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Sprecher: Frau Hauptmann Janet Watson (JW), freiwillig Wehrdienstleistende (S1, S2 und S3) Stabsfeldwebel Michael Eichstaedt (ME), Tanja Menz (TMTravel Management)
Intro
Delta to all. Radiocheck. Over.
Hier ist Bravo. Kommen.
This is Tango. Over.
Funkkreis – Podcast der Bundeswehr
JW: Einen guten Tag aus Berlin.
Ich bin Hauptmann Janet Watson und ich darf Sie zu einer neuen Funkkreisfolge begrüßen.
In wenigen Tagen ist in Deutschland der Volkstrauertag. Für mich war das immer ein Tag wie jeder andere, früher, als ich noch keine Uniform getragen habe. Und dieser Tag gedenkt eigentlich der Toten der ersten beiden Weltkriege. Und immer mehr wird er nun aber auch ein Gedenktag für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Denn auch wir betrauern gefallene und verstorbene Kameradinnen und Kameraden. Und einen besonderen Ort des Gedenkens gibt es in der Nähe von Berlin, nämlich den Wald der Erinnerung in Schwielowsee. Und das ist eine Gedenkstätte für die Einsatztoten der Bundeswehr.
Und hier treffe ich auf Kameraden.
S1: Es fällt mir schwer, wieder hier zu stehen und zu denken: So, okay, die haben alle ihr Leben gelassen für unser Land und sind jetzt nur noch so in Stein da. Und für mich war das schwer. Ich hatte sehr viel Tränen in den Augen, gerade bei den Bäumen zu sehen, die Hände von den Kindern. Aber die Zeilen von den Kindern, das war schon echt hart.
S2: Eine gewisse Veränderung: Im Gegensatz zu vorher spüre ich an mir, ob ich das Ganze so will, wie ich mir das Ganze vorgestellt habe, ob ich meine Verwendung möchte, die ich erreichen möchte. Es ist sehr, sehr prägend, der Eindruck.
S3: Dass man die Erinnerung an diese Person einfach im Herzen weiterleben lässt, dass man sozusagen diese Person nicht einfach sterben lässt, ist halt hier auch möglich. Es ist auch sehr schön, das so zu sehen, wie gedacht wird. Sowohl von Familien und Freunden als auch Kameraden, die mitgedient haben.
JW: Die Kameraden, die ich an diesem Tag im Wald der Erinnerung begleitet habe, waren Grundwehrdienstleistende. Und die habe ich vor allem deswegen begleiten wollen, weil sie sich zum allerersten Mal mit Tod und Sterben konfrontiert gesehen haben und sich vor allem aber auch zum allerersten Mal damit auseinandergesetzt haben. Und seitdem komme ich selber an dem Thema nicht so richtig vorbei, weil es mich berührt hat, wie ernst die Kameraden damit umgegangen sind und wie es sie berührt hat. Aber auch gleichermaßen, weil mir das Thema als Soldatin nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist. Und genau deswegen habe ich Michael Eichstaedt noch mal getroffen. Er ist Stabsfeldwebel und gleichermaßen Soldat und Einsatzveteran, aber auch Besucherführer im Wald der Erinnerung. Und genau hier traf ich ihn noch mal. Willkommen im Funkkreis- Podcast. Wobei ich schon fast sagen muss: danke, dass ich hier sein darf. Wir befinden uns auf dem Gelände vom Wald der Erinnerung.
ME: Ja, das ist richtig. Sehr gerne. Herzlich willkommen hier auf der Gedenkstätte. Hoffe, dass wir die Tragweite der Gedenkstätte durch den Funkkreis ein bisschen weiter streuen können.
JW: Wenn wir sagen Wald-der-Erinnerung-Gedenkstätte, dann hat nicht jeder gleich ein Bild im Kopf, wie es hier aussieht. Vielleicht können Sie einfach mal so ein bisschen beschreiben: An welchem Ort befinden wir uns hier gerade?
ME: Wir befinden uns hier in der Henning-von-Tresckow-Kaserne in der Liegenschaft des Einsatzführungskommandos in Schwielowsee, Ortsteil Geltow. Man hat damals den Plan gehabt, aus den abgeschlossenen Einsätzen die Ehrenhaine zu demontieren, einen neuen Platz dafür zu schaffen, um das Gedenken, das Erinnern aufrechtzuerhalten. Und so hat man hier nach längeren Planungsspielen sich für das Einsatzführungskommando entschieden, wo man auch den Platz hatte, die Ehrenhaine wieder zu errichten. Wo man aber auch die Möglichkeit hat, durch den vorhandenen Baumbestand einen Erinnerungswald zu schaffen, wo alle die, die auch am Ehrenmal der Bundeswehr aufgeführt sind – und das muss uns auch bewusst sein, da reden wir von über 3.300 Menschen, die am Ehrenmal der Bundeswehr aufgeführt sind. Und alle Hinterbliebenen von diesen 3.300 Menschen hätten die Möglichkeit, hier im Wald der Erinnerung sich einen Baum auszusuchen, den zu widmen, um neben der eigentlichen Grabstätte ein weiteren Ort des Gedenkens und des Erinnerns zu haben. Damit hat man aber auch hier in der Henning-von- Tresckow-Kaserne einen Ort geschaffen, wo alle Soldaten wieder zusammen sein können.
JW: Jetzt gibt es auch die Besonderheit, dass genau dieser Wald hier im Einsatzführungskommando steht, weil das Einsatzführungskommando zuständig ist für die Auslandseinsätze der Bundeswehr und unsere Gefallenen vor allem aus den Auslandseinsätzen stammen. Kann man das so sagen?
ME: Ja. Für alle, die im dienstlichen Zusammenhang im Auslandseinsatz ums Leben gekommen sind oder durch die Kausalität der Auslandseinsätze ums Leben gekommen sind. Und da reden wir von 116 Menschen.
JW: Wie läuft denn ein Rundgang tatsächlich, den Sie mit den Besuchern zusammen machen, so rein von der Reihenfolge ab?
ME: Ich begrüße vor dem Informationsgebäude die Besuchergruppe, stelle mich vor, erzähle den Gästen: Wie ist es zu dieser Gedenkstätte gekommen? Warum hat man sich hier für das Einsatzführungskommando entschieden? Und nicht zum Beispiel irgendwo draußen in Berlin, im freien Bereich, wo man mit Touristen zu tun hat? Von dort aus gehen wir ins Informationsgebäude, wo man weitere Informationen erfährt über das Gedenken, das Erinnern von Soldaten über verschiedenste Zeiträume heraus. Auf der gegenüberliegenden Seite befinden sich die abgeschlossenen, aber auch die aktuellen Einsätze der Bundeswehr.
Und für die aktuellen Einsätze der Bundeswehr ist auch ein Bild von dem Ehrenhain zu sehen, was die Soldaten für die Soldaten am Einsatzort errichtet haben. Und wenn man weiter durchgeht, dann noch mal auf der linken Seite befinden sich denn noch mal Bilder zur Entstehungsgeschichte der Gedenkstätten. Nach dem Informationsgebäude gehen wir dann auf den Weg der Erinnerung.
Auf dem Weg der Erinnerung erzählen wir den Gästen, dass es hier acht Stelen gibt mit 116 Namen. Wir sprechen aber auch explizit an, dass es sich um bronzene Namensbänder mit erhabenen Buchstaben handelt. Diese bronzenen Namensbänder, jeder einzelne, gerade auf unserer Witterung, entwickelt irgendwann eine eigene, individuelle Patina. Und die erhabenen Buchstaben, die dem Hinterbliebenen, aber auch uns Kameraden etwas Haptisches anbieten, um leichter ins Gedenken, ins Erinnern zu kommen.
Hinter dem Namen befindet sich das Einsatzkürzel und vorne in chronologischer Reihenfolge die Jahreszahlen. Was hier besonders auffällt ist aber, dass man, abgesehen von akademischen Titeln, auf Dienstgrade verzichtet hat.
Und dabei ist es nach meiner persönlichen Meinung völlig unabhängig, ob ich Polizistin, ob ich Feuerwehrmann bin oder ob ich Soldat bin. In jeder Uniform steckt auch immer noch ein Mensch. Und der Wald der Erinnerung wurde ausgelegt, gerade der Weg der Erinnerung, hier der Menschen zu gedenken.
Im Anschluss an den Weg der Erinnerung sehen wir den Ort der Stille und auch die Militärseelsorge, die bei der Planung mit involviert war. Aber wir sehen hier keine religiösen Symbole, sondern hier bezieht man sich darauf, den ersten gemeinsamen Nenner zu finden, das Symbolbild unserer Armee, was für uns Soldaten alle gleich bindend, aber verpflichtend ist, unabhängig vom Dienstgrad, der Teilstreitkräfte, vor allem aber unabhängig vom Glauben. Und damit bietet dieser Ort hier nicht nur die Möglichkeit für einen christlich geprägten Gottesdienst, sondern man hätte hier auch die Möglichkeit zum Beispiel für eine muslimische oder zum Beispiel auch eine jüdische Gedenkveranstaltung.
Links und rechts befinden sich neben dem Weg der Erinnerung die ersten Ehrenhaine, die man aus den Einsätzen zurückgeführt hat. Es war keine Aufgabe gewesen, die eins zu eins wieder zu errichten, aber es war eine Auflage, sie mit einem hohen Wiedererkennungswert zu errichten. Zum einen für uns Soldaten, da es sich für uns um eine hohe emotionale Bindung handelt, aber auch für die Hinterbliebenen. Es gibt ja die Hinterbliebenenreisen, die von der beauftragten Person für Angelegenheiten der Hinterbliebenen angeboten werden in Zusammenarbeit mit den hier ansässigen Truppenpsychologen.
Und deshalb ist es wichtig, diese Ehrenhaine mit einen hohen Wiedererkennungswert zu errichten. Und vom Ort der Stille, wenn man denn den Weg wieder zurückgehen möchte, geht man durch den Gedenkwald, durch den Wald der Erinnerung, der als Namensgeber hier da ist. Und hier hat man die Möglichkeit wie vorhin angesprochen, dass alle Hinterbliebenen von den 3.300 Soldaten, die am Ehrenmal der Bundeswehr aufgeführt sind, sich den Baum aussuchen können und den personalisieren können.
JW: Jetzt führen Sie täglich, kann man wahrscheinlich sagen, Besucher hier durch den Wald. Und es sind nicht immer Angehörige, die tatsächlich zum Trauern hierherkommen. Was begegnen Ihnen für Reaktionen, wenn Leute gerade vielleicht doch zum ersten Mal hier sind?
ME: Also die unterschiedlichsten. Wir haben es geschafft in den neun Jahren, die jetzt der Wald der Erinnerung besteht, dass wir aus einer Gedenkstätte nicht nur aus Sichtweise einer Gedenkstätte das bearbeiten können, sondern dass wir es auch geschafft haben, aufgrund der Dynamik einen Ort der Aus- und Weiterbildung zu haben, wo wir denn Soldaten aufnehmen, aber auch zivile Gäste aufnehmen und die einfach aufklären, was es in der Quintessenz bedeuten kann, sich für diesen Beruf entschieden zu haben.
JW: Und die Quintessenz, sich für diesen Beruf entschieden zu haben, ist eindeutig, sich mit Tod und Sterben auseinandersetzen zu müssen, weil das eine Quintessenz sein kann unseres Soldatendaseins.
ME: Letztendlich alle Soldaten, dienstgradunabhängig, teilstreitkraftunabhängig haben sich nur eine Frage zu stellen und diese Frage sollte von vornherein schon in der Ausbildung stattfinden: Bin ich bereit, wenn es der Auftrag erfordert, wenn es die Lage hergibt, das höchste Gut einzusetzen, mein eigenes Leben, um den Auftrag durchzusetzen, das Leben meiner Kameraden zu schützen oder mein eigenes Leben zu schützen? Das ist die Frage, die wir uns Soldaten stellen müssen.
JW: Jetzt sind wir gerade an Stelen vorbeigegangen, wo tatsächlich die Namen der Gefallenen beziehungsweise der im Dienst zu Tode gekommenen Soldatinnen und Soldaten zu finden sind. Wie viele, an wie vielen Namen sind wir gerade vorbeigegangen?
ME: Wir sind an 116 Namen vorbeigegangen. Aber auch hier muss man im Gegensatz zu dritt-, viertklassiger Medienberichterstattung aber auch sagen, 116 Soldaten sind nicht gefallen. Und da müssen wir uns auch einig sein, was die Begrifflichkeit „gefallen“ eigentlich bedeutet, was es auch für uns als Soldat bedeutet. „Gefallen“ bedeutet eigentlich nichts anderes, als dass man als Soldat aufgrund von militärischer und paramilitärischer oder terroristischer Gewalt aus dem Leben gerissen worden ist. Und gefallene Kameraden gibt es hier auf dem Weg der Erinnerung 37. 35 davon allein in Afghanistan. Es gibt aber auch 36 Todesfälle aufgrund von Verkehrsunfällen, aber auch Hubschrauberabstürzen, 17 natürliche Todesfälle. Man muss aber auch ansprechen 26 Suizidanten. Obwohl der psychische Stress in Afghanistan um ein Vielfaches höher war, haben wir nur 18 Suizidanten auf dem Balkan, fünf in Afghanistan und drei Soldaten, die sich aufgrund ihrer Einsatzverwundung im Heimatland für den Freitod entschieden haben.
JW: Jetzt ist gerade auch bei den Kameraden, die aufgrund von Suiziden hier an den Stelen ihre Namen haben, steht über allen Einsatzbezug mit dabei. Die haben sich aber mit Masse nicht im Einsatz suizidiert. Wie können wir uns das denn erklären?
ME: Drei Soldaten haben sich hier im Heimatland für den Freitod entschieden und man hat dann festgestellt über die beauftragte Person für Angelegenheiten der Hinterbliebenen, dass es einen Einsatzbezug gibt. Und dann wird auch bei der Beschaffung des Namensbandes der Einsatz auch mit drauf genommen. Und da haben wir an der letzten Stele ja das Beispiel, wo im Jahre 2022 SFORStabilisation Force steht, obwohl dieser Einsatz zum 1. Dezember 2004 aufgehört hat.
JW: Das liegt daran, dass Soldatinnen und Soldaten, selbst wenn sie am Ende nach Hause kommen, unter Umständen mit dem Einsatz trotzdem nicht abschließen.
ME: Und davon gibt es sehr viele. Offizielle Zahlen gibt es ja über den zentralen Sanitärbereich zu erfahren. Ich denke, dass die Dunkelziffer auch viel höher ist, da wir hier auch Besuchergruppen wahrnehmen, wo Einsatzgeschädigte mit dabei sind.
Und da kann ich wirklich jedem nur raten, der mit dem Einsatz für sich nicht zu Ende ist, sich da wirklich professionelle Hilfe zu holen. Und das ist keine Schande, sondern das ist Stärke. Ähnlich war es ja bei mir auch gewesen.
JW: Wir haben vorhin schon mal über die Ehrenmale gesprochen, die hier im Wald der Erinnerung wieder aufgebaut werden. Das sind Ehrenmale, die aus den Einsätzen stammen. Und das machen wir ja nicht nur so, weil wir hier gleichermaßen noch mal viele kleine Gedenkorte zwischendurch machen wollen. Das machen wir vor allem auch aus Traditionsbewusstsein.
ME: Genau. Es gibt einen Traditionserlass in unserer Armee, wo wir neben dem Widerstand gegen Nationalsozialismus und den alten preußischen Reformern unsere eigene Tradition schaffen müssen und stiften müssen. Und gerade wir als sehr junge Armee in Europa, während die anderen Nationen, zum Beispiel England, Frankreich, mit ihren Traditionen schon viel weiter sind, haben wir den Auftrag bekommen, unsere eigene Tradition zu schaffen und zu stiften. Und daher ist es auch absolut wichtig und auch richtig, dass wir aus den Auslandseinsätzen die Ehrenhaine zurückführen, hier wieder errichten und denen hier einen endgültigen Platz schaffen, damit man auch in Zukunft sich erinnern kann. Wie ist denn die Bundeswehr damals in den Auslandseinsätzen gestartet und was für Auslandseinsätze gab es denn? Und damit haben wir auch die Möglichkeit, Tradition zu schaffen, zu stiften und auch zu erhalten. Und man hat es ja auch mitbekommen, dass man zum Beispiel auch schon mittlerweile Liegenschaften nach Soldaten benennt, die im Auslandseinsatz ums Leben gekommen sind. Die Stabsdienst- und Feldjägerschule in Hannover hat man umbenannt von Emrich-Cambrai-Kaserne in Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne, der am 28. Mai 2011 in Afghanistan gefallen ist. Man hat die Ostmark-Kaserne in Weiden umbenannt in Major-Radloff- Kaserne, der am 15. April 2010 in Afghanistan gefallen ist. Es gibt einen Markus-Matthes-Weg, es gibt einen Augustyniak-Platz und damit meines Erachtens nach auch das richtige Zeichen nicht nur für uns Soldaten, sondern für die komplette Gesellschaft.
Aufgezeigt wird, dass es richtig und wichtig ist, dass wir uns an die Toten erinnern, weil jeder Mitbürger bei uns im Land durch die indirekte Demokratie, die wir haben, ob wir wählen gehen oder nicht wählen gehen, hat sein kleines Zahnrad dazu beizutragen, dass es diese Gedenkstätte gibt.
JW: Sie waren jetzt selber auch schon bei der Gestaltung von diversen Bäumen mit dabei. Was macht das mit Ihnen?
ME: Das nimmt einen mit. Das nimmt einen wirklich mit, wenn kleine Kinder hierherkommen, um sich den Baum von ihrem Vater meistens auszusuchen. Man merkt das. Anders gesagt: Als Soldat sind wir ersetzbar, das muss man sagen, der Soldat ist ersetzbar.
Wir gehen. Wir gehen nach Hause. Wir orientieren uns beruflich neu. Wir gehen in den Ruhestand etc. Aber der Mensch, der in der Uniform steckt, ist nicht ersetzbar. Und das wird hier sehr deutlich, wenn Hinterbliebene hierherkommen, um sich hier ein Baum auszusuchen.
JW: Was macht die Wichtigkeit von diesem Ort der Trauer beziehungsweise des Gedenkens aus?
ME: Die Wichtigkeit ist, dass man sich hiermit im geschützten Raum auseinandersetzen kann, dass man sich auch erinnern kann, dass man die Soldaten, die Familienmitglieder nicht vergisst, dass man hier ein Ort hat, wo alle Soldaten wieder zusammen sein können, wo wir uns aber auch erinnern können, für welchen Beruf wir uns entschieden haben. Das macht den Ort in jeglicher Hinsicht völlig einzigartig.
JW: Und einzigartig sind im Wald der Erinnerung auch die Bäume, die von den Angehörigen für ihre Kinder, also Söhne und Töchter, für ihre Geschwister oder für ihre Eltern gestaltet worden sind. Also für die Soldatinnen und Soldaten, deren Namen sich hier auch auf den Stelen wiederfinden. Und hier treffe ich auch Tanja Menz, und das ist eine Frau, die mich mit ihrer positiven Art und ihrer Stärke und ihrer Ausstrahlung gedanklich noch ganz, ganz lange begleitet hat. Eine Frau, die mir die Geschichte von ihrem Sohn erzählt. An dessen Namen sind wir nämlich vorbeigelaufen auf den Stelen, wenn wir in den Wald der Erinnerung gegangen sind. Konstantin Menz, von einem afghanischen Attentäter 2011 im OP North in Afghanistan erschossen. Konstantin wurde gerade mal 22 Jahre alt. Wie war das damals für Sie, als Sie davon erfahren haben?
TMTravel Management: Der Moment, meinen Sie?
JW: Der Moment selber, ja.
TMTravel Management: Es war eben das Ungewöhnliche, dass ich tatsächlich alleine zu Hause war in dem Moment.
Und ja, eigentlich, wenn man die Menschen sieht, weiß man dann schon mal, was kommt. Ich glaube, das ist bei den meisten so, dass man ja so gesagt bekommen hat, wenn was ist, dann kommen da zwei, und wenn die dann da stehen, weiß man es eigentlich schon. Ich meine, man rechnet nicht damit, dass es passiert, aber ich habe es auch nie gesagt, bei ihm kann nichts passieren. Also wir haben uns schon damit auch auseinandergesetzt, dass was passieren kann, dass er verwundet werden kann.
JW: Haben Sie da vorher offen in der Familie drüber gesprochen?
TMTravel Management: Ja, mit etwas mehr Abstand zum Einsatzbeginn, glaube ich, mehr. Und je näher der kam, desto weniger. Ich glaube, das ist so ein typisches… Man will sich so gegenseitig auch so ein bisschen schützen dann.
JW: Das glaube ich.
TMTravel Management: Wir ihn, er uns. Ich glaube, dass man dann so in den letzten Tagen und Wochen weniger tatsächlich drüber geredet hat, über so die Gefahr. Natürlich sagt man am Ende schon noch mal, du schaust, dass du aufpasst. Aber ich glaub, mehr im Vorfeld. Da unten ist übrigens sein Baum.
JW: Ach, da ganz unten.
TMTravel Management: Ja.
JW: Müssen wir dann hier runter?
TMTravel Management: Ja, könnten wir. Ich glaube, wir haben da länger drüber diskutiert, als er überlegt hat, sich länger zu verpflichten. Weil er ist ja eigentlich nur mit normalen Wehrdienst die neun Monate hin, als er dann entschieden hat, er bleibt länger, war eigentlich klar, dann ist ein Einsatz irgendwie in absehbarer Nähe und ich glaube, da haben wir mehr diskutiert.
JW: Irgendwann kommen wir an Konstantins Baum an und der steht ganz in der Nähe vom Ehrenhain aus dem OP North einem Außenposten der Bundeswehr in Afghanistan. Da, wo Konstantin damals gedient hat. Und das ist eine junge Eiche, deren Stamm sich in zwei dicke Äste teilt, und dahinter sieht man dann den Parkplatz vom Wald der Erinnerung.
TMTravel Management: Wir haben ihn spät ausgesucht. Wir haben ihn wirklich erst vier Jahre oder fünf Jahre nach Einweihung des Waldes ausgesucht, weil es mir ja am ersten Tag war mir zu viel Trubel. Die Menschen haben sich so um die Bäume… und wer kriegt wen und das war mir einfach zu viel. Und dann hat es eine ganze Weile gedauert und wir haben dann entschieden, dass seine Freundin und seine Geschwister den Baum aussuchen sollen, und es hat einfach gedauert, bis die gleichzeitig hier waren. Und die sind dann losgeströmt und haben einen Baum gesucht und haben gesagt, wir schauen mal, was zu ihm passt.
JW: Wie kam es zu dem?
TMTravel Management: Zu diesem zweigeteilten?
JW: Ja, in diesem einen in zwei?
TMTravel Management: Ich weiß es nicht so genau. Sie wollten keinen ganz geraden, normalen Baum. Sie wollten irgendwie einen Baum…
Ich glaube, unser Sohn war vielseitig. Und ich finde, so ein Baum, der aus einem zwei… finde ich gar nicht so falsch.
JW: Hat Charakter.
TMTravel Management: Ja, genauso ist es.
JW: Ich glaube also, gerade wenn es heißt, wir wollten gar nicht so einen geraden Baum oder so, dann ist es am Ende genau so, dass so ein bisschen was dahinter steckt.
TMTravel Management: Die geraden Dinge sind mir meistens zu langweilig. Ich suche auch immer den kompetenten, etwas ungewöhnlichen Weihnachtsbaum aus.
JW: Der mit der doppelten Spitze zum Beispiel.
TMTravel Management: Oder mit fünf oder mit was auch immer. Aber irgendwie hat er uns, glaube ich, einfach gefallen. Und irgendwie hat es auch gepasst. So ein bisschen. Zum einen das Leben als Soldat und das andere als Privatmensch. Und das läuft so parallel.
JW: Ja, weil es ist vor allem beides.
TMTravel Management: Und trotzdem hat es einen Stamm und ich glaube, so fanden wir den ganz passend und haben uns dann auf den Baum geeinigt.
JW: Wenn Sie sich entscheiden müssten, ob das jetzt hier so ein Ort der Trauer oder so ein Ort des Gedenkens für Sie ist. Was was würde es eher treffen?
TMTravel Management: Ich glaube eher Gedenken. Für mich ist es eher Gedenken und für mich ist es einfach noch mal speziell. Ich finde, die Trauer ist mehr vielleicht der Friedhof zu Hause. Trauer kann überall sein, finde ich. Trauer ist auch nicht zwingend für mich an einen Ort gebunden. Das ist ein Gefühl. Das ist einfach ein Verlust, den ich immer mal wieder mehr und mal wieder auch weniger spüre, glaube ich. Und das muss nicht sein. Das hat nicht so richtig einen Ort. Ich glaube, Trauer hat nicht einen Ort für mich.
JW: Ja, weil es, glaube ich, irgendwann auch zwangsläufig zu Einem gehört.
TMTravel Management: Ja, das ist auch in Ordnung. Also das darf es auch. Also ich finde Trauer, das muss überhaupt nicht das Ziel sein, dass Trauer weg ist. Also ich finde, man muss lernen, dass es einem trotzdem gut geht, aber es darf immer ein Teil von Einem bleiben. Also es wäre doch komisch, wenn ich jetzt irgendwie gar nicht...
Also ich glaube, wenn Trauer hundert Prozent weg wäre, würde man nicht mehr an denjenigen denken. Und ich glaube, das ist nicht das Ziel.
JW: Weil man dadurch halt auch, ich weiß nicht so genau, also gerade, wenn es das eigene Kind ist oder so, man will die Dinge auch gar nicht vergessen.
TMTravel Management: Und das muss man ja auch nicht. Und ich finde, es gibt immer Tage, wo man mehr dran denkt. Also jetzt natürlich so die üblichen Tage, jetzt sagen wir mal Weihnachten, Geburtstag, Todestag, aber auch an anderen schönen Tagen, wo man sagt, als unsere Tochter geheiratet hat, dass man sagt, ach schade, er fehlt jetzt, und ich denke das, das wird auch immer bleiben und es ist ja in Ordnung und darum geht es auch gar nicht. Ich denke, entscheidend ist, dass man sagen kann, eigentlich habe ich trotzdem ein gutes Leben.
JW: Und als wir drüber geredet haben, warum der Baum von Konstantin aussieht, wie er aussieht und warum er sich gabelt, reden wir natürlich auch darüber, wie Konstantin zur Bundeswehr gekommen ist.
TMTravel Management: Also ich glaube, ohne Wehrdienst wäre der wahrscheinlich nicht bei der Bundeswehr gelandet. Das war tatsächlich… er war sich nicht so sicher: Möchte ich studieren, möchte ich eine Ausbildung machen? In welche Richtung will ich eigentlich gehen? Hatte ein Praktikum gemacht, war sich aber nicht so sicher. Und dann kam der Wehrdienst und: Jetzt mache ich das jetzt erst mal neun Monate. Dann habe ich ja noch mal neun Monate Zeit, mir zu überlegen, was ich danach machen möchte. Und dann ist er relativ schnell… Also diese ersten sechs Wochen hatte ich ihn eigentlich nicht gesehen. Oder fünf Wochen. Also der hat im Januar angefangen im Bayerischen Wald. Es war kalt, es war richtig kalt. Ich habe so gedacht, er wird nach Hause kommen und wird sagen: So ein Mist! Wir haben gefroren. Es war scheußlich. Und er kam so nach Hause: Wir haben gefroren, aber es war cool. So okay, gut. Ja, ich glaube, er hat einfach das Glück gehabt, dass er andere getroffen hat, mit denen es gut funktioniert hat, die ähnlich getickt haben wie er. Also, er war immer politisch total interessiert. Ich glaube, das war auch mit so ein Grundding, dieser Gedanke, was sind das für Länder, wo gehen wir hin, warum gehen wir hin? Das war schon auch für ihn, glaube ich, entscheidend. Und dann Sport. Er hat immer viel Sport gemacht, und da hat er einfach andere getroffen. Die sind in die Berge gegangen, die haben sich gut verstanden und irgendwie hat er gesagt, ach, eigentlich finde ich das ganz gut.
JW: Ein Stück weit vielleicht auch moralische Verpflichtung.
TMTravel Management: Vielleicht auch, zumindest auch teilweise, denke ich. Ja. Sicherlich nicht der einzige Grund, aber sicherlich auch einer. Und diese Idee, ich könnte was Gutes tun, was Gutes bewirken, vielleicht auch für andere, denen schlechter geht als uns, war sicherlich auch ein Gedanke.
JW: Wenn man das gegenüberstellt zu: Eines Tages stehen dann da zwei Menschen und erzählen Einem: Ihr Sohn ist verstorben und gehört jetzt zu den Gefallenen. Wie kriegt man das überein?
TMTravel Management: Ich denke, es dauert ein bisschen, aber ich finde, das kriegt man schon hin.
JW: Ich kann es mir schwer vorstellen. Ich weiß nicht, wenn ich gerade… Wenn ich an meine Familie zum Beispiel denke, weiß ich nicht, wie viel Wut da wäre.
TMTravel Management: Die war bei mir komischerweise gar nicht. Sie war von Anfang an nicht. Das haben sich so viele gefragt: Bist du nicht auch irgendwie wütend? Habe ich gedacht, nein, wieso soll ich denn wütend sein? Also Wut war für mich, und ich denke, das geht anderen Hinterbliebenen vielleicht anders. Da sind manche wie ich und andere sind anders. Da ist einfach auch nicht jeder gleich. Wut war bei mir komischerweise nie da, also weder auf Bundeswehr. Das sowieso nicht, weil ich dachte, die konnten ja nichts dafür. Ich meine, das war ein afghanischer Attentäter. Den haben die nicht rausgesucht und da hingestellt, sondern die haben eigentlich dafür gesorgt, dass er die letzten Jahre mit dem, wie er gelebt hat, sehr zufrieden war. Insofern war Wut auf Bundeswehr für mich sowieso nicht da. Und selbst bei dem Attentäter war es, glaube ich, mehr. Also es war ganz spannend. Ich habe war ja zuerst zu Hause bei der Nachricht und ich hatte überhaupt nie gefragt, was mit dem Attentäter passiert ist. Es war für mich einfach gar nicht wichtig. Und mein Mann, als er dann anderthalb Stunden später kam, hat das aber sofort gefragt. Das war für ihn irgendwie wichtig. Ich glaube, da ist man einfach unterschiedlich. Für mich war mehr, ich hätte gerne gewusst, wie kommt ein junger Mensch dazu, auf Menschen, die er gar nicht kennt, einfach zu schießen und die zu töten? Die kannten sich nicht. Was ist in dem seinem Leben passiert, dass er so was tun konnte? Ich glaube, das war mehr so dieses, ich weiß ja nicht, wie er aufgewachsen ist, was er schon erlebt hat. Ich kann da nicht wirklich wütend sein. Das ist, glaube ich, mehr das Interesse.
JW: Interesse hätte ich es jetzt witzigerweise gar nicht genannt, sondern ich hätte es jetzt so, wie ich es verstanden habe… das Unverständnis, wieso er tut, was er tut.
TMTravel Management: Ja, Unverständnis auf der einen Seite, aber auch so dieses, wir haben halt Glück, wir sind hier aufgewachsen und bei uns. Für mich könnte ich mir so was überhaupt nicht vorstellen. Aber ich lebe auch in einem Land, in dem es mir und den meisten drumherum eigentlich recht gut geht.
JW: Den Gedanken kann ich tatsächlich, rein auf Afghanistan bezogen beziehungsweise grundsätzlich, glaube ich, auf unsere Einsatzländer, super gut nachvollziehen. Mir ging es 2019 in Masar-i Scharif so, da sind wir rausgefahren mit dem Konvoi und sind im Stau hängengeblieben in einem Kreisverkehr und es war super überfüllt. Und dann ging da so ein alter Mann mit so einem ganz jungen Mädel an der Hand über die Straße. Mein erster, wirklich europäischer Gedanke war: Mensch, das ist ja lieb, dass er zusieht, dass sie sicher über die Straße kommt, die Enkelin. Ja, beim zweiten Mal hätte ich mich gerne vielleicht übergeben, weil mir klar geworden ist, das ist nicht… das ist nicht der Opa. Und ja, genau solche Situationen haben mir über die Jahre immer wieder mitgegeben: Warum? Warum ist das wichtig, dass wir das machen und warum es uns wichtig ist, dass wir das auch in solchen Ländern machen. Das mag naiv klingen. Klingt ja klar. Aber es ist so. Aber ich bin so froh, halt hier auch groß geworden zu sein, ja, werden zu können, was ich wollte.
TMTravel Management: Ja, und ich meine, wir haben es uns alle nicht aussuchen können, in welchem Land wir geboren worden sind und mit welchen Eltern und in welchem Umfeld. Das war einfach auch Glück.
JW: Ist so.
TMTravel Management: Und das hatten andere Menschen nicht. Und ich denke, wenn ich als 21-Jähriger in einem Bundeswehrlager auf zehn Soldaten schieße, weiß ich ja, das werde ich nicht überleben, weil da sind so viele Menschen mit Waffen um mich und ich tue es trotzdem. Wie komme ich dazu? Was ist in meinem Leben gewesen, dass ich das mache.
JW: Und vor allem, an was für Dinge glaube ich auch, die das Ganze übersteigen?
TMTravel Management: An was für Dinge glaube ich? Oder was sind die Zwänge? Wer hat mich vielleicht beeinflusst, dass ich das tue, oder was war in meinem Leben vielleicht schon, dass ich das auch kann, dass ich das tatsächlich hinbekomme? Menschen, die ich nicht kenne. Also da denke ich, dass es immer mehreres ist, dass es zwar auch Glaube ist, aber nicht nur. Ja, da kommt viel zusammen. Und was ist in dem Leben eben tatsächlich geschehen, dass ich mit Anfang 20 mich für so was entscheide? Hätte mich mehr interessiert, als dass ich da Wut hatte.
JW: Wie ging es von da aus weiter? Haben Sie Antworten auf diese Fragen für sich irgendwie finden können?
TMTravel Management: Zu dem Attentäter weiß ich nicht viel, kann ich nicht viel sagen. Hat mich am Anfang, glaube ich, mehr, dass ich drüber nachgedacht habe. Inzwischen denke ich einfach, na ja, ich weiß eben, was in den Ländern so war. Man kann sich nur ungefähr vorstellen, was es für Situationen alles gibt und wie Menschen dort aufgewachsen sind. Und ich glaube, ich kann es einfach akzeptieren, dass es so war. Und trotzdem denke ich manchmal, es wäre schon spannend gewesen mal oder war immer so mein Punkt, wie geht dem seine Familie damit um? Also diese Überlegung, ist er da der Held? Und deswegen ist Trauer gar nicht so da, weil er hat jetzt ja einen heldenhaften Tod gehabt oder ist da auch Trauer bei den Angehörigen?
JW: Aber fühlt sich das dann nicht so ein bisschen an, als wäre Konstantin so ein so ganz sinnloses Opfer in dem Moment gewesen?
TMTravel Management: Nö, sinnlos für mich… Ja, natürlich. Also in der Sekunde vielleicht sinnlos, aber es war nicht sinnlos, dass er dort war. Ich finde, da muss man zweimal… Es gibt zwei unterschiedliche Sinndinge. In dem Moment war das sicherlich sinnlos und das war nicht für irgendetwas gut und für irgendwas notwendig. Aber das wäre bei jedem anderen genauso gewesen. Aber der Sinn, dass sie dort im Einsatz waren, den konnte ich immer nachvollziehen.
JW: Hilft das bei der…?
TMTravel Management: Ich glaube schon.
JW: Sie wissen genau, was ich fragen wollte oder?
TMTravel Management: Sorry.
JW: Um Gottes Willen, bitte nicht entschuldigen.
TMTravel Management: Ich glaube schon, dass das hilft. Also, ich glaube an einen gewissen Sinn, in was zu sehen. Vielleicht braucht man ihn dafür auch. Hilft Einem schon, aber ich finde einfach, auch wenn man so die Länder anschaut, alles, was man tut, hat vielleicht nicht den Effekt gebracht, den man sich gewünscht hat. Bei Weitem nicht. Aber ganz sinnlos finde ich, ist es eben einfach auch nicht.
JW: 2021 auf dem Rückkehrer-Appell, der hier in Berlin abgehalten worden ist, da haben wir uns wahrscheinlich knapp verpasst.
TMTravel Management: Wahrscheinlich.
JW: Und draußen vorm Paul-Löbe-Haus stand ein älteres Ehepaar, Mann und Frau. Man kennt ja auch nicht jeden, man kann ja nicht jeden direkt zuordnen und dann irgendwann stand ich daneben und dann ist der Papa gefragt worden, wie er damit umgeht. Und da habe ich realisiert, es muss halt auch einer von den Hinterbliebenen sein. Und ich weiß bis heute nicht, zu welchem Soldaten er gehört oder zu welcher Soldatin. Der stand am Ende da und sagte, mein Kind hat gemacht, was es wollte. Ja, und hatte Spaß und Erfüllung im Leben, sagt er. Und genau das hilft mir, völlig hinzunehmen, dass das Kind nicht wiedergekommen ist.
TMTravel Management: Also ich denke auch, ich hätte ihn nicht davon abhalten können und wollen, selbst wenn ich jetzt weiß, wie es endet oder wie es geendet ist. Ich kann doch mein Kind nicht davon abhalten, das zu machen, was es machen möchte. Also so habe ich sie ja auch nicht erzogen, meine Kinder. Also ich denke, es war uns immer wichtig zu sagen, überlegt euch, wenn ihr das tut, egal, was ihr tut. Was hat das für Konsequenzen, was bedeutet das für euer Leben? Aber dann müsst ihr entscheiden. Und er war glücklich in der Zeit.
JW: Und während wir vor Konstantins Baum stehen, reden wir auch darüber, ob Tanja Menz die Trauer verändert hat.
TMTravel Management: Ich glaube, dass ganz viele Trauernde, das stelle ich immer wieder fest, gar nicht so plötzlich ganz anders sind in der Situation, sondern ich glaube, man wird klarer in dem, wie man schon immer war, zumindest viele. Also ich denke, der Mensch, der schon immer eher derjenige ist, der nach außen geht, der redet, der tut es auch in der Situation. Und der Mensch, der eher zu Hause ist und mit sich selbst was ausmacht, wird es auch in dem Moment eher tun. Und ich glaube, ich war schon immer jemand, ich konnte immer drüber reden und ich glaube, das hat mir auch gutgetan. Und dann manchmal eben auch anderen, weil eben nicht jeder es kann. Und dann ist es manchmal ganz geschickt, wenn jemand anderes es für einen tut.
JW: Wie haben Sie das bei Ihren Kindern wahrgenommen?
TMTravel Management: Bei denen war das ganz unterschiedlich. Ich glaube, dass wir als Familie noch ein kleines Stückchen… wir waren schon immer eng, aber ich glaube, dass es noch enger geworden ist, weil, denke ich, so jeder schon weiß, es kann auch irgendwie schnell mal was passieren. Jeder ist so individuell in ein kleines Loch gefallen. Die zwei Jüngeren waren noch in der Schule, die haben da irgendwie so ein schulisches Loch gehabt und nach einem halben Jahr wurde es dann wieder besser. Und die Große war im Studium, die hat Leistungssport gemacht, die hatte so einen sportlichen Durchhänger, da lief einfach wettkampfmäßig nichts in dem Jahr. Und danach war es aber auch wieder etwas anders. Aber die haben auch einfach alle so ihre Zeit gebraucht. Und ich glaube, das Wichtige war, die sind einfach auch gut füreinander da gewesen. Und das war natürlich auch der Vorteil, dass es nicht noch nur noch ein Kind gab, das jetzt plötzlich alleine ist, sondern dass es noch drei weitere gab, die immer noch einfach Geschwister hatten, um sich auszutauschen. Aber das war auch schön bei der Trauerfeier, dass wir einfach gleich die anderen, weil er ist ja mit zwei anderen Kameraden gestorben, dass wir die Familien kennengelernt haben, und ich glaube, da hat auch schon an diesem ersten Tag stattgefunden, wir Geschwister geben mal unsere Mailadressen untereinander her und wir Eltern, und da haben sich schon so Gruppen gebildet und ich glaube, das war für alle gut.
JW: Was bedeutet dieser Ort hier für Sie?
TMTravel Management: Für mich ist, glaube ich, das Wichtige, dass es der Ort für alle ist. Ich habe ja das Wort Kameradschaft, glaube ich, neu gelernt durch Bundeswehr. Ich finde, es hat hier einfach noch mal eine ganz andere Bedeutung als sonst eben im normalen Sprachgebrauch. Und ich finde, hier ist eben der Ort, wo all die Soldaten eine Erinnerungsstätte haben, die irgendwie in den Einsätzen mit den Stelen oder auch mit den Bäumen, die anders ums Leben gekommen sind. Und auf dem Friedhof ist jeder für sich und ich finde, hier ist diese Gemeinschaft wieder ein bisschen zusammen. Und Bundeswehr ist einfach, finde ich, eine Gemeinschaft. Und ich glaube, das ist hier in dem Wald am deutlichsten. Und ich finde es auch toll, wie individuell die Bäume sind und wie unterschiedlich die Menschen sind. Und ich glaube, dass Trauer unterschiedlich ist und die Verstorbenen unterschiedlich sind, die Familien unterschiedlich sind. Und trotzdem ist es eine Einheit. Und das, finde ich, ist hier ganz toll.
JW: Ja, es ist so blöd wie es klingt, aber am Ende ist es der Tod, der hier alle irgendwie so ein bisschen verbindet und gleichzeitig die Erinnerung irgendwo.
TMTravel Management: Und ich finde es auch total schön, dass es eben auch auf den Stelen nicht nach Dienstgraden oder nach irgend so was sortiert ist, sondern tatsächlich einfach nach Datum, weil ich meine, im Tod sind alle gleich.
JW: Und nicht nur das, sondern am Ende sind sie auch alle für dieselbe Sache… haben sie ihr Leben gegeben.
TMTravel Management: So ist es. Und ich finde es auch schön, dass es in diesem geschützten Rahmen Kaserne ist und nicht irgendwo Berlin Mitte, wie da damals mal kurz in der Überlegung war.
JW: Warum fänden Sie es da nicht so passend?
TMTravel Management: Es ist da eher so ein bisschen… Ich glaube, es sind mehrere Gründe. Also zum einen denke ich, der Wald so, wie er aussieht. Wenn ich mir den ihn nach Berlin Mitte vor das Reichstagsgebäude stelle, glaube ich, bräuchten wir viel Wachpersonal, dass der noch so aussieht, wie er jetzt aussieht.
JW: Das stimmt, das stimmt.
TMTravel Management: Also dann. Das fand ich irgendwie seltsam, wenn da 1.000 Menschen drumherum stehen, um diesen Wald zu bewachen. Aber ich glaube, anders wird es nicht gehen, weil sonst wären einfach, glaube ich, viele Tafeln nicht mehr da, dafür andere Dinge, Schriftzeichen. Also ich hätte da Bedenken von beiden extremen Richtungen, ob das gut geht und ob ich das so möchte. Und ich glaube auch, dass ich es schön finde, hier auch Ruhe haben zu können. Also ich wollte auch jetzt nicht die spielenden Schüler nebendran haben, die jetzt gerade Fußball spielen und darauf warten und den Lärm von... von allem. Ich finde es, glaube ich, ganz schön, dass es einfach auch ruhig ist. Man hört die Vögel.
JW: Was halten Sie davon, dass das trotzdem gleichzeitig auch Gedenkstätte im Sinne der politischen Bildung ist?
TMTravel Management: Finde ich sinnvoll. Finde ich gut. Also, Ich denke, es ist ganz, ganz wichtig, jungen Soldaten auch noch mal zu verdeutlichen, was tatsächlich ihr Eid letztendlich bedeuten kann. Also ich habe schon ein paarmal erlebt oder zweimal, wenn Herr Eichstädt hier eine Führung hatte, ich irgendwie so durch Zufall dabei war oder dazukam, wie die Menschen schon verändert einsteigen in den Bus im Vergleich zu dem, wie sie ausgestiegen sind.
JW: Er hat diesen Effekt auf Menschen.
TMTravel Management: Ja total. Und ich glaube, dass es wichtig ist, dass junge Soldaten sich diesen Gedanken machen, weil ich denke, es ist auch für die Familien wichtig, eben genau das, was wir vorhin sagten, dass man drüber geredet hat.
JW: Wie alt war Konstantin?
TMTravel Management: 22.
JW: Tatsächlich ein Alter, vier Jahre kurz nach der Schulzeit? Gerade Ende Studium oder so, wenn man das so vergleicht.
TMTravel Management: Ja, genau so, genau. Ja. Und ich denke, man muss einfach..Im Normalfall reden 20-Jährige nicht über: Ich könnte sterben. Wo habe ich mein Testament, wie sieht es mit einer Patientenverfügung aus?
JW: Warum auch?
TMTravel Management: Ja genau. Und ich glaube, das ist auch bei so vielen jungen Soldaten nicht so präsent ist, was auch in Ordnung ist, aber ich glaube, hier merken sie schon noch mal, hey, es kann auch was passieren. Ich muss mir vielleicht doch darüber Gedanken machen.
JW: Und das ist witzigerweise genau das, was hier zu passieren scheint. Also ich habe zu Anfang von der Podcastproduktion, da habe ich eine Führung begleitet von Grundwehrdienstleistenden, die ich hinterher tatsächlich. Da habe ich mir ein paar rausziehen dürfen, wo ich gesagt hab: Und, wie war's? Und zwei geantwortet haben: Ich muss meine Berufswahl überdenken.
TMTravel Management: Ja, auch das.
JW: Und muss mir überhaupt erst mal nicht mehr im Sinne von, oh Gott, ich will das alles nicht mehr. Aber das war ein ganz ernsthafter Gedankenprozess in Gang irgendwie losgetreten worden und der sagt, ich muss für mich jetzt noch mal feststellen, ob ich das kann.
TMTravel Management: Und ich finde, es ist wichtig, dass die das tatsächlich früh entscheiden, kann ich das wirklich. Weil was nützt es uns, wenn wir viele Menschen haben, die aber im Notfall alle sagen, nein, ich kann es nicht. Das sind dann auch nicht die richtigen, die ich gefunden habe. Insofern, glaube ich, ist es wichtig, dass das jeder tatsächlich entscheidet. Kann ich im Notfall auch in Einsatz gehen? Kann ich? Welche Risiken kann ich überhaupt… bin ich bereit einzugehen? Was kann ich tatsächlich machen?
JW: Weil das, glaube ich, im Ernstfall auch genau das Mindset ist, auf das man bauen muss.
TMTravel Management: Und ich meine, wir sehen ja, wie die Welt sich doch leider nicht so friedlich verändert in den letzten zwei Jahren. Und ich denke, da wird es noch wichtiger. Und ich glaube einfach, an so einem Ort ist es viel einfacher und es geht viel schneller, junge Menschen zu diesen Gedanken zu bringen, als ich das mit einem Unterricht im Hörsaal könnte.
JW: Ja, weil es nie wirklich fassbar werden kann.
TMTravel Management: Und hier ist es sofort fassbar. Man steigt eigentlich aus und geht die ersten fünf Meter und man ist drin.
JW: Für mich sind es diese Bäume, diese lebenden Zeichen, durch diese Plaketten, die da dran sind, durch diese da ein Herz, durch die Handabdrücke von den Kindern. Genau das ist nicht wegzudenken.
TMTravel Management: Es gibt den Toten ein bisschen Leben irgendwie. Und ich denke,.auch Kameraden sind einfach auch Hinterbliebene. Und ich glaube, für die ist der Ort auch noch mal wichtig. Nicht nur für uns Eltern. Wir haben vielleicht zu Hause einen Friedhof, sondern tatsächlich auch für die hinterbliebenen Kameraden. Ich meine, die gehen gemeinsam in den Einsatz. Sie waren auch, auch Sie wissen's, man ist dort in so einem Einsatz auch sehr voneinander abhängig. Ja, also mein Leben hängt auch an dem, was du tust. Und ich glaube, das schweißt ganz eng zusammen. Und da sind natürlich Kameraden, die mit dabei waren und die die kennen, für die ist es auch ein wichtiger Ort. Und die können eben, auch wenn es mehrere waren, hier bei allen sozusagen sein.
Ich habe mal einen jungen Soldaten getroffen und er hat vier Kameraden im Einsatz verloren und ist nach dem Einsatz zurückgekommen und zu seinen Freunden und seinen Abikollegen und die sagten alle so, wie war es im Einsatz? Ist irgendwas mal passiert? Und er sagte so, ja, warum kriegt ihr hier nichts mit? Und ich glaube, den Menschen zu sagen, hey, seid mal ein bisschen aufmerksam. Da gibt es in unserer Gesellschaft Menschen, die haben in Einsätzen ganz vieles auch erlebt, auch schwierige Dinge erlebt. Die sind vielleicht nicht mehr so zurückgekommen, wie sie waren. Achtet mal ein bisschen auf die. Oder es gibt, es gibt Hinterbliebene, es gibt Verwundete, und ich glaube, da ist der Wald auch ein ganz guter, ganz guter Ort, um da ein bisschen Bewusstsein vielleicht zu machen. Und für die Soldaten, die herkommen, wünsche ich mir tatsächlich, dass sie sich Gedanken machen, ob sie den Eid, den sie geschworen haben, auch tatsächlich erfüllen können und was sie dafür brauchen. Und dann eben zu sagen, ich muss mit meiner Familie über diese oder jene Themen reden, ich muss vielleicht ein Testament haben, ich muss manche Dinge einfach geklärt haben.
JW: Dieselbe Frage habe ich dem Besucherführer, Stabsfeldwebel Michael Eichstädt, auch gestellt und das ist seine Antwort.
ME: Ich persönlich würde mir wünschen, dass jeder aus dem gewählten Parlament einmal hierherkommen würde auf der Gedenkstätte Wald der Erinnerung, um sich das anzuschauen, damit die Menschen aus dem Parlament sich auch ihrer Verantwortung bewusst sind.
JW: Sie haben es vielleicht rausgehört, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, der Wald Erinnerung ist für jeden zugänglich und jeder kann ihn besuchen. Und dieser Ort ist für mich immer noch, obwohl ich mittlerweile mehrere Male da war, schwer zu fassen, schwer zu beschreiben. Es ist ein Ort, wo man gedenken kann. Es ist Ort, wo man trauern kann. Es ist gleichzeitig aber auch ein Ort, wo man unfassbar viel dazulernen kann. Und das nicht nur über die Bundeswehr und das nicht nur über die einzelnen Soldatinnen und Soldaten, die hier ihre Bäume oder ihre Stelen haben, sondern gleichermaßen einfach auch, was es bedeutet, Soldat zu sein. Und wer diese Menschen in der Uniform vor allem aber auch einfach waren, das ist bei mir hängen geblieben. Und zwar ganz, ganz arg. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Und wenn Sie mögen, schauen Sie einfach mal im Wald der Erinnerung vorbei. Selbst wenn Sie keinen kennen, der einen Namen auf der Stele hat. Danke, dass Sie heute zugehört haben. Ich melde mich ab aus dem Funkkreis.