass wir dann sagen: Okay, das funktioniert nicht. Und das müssen wir jetzt ändern, weil bei dieser gesamten Verwobenheit in unserer Organisation, und mir fällt der Begriff Prozess da wieder dazu ein, bei dieser Verwobenheit auch von Prozessen kann man eben nicht so einen einfachen Top-down-Approach machen, wo man sagt, ganz oben sagt so, und das müssen wir jetzt ändern, weil man gar nicht weiß, wie sich das über die Ebenen auswirken wird und was dann letztendlich ganz unten passieren wird oder ganz vorne passieren wird. Je nachdem, ob man hinten, vorne, oben, unten denkt. Und das zusammenzubringen, dazu wieder in der Lage zu sein, das kann man nur machen, wenn jeder dort mitmacht. Und wenn jeder an seiner Stelle dann auch sagt: Ich habe hier eine Verantwortung. Und das ist mir auch noch mal wichtig dabei, dass wir vielleicht aufhören, über Zuständigkeiten zu reden, denn Zuständigkeiten bleiben irgendwo liegen und ich bin nicht zuständig, kann man immer ganz leicht sagen. Habe ich aber eine Verantwortung, und ich nehme diese Verantwortung und gebe sie Ihnen, dann nehmen Sie sie oder Sie nehmen sie nicht. Wenn Sie sie nicht nehmen, habe ich sie weiterhin. Da bleibt also nicht irgendetwas liegen und es fällt nichts, nicht irgendetwas zwischen die Stühle, sondern es ist immer in guten Händen. Das ist so ein bisschen, dass, wenn ich es konkreter machen soll, das ist das, was ich auch bei town halls gerne und immer wieder sage und worüber wir dann auch immer wieder in die Diskussion kommen.

Watson
Wieder mehr Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen, das haben Sie ja gerade so angesprochen. Das könnte in der Truppe vor allem dazu führen, dass sich wieder so ein gewisser Wille zum Kampf entwickelt. Oder besser gesagt: Wir das Mindset der Kriegstüchtigkeit entwickeln.

G Breuer
Ja, absolut. Ich würde vielleicht einen Gedanken noch mit hineinwerfen wollen: Wir haben früher immer gesagt: Mensch, wenn mir ein Vorgesetzter einen Auftrag gibt, dann ist er auch verpflichtet dazu, mir die Mittel dafür zur Verfügung zu stellen. Das werden wir jetzt über eine ganz schön lange Zeit so nicht mehr gewährleisten können. Und wenn ich vorhin gesagt habe, wir gehen dann in einen Einsatz so, wie wir sind, dann gilt das genau auch dafür. Wir haben vielleicht an der Stelle noch nicht die Ausstattung, müssen aber trotzdem schon bereit sein, dann auch mit dem, was wir haben, in einen Einsatz zu gehen. Das wird uns prägen jetzt über die nächste Zeit. Es ist Licht am Ende des Tunnels. Wir sehen, dass sich da etwas verändert, aber das wird eben nicht erst morgen passieren. Trotzdem müssen wir jetzt in den Mindset-Wechsel kommen. Damit können wir uns nicht lange Zeit lassen. Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen gewinnen wollen, weil wir es einfach müssen. Und das habe ich auch in meinen ersten Tagen gemerkt. Das kann ich nicht alleine. Dafür brauche ich Sie alle. Und ich glaube, gemeinsam kriegen wir das hin.

Watson
Ich glaube, da müssen Sie auch gar nicht alleine stehen. Damit haben Sie es geschafft, Herr General. Und wir sind am Ende von unserem Podcast angekommen. Danke, dass Sie sich den Fragen vor allem so offen gestellt haben und danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Und jetzt kann ich schon mal verkünden, Sie sind gar nicht zum letzten Mal in einem unserer Formate zu hören.

G Breuer
Ja, genau, da hatten wir ja schon drüber gesprochen. Mich würde das freuen, wenn wir auch hierüber weiter in Verbindung bleiben würden, wenn wir Fragen mit aufnehmen könnten, wenn wir Fragen dann auch hier diskutieren können. Ich denke, dass das ein Mittel ist, sodass wir wirklich ins Gespräch kommen und im Gespräch bleiben.

Watson
Und im Gespräch bleiben wollen Sie vor allem mit unseren Zuhörerinnen und Zuhörern. Denn genau da wollen Sie die Fragen auch herbekommen. Und das könnte zum Beispiel funktionieren über den BwMessenger. Da können Sprachnachrichten oder generell Nachrichten eingereicht werden, über Ynside, über die Kommentare oder über die Kommentarfunktion auf Youtube. Und dann kommen genau diese Fragen entweder von Soldatinnen und Soldaten oder aber auch von unseren anderen Zuhörerinnen und Zuhörern in den nächsten Folgen unter und da werden Sie sich den Fragen dann stellen.

G Breuer
Ja, genau. Lassen Sie uns einfach mal ein bisschen was Neues probieren und genau diese Fragen, die dann kommen, können wir wahrscheinlich ein bisschen zusammenfassen und ein bisschen draufschauen. Und ich denke, dass wir die dann auch als Grundlage nehmen können für einen nächsten Podcast und darauf würde ich mich freuen.

Watson
Mir bleibt jetzt nur noch zu sagen: Vielen, vielen Dank fürs Einschalten und gerne bis zum nächsten Mal. Ich bin Hauptmann Janet Watson und ich melde mich ab aus dem Funkkreis.