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Sprecher: Oberleutnant Patrick Enssle (PE), Alex – Sportwissenschaftler, Jonathan – leitet eine Grundausbildung, Detlef – Sportausbilder und seit mehr als 40 Jahren bei der Bundeswehr

INTRO  

Soldatin 1: Es war sehr, sehr anstrengend.

Soldat 2: Zähne zusammenbeißen, wenn man noch lächeln kann, dann kann man auch laufen.

Soldatin 3: Als die Kameradin nicht mehr konnte, war das eine Pflicht, ihr zu helfen, zu gucken, dass wir ihr den Rucksack abnehmen, dass wir alle zusammenhalten.

Ausbilder: Einfach mal Zähne zusammenbeißen und kämpfen.

Soldatin 1: Der Rücken tut schon ordentlich weh. 

Ausbilder: Einfach weiterlaufen. Denken Sie über was anderes nach.

Ausbilder: Alle Blicke in die Mitte. So, wir haben unser Ziel erreicht. Bin stolz auf sie, sie haben alle durchgehalten, sie haben gekämpft. Auch das heißt es, Soldat zu sein.

Soldatin 1: Ich bin fertig für heute.


Delta to all. Radiocheck. Over.
Hier ist Bravo. Kommen.
This is Tango. Over.
Funkkreis – Podcast der Bundeswehr.
 

PE: Was wir gerade gehört haben, waren Impressionen aus der allgemeinen Grundausbildung. Ich denke, die Stimmen der jungen Rekrutinnen und Rekruten zeigen deutlich, dass der Soldatenberuf körperlich anstrengend ist und einer gewissen Grundfitness bedarf, die nicht nur in den ersten Monaten, sondern über die gesamte Zeit in der Bundeswehr erhalten werden sollte. Doch was heißt Grundfitness genau? Wie fit muss ein Soldat oder eine Soldatin heute sein? Um dieser Frage nachzugehen, habe ich mir drei Experten aus dem Bereich Sport bzw. der Sportwissenschaften ins Studio eingeladen. Und damit sind wir in einer neuen Ausgabe des Funkkreis-Podcasts. Ich bin Oberleutnant Patrick Enssle aus der Redaktion der Bundeswehr. Alex, Detlef und Jonathan, zusammen kommt ihr auf beeindruckende 61 Jahre Sporterfahrung. Schön, dass ihr hier seid.

Alle: Hallo. Hallo zusammen. Moin. Moin,

PE: Jonathan, du bist Oberbootsmann, warst über ein Jahrzehnt Spitzensportler in der Bundeswehr im Bereich Beachvolleyball und bist heute Ausbilder in der Grundausbildung. Du hast eine wirklich beeindruckende Karriere hinter dir. Du bist deutscher Meister geworden, WM-Dritter und Olympia-Neunter. Und jetzt die Frage an dich als Experten: Wie fit sollen denn die jungen Männer und Frauen sein, die zu dir in die Grundausbildung kommen?

Jonathan: Wir freuen uns immer sehr im Bereich der Grundausbildung, wenn die jungen Menschen auf jeden Fall motiviert zu uns auf den Hof kommen. Die meisten beschäftigen sich tatsächlich auch okay. Wenn ich mich für den Beruf des Soldatenlebens entscheide und mich das interessiert, was muss ich da eigentlich mitbringen? Und das ist ein sehr vielfältiger Beruf, sehr vielschichtig, da auf jeden Fall eine gute Grundlage im Bereich Sport, nenne ich es jetzt erst mal allgemein. Erst mal ein guter allgemeiner Fitnesszustand wäre wünschenswert. Ja, dass man über gewisse Strecken laufen kann, dass man eine gewisse Grundspannung hat. Ein Körpergefühl ist auf jeden Fall auch sehr, sehr hilfreich. Von daher für jeden, den das interessiert, mit ein bisschen Vorlauf bei uns dann in die Grundausbildung mit einzusteigen, macht auf jeden Fall Sinn. Wenn dem aber vielleicht noch nicht so ist, ist das auch kein Problem. Deswegen sage ich: Wir brauchen motivierte junge Leute und den Rest kriegen wir vor Ort auch noch hin.

PE: Die Grundausbildung dauert ja in der Regel drei Monate. Wie macht ihr jetzt die jungen Rekrutinnen und Rekruten fit?

Jonathan: Ja, das ist natürlich ein längerer Prozess. Wir haben in dem Sinne die drei Monate Zeit. Da fangen wir immer mit den Basics an, also mit der Basis. Da geht das los, dass wir viele Laufeinheiten haben. Es wird die Schwimmfähigkeit abgeleistet, das heißt, da schauen wir, wie schnell sind die Kameraden im Wasser? Innerhalb von sieben Minuten werden dann zum Beispiel 200 Meter geschwommen. Das wird geprüft. Dann den Basis-Fitness-Test, der ist auch immer am Anfang einer Grundausbildung und auch am Ende und da werden grundlegende Übungen dann abverlangt. Auch das kann man alles schon einsehen, sodass es da dann keine Überraschungen gibt, was auf einen zukommt. Und dann steigert sich das Ganze, weil die Soldaten müssen marschieren können. Man muss mit einem gewissen Gewicht und Gepäck umgehen können, was man mit sich trägt, das Material, was man braucht für den täglichen Dienst. Und dann steigert sich das Ganze. Dann gehört dazu viel Körperspannungsübungen am Anfang mit eigenem Körpergewicht und dann wird das sukzessive aufgebaut, dass man halt auch dann Gewichte mit dazu nimmt, dann ja militärische Bewegungsformen. Wenn ich da zum Beispiel ans Gleiten denke, das ist die tiefste Gangart, das ist auch koordinativ sehr anspruchsvoll. Wie bewege ich mich möglichst flach durchs Gelände? Auch das wird geschult. Ja, und so ist das. Wie gesagt, ein großes Potpourri an Dingen, die wir vermitteln in der Grundausbildung. Und das wird auf jeden Fall auch nicht langweilig und da ist in dem Sinne auch keine Grenze gesetzt. Also wir versuchen immer, jeden Einzelnen abzuholen, weil ja auch jeder mit nem unterschiedlichen Startpunkt kommt. Jeder hat einen unterschiedlichen Fitnesszustand und da hat man dann teilweise schon sehr fitte Rekruten und Rekrutinnen, aber tatsächlich auch welche, die noch viel Potenzial haben, sage ich mal, und da versuchen wir dann auch, für jeden den einzelnen individuellen Weg aufzuzeigen, damit wir eben alle richtig belasten.

PE: Jonathan, ich muss an meine Zeit in der Grundausbildung denken. Wie rau ist denn der Ton heute?

Jonathan: Ja, tatsächlich gibt es das auch. Da fällt mir direkt der Frühsport ein. Das ist ja nicht für alle so unbedingt normal, dass es relativ erst mal früh rausgeht aus den Federn. Und das ist dann auch direkt mit Sport los geht. Da ist der ein oder andere vielleicht noch ein bisschen verschlafen, hat noch das Kopfkissen so ein bisschen im Gesicht und da kann es ja auch schon mal lauter werden, wenn man das Gefühl hat, auch die sind noch nicht so richtig wach und da muss ich noch mal extra ein bisschen motivieren. Aber tatsächlich ist das Schöne: Wenn man dann 30 Minuten am Morgen schon mal Sport gemacht hat, sind auf jeden Fall alle wach und am Ende macht es den meisten auch noch Spaß und dann gehen sie hoch, bevor es dann zu den nächsten Aufträgen geht und sagen: Mensch, das war doch eine runde Geschichte. Ich habe schon mal ein bisschen geschwitzt und mein Ruhepuls ist jetzt etwas höher und jetzt bin ich auch einsatzfähig für den Tag.

PE: Ich glaube, ich muss da zugeben, ich bin da auch eher von der Fraktion Kopfkissen im Gesicht (lacht). Schauen wir mal auf den Zeitraum von drei Monaten. Sieht man denn da einen gewissen körperlichen Fortschritt?

Jonathan: Auf jeden Fall. Also die Entwicklung ist in Teilen schon sehr, sehr schnell auch zu sehen. Je nachdem, was sie auch für ein Vorlauf haben, was Sie schon an Sport gemacht haben, sind sie dann auch schneller aufnahmefähig für zum Beispiel neue Bewegungen erlernen. Das ist in Teilen sehr, sehr aufwendig, braucht teilweise länger, aber man hat schon nach den ersten Wochen sieht das schon deutlich besser aus. Wenn Sie zum Beispiel marschieren von A nach B auf dem Kasernengelände, sind die deutlich gerader. Auch bei den Laufeinheiten geht das relativ zügig. Da fängt man zum Beispiel an eine Dreiviertelstunde erst mal einen ruhigen Dauerlauf, da sind in Teilen dann ja die jungen Menschen dann auch schon deutlich gefordert. Aber wenn man halt in der Regelmäßigkeit ansetzt, dann wird das sehr schnell besser.

PE: Gibt es da eine Geschichte, an die du dich heute noch erinnern kannst, die dir so nachhaltig im Kopf geblieben ist?

Jonathan: Ja, dadurch, dass 60 bis 80 Leute immer pro Durchgang bei uns auf dem Hof haben, hat man die dann alle so im Blick. Und ein junger Mann hat mich sehr überrascht. Da muss man sich jetzt vorstellen, der war sehr groß, schlaksig, also hatte auch wenig Muskelspannung schon im Körper, auch alleine, wenn er schon gegangen ist, hast du gedacht, hoffentlich tut er sich nichts nur beim Gehen, weil das sah wirklich unrund aus. Und dann aber halt mit dem regelmäßigen Frühsport, mit den einzelnen Sporteinheiten hat er sich so toll entwickelt und man muss halt auch dazu sagen, der war sehr plietsch, sagt man bei uns im Norden, der war wirklich schlau und er hatte trotz allem gutes Körpergefühl. Er wusste zwar nicht wie, aber durch die Handlungsanweisung, dass man gesagt hat, jetzt achten Sie mal darauf, achten Sie mal darauf, hat er das direkt umgesetzt. Das ist auch eine Gabe, das hat man selten. Und dadurch hat er so extrem schnell gelernt in diesen drei Monaten. Es hat einfach nur Spaß gemacht, zuzuschauen. Und ich bin echt zu den Sportunterrichtungen gegangen und hab gedacht, Mensch, ich bin wirklich, ich freue mich drauf und lass mich überraschen, wie er mich heute wieder abholt und wie jetzt der weitere Werdegang ist. Und da ist es dann natürlich schade. Nach den drei Monaten schickt man die jungen Menschen ja los in die jeweiligen Verwendungen und Aufgabenbereiche und ich würde mich sehr freuen, wenn man sich dann da mal wiedersieht, um dann halt auch wieder zu sehen, wo es mit dem hingegangen ist. Also das motiviert dann auch immer wieder, dann so tolle Einzelbeispiele dann auch miterleben zu dürfen und da halt auch ein prägender Faktor in der Zeit zu sein.

PE: Ja, super spannende Geschichte und das noch von einem Spitzensportler zu hören. Mit mir im Studio ist Alex, er ist Major und studierter Sportwissenschaftler und aktuell in der Gruppe Weiterentwicklung im Dezernat Sport, also dem Team, dessen Hauptaufgabe es ist zu schauen, wie man die Truppe fit hält. Ja, Alex, und wie macht ihr das?

Alex: Ja, da gibt es natürlich verschiedene Möglichkeiten, verschiedene Herangehensweisen. Wir befassen uns zum einen mit der Ausbildung unseres Sportfachpersonals. Wir haben sowohl hauptamtliches als auch nebenamtlich eingesetztes Sportfachpersonal. Hier schauen wir immer, dass wir up to date sind. Die Ausbildung an die aktuellen Gegebenheiten neue Trends anpassen, trainingswissenschaftliche Hintergründe auch beachten und das Ganze natürlich immer gezielt auf den Soldatenberuf angepasst, im Endeffekt vermittelt.

PE: Du sprichst es gerade an: In der Bundeswehr gibt es ein ganz breites Spektrum an Tätigkeiten. Lassen sich diese überhaupt an die bestimmten Berufsgruppen anpassen?

Alex: Das ist natürlich die Besonderheit bei unserem Arbeitgeber. Also du hast es schon angesprochen, wir haben sehr, sehr viele verschiedene Berufsbilder und wir versuchen natürlich überall das Bestmögliche auch in der Ausbildung herauszuholen aus den betreffenden Soldatinnen und Soldaten und gezielt auch auf die Bedürfnisse einzugehen. Das machen wir zum einen mit materiellen Ausstattungen, das machen wir aber auch ganz gezielt in der Ausbildung. Also wenn wir uns beispielsweise die Spezialkräfte anschauen, nennen wir mal das KSKKommando Spezialkräfte in Calw, die haben natürlich eine ganz andere Sportinfrastruktur auch, die angepasst an die Bedürfnisse dort steht, und auch noch mal hauptamtliches Sportfachpersonal, was sich gezielt mit den Bewegungsformen dieser Spezialkräfte auseinandersetzt und hier Trainingspläne entwickelt, um die wirklich auch zu Höchstleistungen zu bringen.

PE: Alex, du bist jetzt in der Gruppe Weiterentwicklung. Ihr steht auch in ganz engem Kontakt mit den Universitäten der Bundeswehr, dort mit den Sportwissenschaften. Wohin geht denn der aktuelle Trend?

Alex: Ja, der Trend geht ganz klar in die Richtung, dass wir wieder eine stärkere militärische Prägung auch in unserem Ausbildungsgebiet sehen möchten. Will sagen, wir müssen unsere Soldatinnen und Soldaten wieder fitter machen in Bezug auf eine Einsatzfähigkeit. Das heißt, wir müssen über die Altersbänder hinwegschauen und hier auch zusehen, dass wir sowohl die Jüngeren, wie wir gerade schon von Jonathan gehört haben, in der Grundausbildung abholen und sie dann aber ihr gesamtes Berufsleben lang in dem Soldatenberuf fit halten. Wir sprechen hier auch von einem, von einem Erhalt, Steigerung und auch einer eventuellen Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Denn wer die Uniform trägt, der muss auch fit sein.

PE: Neben mir sitzt ein Zeitzeuge, und zwar der Detlef. Er ist Oberstabsfeldwebel, 61 Jahre alt. Auf Platz 127 der Functional-Fitness-Tabelle weltweit. Ja, und zwar Detlef jetzt die Frage an dich: Wie war es damals in der Bundeswehr im Jahr 1981? Wie habt ihr da Sport gemacht?

Detlef: Also wie gesagt, ich bin am 1. April 1981 zur Bundeswehr gekommen, damals nach Veichtshöchheim. Da war noch der Kalte Krieg Hochphase. Da hatten wir fünfmal die Woche Sport. Das war angesagt bei uns, das heißt zweimal in der Woche Sportausbildung, bestehend meistens aus Fußballspielen. Damals konnte noch alle Fußballspielen, heute kann ja kein Mensch mehr mit dem Ball umgehen. Und dreimal in der Woche, da laufen meisten früh oder dann spätestens nachmittags um 15 Uhr, wie die Wetterbedingung ist. Da war noch der Pendellauf und dann Medizinball werfen, Stand-Weitsprung und dann Pendellauf mit Seilen, die man in so ein Ding werfen musste. Und dann den 3.000-Meter-Lauf, glaube ich, war es oder waren es 2.000, kann ich nicht mehr genau sagen. Und dann natürlich damals das deutsche Sportabzeichen. Das musste auch jeder machen, weil das Ziel war ja am Ende des Jahres, dann Leistungsabzeichen zu erreichen. Das hast du damals nur machen können, wenn du das alles gehabt hattest, mit Schießen. Das heißt also, du musstest zwei Wertungsübungen von deiner Stan-Waffe haben, eine Wertungsübung von einer Nicht-Stan-Waffe.

PE: Also für unsere Hörerinnen und Hörer zur Erklärung: Stan-Waffe steht für Standard-Waffe. Ja, ein paar Begriffe sind mir jetzt auch noch geläufig. Da hat sich also einiges bewährt. Alex, wie sieht es denn aus?

Alex: Ganz genau. Also gerade, wenn wir uns die Testverfahren einmal anschauen: Der Physical Fitness Test, PFT, wurde dann jedoch im Rahmen der Forschung, Weiterentwicklung unter trainingswissenschaftlichen Bedingungen neu ausgelegt und heißt heute Basis-Fitness-Test. Das sind die absoluten Basics, die jeder Soldat, jede Soldatin beherrschen muss. Und erst die Funktionsfitness geht dann wirklich in die Fachrichtung Spezialkräfte, seegehende Einheiten, also unsere Fregatten in der Marine, die haben natürlich andere Herausforderungen, andere Anforderungen auch an den Beruf. Und dort spezialisieren wir uns dann erst in der dritten Stufe.

PE: Sport ist also ein elementarer Teil des Soldatenberufs und wir tun ihn ja auch während der Dienstzeit. Alex, wie viel Zeit dürfen wir uns dem Sport jede Woche widmen?

Alex: Also wir haben das auf 180 Minuten festgesetzt. Diese 180 Minuten sind auch in unserer aktuellen Regelung so festgehalten. Wir empfehlen, eine Einheit 90 Minuten und zwei Einheiten mit jeweils 45 Minuten durchzuführen. Wir sagen, es ist immer gut, wenn der Soldat, die Soldatin mindestens dreimal die Woche richtig ins Schwitzen kommt.

PE: Blick zu Detlef, war die alte Schule jetzt besser als heute? 

Detlef: Das möchte ich nicht so sagen. Sie war anders, sagen wir mal ganz anders, weil die Voraussetzungen ja anders waren. Wir hatten den Kalten Krieg, den sahen wir, den wahren Feind, der da drüben gesessen hat. Wo man heute sagt, das war er eigentlich gar nicht. Die wollten das genauso wenig wie wir auch. Aber das war halt so, die ganzen Übungen, die ganzen Ausbildungen haben sich ja alles darauf hin gerichtet und wir waren ja, durch dass ich in Würzburg stationiert war, auch ganz nah an der Grenze auch dran nach Thüringen. Und ich sag, wir mussten auch viel marschieren, also mindestens einmal im Quartal, und dann waren ja die Marschstrecken noch ein bisschen anders wie heute. Und wenn ich das Leistungszeichen in Gold haben wollte, musste ich eben 30 Kilometer laufen, in sechs Stunden mit zehn Kilo Gepäck. Das möchte ich heute mit den jungen Buben nicht mehr durchführen, weil ich schätz mal, nach 15 Kilometer werden dann einige schon sterbend am Straßenrand sitzen und rufen: Ich brauch jetzt einen Sanitäter. Aber die Sache ist halt anders. Wir wurden auch körperlich gefordert. Früher waren die vielleicht auch die Leute körperlich mehr ausgelastet durch die Schule, in der Schule hat mehr Sport gehabt, es konnte jeder Fußballspielen. Also was ist Sommer? Fußballplatz. Hast du einen Ball drauf geschmissen, sind alle losgerannt. Es war ein ganz anderes System, finde ich auch. Das hat sich dann natürlich geändert, nachdem die Wende gekommen ist. Dann ist das alles ein bisschen eingeschlafen. Ich bin dann auch versetzt worden, war dann noch mal bei den Fallschirmjägern, da sieht es auch wieder wieder anders aus. Die haben dann jeden Tag Sport gemacht, mindestens zweimal. Weil wenn du einen Springerschein, willst du dein Geld behalten, als tust du die körperliche Fitness automatisch schon nach oben setzen, nach oben treiben.

PE: Fallschirmspringerschein, ne ...

Detlef: Den Springer, den habe ich dann auch gehabt. Dann bin ich wieder versetzt worden in die Gebirgstruppe. Da ist natürlich, die Struktur bei uns war, ich war dann Spieß in einer Einsatzkompanie, natürlich anders. Berge, du hast ja Heeresbergführer dabei teilweise. Also sind wir mindestens im Sommer zweimal in die Berge gegangen. Und dann bist du halt früh um 6 Uhr aufgestiegen und abends um 16 Uhr wieder abgestiegen. Da musstest du körperlich fit sein. Dann sind wir natürlich auch marschiert, gelaufen. Das war Gang und Gebe mal, dass die körperliche Fitness, ja und im Winter sind wir halt Skifahren gewesen, Touren gehen etc. pp.

PE: Jonathan, der Detlef hat gerade von 30 Kilometer Marsch gesprochen. Wie viel gehst du denn heute mit deinen Rekrutinnen und Rekruten marschieren?

Jonathan: Also, ja, ihr habt’s gesehen, ich kriege hier große Augen und bin total begeistert, dass die Gewichtung auf den Sport damals, und das sind ja jetzt ein paar Jahre schon her, schon sehr deutlich, deutlich höher angesetzt war, als wie es jetzt vor ein paar Jahren vielleicht noch war. Da sind wir ja wie gesagt dran, wie der Alex erklärt hat, dass wir das auch wieder hochschrauben und mehr in den Mittelpunkt stellen. Um auf deine Frage zurückzukommen: Wir haben Eingewöhnungsmarsch von sechs Kilometern. Das ist so das erste Mal, wo die jungen Menschen das erste Mal marschieren. Und da sind wir jetzt auch von weg, dass sie nicht direkt mit 15 Kilo Gepäck rumlaufen im Rucksack, sondern dass wir erst mal mit sieben, acht Kilo anfangen, um auch da wieder erst mal den Aufbau zu haben. Weil das ist man heutzutage auch nicht gewohnt, über einen längeren Zeitraum zu gehen oder wie bei uns dann zu marschieren mit dem Stiefel, in Grün. Das sind alles neue Komponenten, wo der Körper auch eine gewisse Anpassungszeit braucht, die man ihm geben muss. Und dann geht es Richtung neun Kilometer. Dann irgendwann ist der Rucksack normal gepackt mit 15 Kilo. Aber wie gesagt, wirklich aufeinander aufbauen, damit eben zwischendurch keiner verlorengeht oder wie der Detlef sagt, dann am Straßengraben abgeholt werden muss.

Detlef: Da kann ich, da kann ich noch was dazu sagen. Zu unserer Zeit war ja die Wehrpflicht. Wäre die Wehrpflicht damals noch 24 Monate, dann auf 18 Monate, dann auf zwölf Monate. Das ist eine ganz andere Voraussetzung, als wenn ich jetzt freiwillig Wehrdienst leiste. Bei uns, die ersten vier Wochen sind wir gar nicht nach Hause gekommen als Soldat. Da war Grundausbildung sechs Uhr, 22 Uhr Bettruhe, fünf Uhr wecken und dann ging es rund. Das ist heute ganz anders. Das ist ein ganz anderes System. Du konntest die Soldaten richtig motivieren. Und das Ding meines Chefs war oder bei allen Chefs, wo ich war, da war immer die Sache: Der Soldat muss beschäftigt werden. Schickt die nicht auf die Stube, sondern macht Sport mit denen, wenn ihr nichts zu tun habt.

PE: Kurze Zwischenfrage: Jonathan, ist es heute noch genauso?

Jonathan: Ja, also tatsächlich haben wir ja diese drei Monate nur und die sind wirklich picke packe voll, also mit Ausbildungsinhalten. Tatsächlich hätten wir gerne mehr Zeit und auch ich persönlich natürlich gerne mehr Zeit für Sport mit den Jungs und Mädels. Aber tatsächlich ist das noch so gängig, dass wenn sich Lücken auftun, dass man die dann sehr, sehr gerne mit Sport füllt. Und das ist auch genau richtig, weil wenn wir zum Beispiel im Bereich Schießausbildung sind, da müssen extrem viele Wiederholungen an den Waffen trocken gemacht werden, damit das einfach automatisiert wird. Aber auch das ist für Körper und Geist halt anstrengend. Und das acht Stunden am Stück stumpf runterzureißen, das macht keinen Sinn. Deswegen da auch gerne mal nach anderthalb Stunden guter, konzentrierter Arbeit an der Waffe macht es Sinn, da rauszugehen und dann einfach ein paar Beweglichkeitsübungen zum Beispiel mit einzustreuen oder ein paar Stabi-Übungen. Ich meine, man hat eh Grün an, es kein Problem, sich dann auf den Rasen zu hocken und paar Liegestütze zu machen, paar Kniebeugen zu machen, ein bisschen zu planken, Unterarmstütze. Da gibt's wirklich großartige Geschichten, da braucht es nicht viel, nur das eigene Körpergewicht. Und dann ist man auch wieder ganz anders frischer dann in dem nächsten Teilabschnitt in der Ausbildung dabei.

Detlef: Also wie gesagt, unser Chef hat immer gesagt: Ihr müsst Vorbilder sein, als Feldwebel, als Unteroffizier. Ihr lebt es vor und dann geht der Soldat nach. Ich kann keinen Soldaten, also damals bei uns in die Pfütze reinjagen und sag, da gleitest du jetzt durch, wenn du nicht selbst vorher durchgegangen bist. Und es ist Vorbild, wenn der dann dasteht und sagt, wenn der durchgehen kann, kann ich es auch. Das ist zum Beispiel für mich Führen durch Vorbild, denen zeigen, wenn ich das kann, könnt ihr das auch. Gerade jetzt in dem Alter, was ich ja mach. Ich kann runtergehen, machen erst kurz eine Kniebeuge oder sonst was. Wenn ich das kann mit 61, dann kann ich das von 20-Jährigen auch verlangen. Und er sagt natürlich, wenn der alte Knacker das kann, kann ich das auch. So sehe ich das jetzt in meiner Sportausbildung, die ich betreibe.

Jonathan: Da muss ich sagen, finde ich schön, dass ist auch gleichgeblieben zu heute. Das sehe ich ganz genauso. Ich verlange nur Dinge oder erwarte nur Dinge, die ich auch selber vormachen kann. Das ist auch mein eigener Anspruch. Das ist meine persönliche Motivation, dass ich auch immer so fit bin, dass ich genau das auch ableisten kann, und ansonsten andere motivierende Faktoren, Sport zu machen. Also da man natürlich auch den gesundheitlichen Aspekt, wenn ich einfach Sport treibe, geht es mir deutlich besser, ich bin leistungsfähiger, ich bin länger konzentriert, ich bin ausgeglichener, ich habe die soziale Komponente, das Miteinander. Und das ist einfach ganz viele Dinge, die da reinspielen. Und natürlich ein optischer Aspekt entwickelt sich dann auch über einen längeren Zeitpunkt. Wir sind jetzt hier im Sommer, man sieht es draußen, die Leute gehen raus und da einfach gesund aufrecht durchs Leben zu gehen, mit einer guten Grundspannung im Körper, ist ganz was anderes, als wenn man das ein bisschen vernachlässigt hat. Und da kennt sich auch jeder selber. Und ich muss auch immer sagen, damals noch zu Spitzensportlerzeit, da habe ich mich auch manchmal zum Training gequält, aber immer nach den Sporteinheiten ging es mir besser, dann werden Endorphine ausgeschüttet, das Gefühl ist deutlich besser und man geht einfach mit einem Lächeln dann wieder raus.

Detlef: Kann ich nur bestätigen.

PE: Jonathan, eine Frage: Ist Fußball denn immer noch so hoch im Kurs bei euch in der Grundausbildung?

Jonathan: Leider weder noch, muss ich ehrlich zugeben. Also Fußball habe ich über Bord geschmissen. Bin ich auch ganz ehrlich, weil einfach die Erfahrung zeigt aus den letzten Jahren, dass da die Verletzungsquote sehr, sehr hoch ist. Vielleicht auch dadurch begründet, dass nicht wie zu Detlefs Zeit jeder irgendwie wusste, wie Fußball geht, da halt dann auch die richtigen Abstände einzuhalten, dass das da nicht ausufert. Also da sind wir schon weggekommen. Und Volleyball ist leider in dem Sinne für mich nicht ganz möglich, weil wir einfach eine sehr großen Personenrahmen haben. Deswegen ja, in Gruppen kann man das hin und wieder mal machen. Aber es ist tatsächlich eher so auf die Basics, was Laufen angeht, was Stabilisationstraining angeht, was Bewegungsformen angeht, die wir halt brauchen. Was wir tatsächlich eher in Richtung Spielsportart machen, worauf du ja hinaus wolltest: Basketball habe ich immer ganz gerne, das nehmen wir mit rein. Da dann fünf gegen fünf zum Beispiel, da kriegt man viele Leute gut beschäftigt und alleine die Komponente Ball macht ja immer ganz viel, weil dieser, dieser Trieb zu spielen, dieser Instinkt, man rollt einen Ball in die Mitte und dann geht's los und dann geht man da einen sportlich fairen Wettkampf, das funktioniert immer.

PE: Ja, da ist die Faszination seit Jahrhunderten ungebrochen. Alex, was sagt ihr als Wissenschaftler dazu?

Alex: Also ganz klar gehört natürlich jede Bewegung mit in unser Portfolio. Jede Bewegung ist immer besser als keine Bewegung, sage ich natürlich auch als Fachmann. Wir haben natürlich ebenfalls ein Ausbildungsgebiet, in dem wir uns hier bewegen, und dieses Ausbildungsgebiet mit dem Namen Körperliche Leistungsfähigkeit teilt sich noch mal in zwei Teilausbildungsgebiete auf. Und hier haben wir einmal das sportliche Training, wo wir auch beispielsweise Fußball, Basketball, Ballsportarten, Skifahren, all diese Dinge mit drin haben. Und das andere Ausbildungsteilgebiet ist dann das militärische Fitnesstraining. Und hier werden wir berufsspezifisch. Und wir versuchen natürlich auch im Rahmen unserer Ausbildungslandschaft, das zu steuern. Das heißt, wir spielen nicht mehr stumpf Fußball, sondern wir nutzen diese Bewegungsmuster und versuchen das Ganze auch in einen militärischen Kontext oder in einen Kontext militärischer Handlungen zu setzen. Das heißt, wie kann ich hier das Körpergefühl schulen beispielsweise, einzelne Bewegungsformen integrieren? Ob das jetzt mit dem Ball ist oder auch mit dem eigenen Körpergewicht, also diese Grenzen verschwimmen. Das oberste Ziel ist aber immer die Steigerung, Erhalt oder auch die Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit.

PE: Frage an euch drei: Was würdet ihr den jungen Menschen mit auf den Weg geben, die sich jetzt aktuell für die Bundeswehr interessieren?

Detlef: Sich zu bewegen, einfach mit anzufangen. Ich komme ja aus dem Bereich der funktionalen Fitness, also CrossFit und funktionale Fitness ist ja in etwa das Gleiche. Also, ich sehe es ja auch, wenn ich mit den Leuten, die zu mir kommen und mit mir dann trainieren wollen, dann sage ich immer: Wichtig ist, bewegt euch, macht euch anständig, gebt denen ein Muster an die Hand, Warmup Skills, also sich aufwärmen. Dann die Trainingslehre, wie es ja im Sprachgebrauch heißt. Das heißt also, ich zeige ihnen, wie mache ich, wie kann ich einen anständigen, eine Kniebeuge machen, einen Ausfallschritt? Wie kann ich einen anständigen Wasserkasten hochheben? Das sind bei uns das Kreuzheben oder Deadlifts in der Fachsprache bei uns, solche Sachen. Und das müssen sie einfach üben und dann ist relativ schnell Erfolg da und die Leute sind auch ganz begeistert und wollen immer weitermachen. Und das gebe ich einfach mit.

Jonathan: Ja, für mich braucht es eigentlich nur den Willen. Das hört sich so einfach an, aber jeder ist unterschiedlich und das ist auch völlig in Ordnung und auch schön so. Aber wir brauchen den Willen und setzt euch ein, ihr jungen Menschen da draußen, wenn ihr sagt, die Bundeswehr klingt interessant. Wir haben wirklich viele tolle Möglichkeiten. Und wenn ihr den Willen mitbringt und auch aufnahmefähig seid und da ist ja vor allem auch kritikfähig zu sein, einfach auch Hinweise anzunehmen und die dann versuchen, umzusetzen, das ist eine ganz, ganz wichtige Sache, weil dann entstehen Verbesserungen und dann geht es auch teilweise sehr, sehr schnell und da macht es so auch richtig Spaß, zuzuschauen, wie auch mit meiner kleinen Geschichte von vorhin, da ist dann auch die Entwicklung zu sehen. Seid einfach motiviert, bringt nen Willen mit und ja, dann geht es vorwärts.

Alex: Ja, mein Tipp und Ratschlag an die junge Generation da draußen ist natürlich auch: Bringt die Motivation mit, euch lebenslang fit und gesund zu halten. Denn was ist ein Leben ohne Gesundheit? Und dazu stehen wir natürlich auch mit Rat und Tat zur Seite, mit unserem Sportfachpersonal, mit unserer Sportinfrastruktur und auch mit unserem ganzen Material, was wir zur Verfügung stellen. Ich denke, da sind wir sehr, sehr gut aufgestellt und wir begleiten die Soldatinnen und Soldaten natürlich auch ihr Berufsleben lang und versuchen hier wirklich, über die Altersspanne hinweg die Leute fit und einsatzfähig zu halten.

PE: Auch das ist natürlich eine Motivation, zur Bundeswehr zu kommen. Und natürlich liegt uns auch allen etwas daran, im Alter fit zu sein. Alex, Detlev, Jonathan, vielen Dank, dass ihr den Weg zu mir auf euch genommen habt.

Alle: Sehr gern. Danke auch. Danke.

PE: Und natürlich auch allen Hörerinnen und Hörern sage ich: Vielen Dank fürs Folgen. Bleibt uns treu. Ich bin Oberleutnant Patrick Enssle und melde mich aus dem Funkkreis ab.

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.