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14 MIN

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Sprecher: Barbara Gantenbein (BGBrigadegeneral), Frau Oberfeldarzt Sandra (OFA S)

Delta to all. Radiocheck. Over.
Hier ist Bravo. Kommen.
This is Tango. Over.
Funkkreis – Podcast der Bundeswehr.

BGBrigadegeneral: Für viele Menschen in Deutschland ist das verheerende Erdbeben in der Türkei von Anfang Februar fast schon Geschichte. Es wurde einfach überlagert von ganz, ganz vielen anderen Ereignissen. Aber in der Katastrophenregion, da bestimmt es natürlich weiterhin den Alltag. Mehr als 56.000 Menschen sind damals gestorben, ganze Städte wurden zerstört, dem Erdboden gleichgemacht. Weit über 300.000 Gebäude hat das Erdbeben vernichtet oder eben auch so stark beschädigt, dass sie abgerissen werden müssen. Ich habe mir das selbst angeschaut, ich war Anfang März selbst im Erdbebengebiet. Hier ist Barbara Gantenbein aus der Redaktion der Bundeswehr und ich muss sagen, ich war wirklich erschüttert über das Ausmaß der Katastrophe. Die Bundeswehr hat dann im März in der besonders schwer betroffenen Region Hatay ein mobiles Rettungszentrum aufgebaut. Da waren wir dabei, haben uns das angeschaut. Und das Ganze ist deswegen so wichtig, weil genau dort das Krankenhaus der Stadt Altınözü – das ist so eine kleine Kreisstadt – vollkommen zerstört ist. Es steht zwar noch, ist aber so stark einsturzgefährdet, das keiner mehr rein kann. Und jetzt unterstützt die Bundeswehr mit dem mobilen Rettungszentrum nach Abzug der Ersthelfer das Gesundheitswesen vor Ort. Die Bevölkerung in dieser Gegend, die lebt seit dem Erdbeben überwiegend in Zelten, weil die sich auch nicht mehr in ihre Häuser rein trauen, die könnten auch jederzeit zusammenstürzen. Das heißt, die Menschen leben auf engstem Raum, manchmal ganz, ganz viele Personen in einem Zelt zusammen. Die haben keine richtigen Sanitäranlagen, es ist alles nicht gut für die Gesundheit, und unsere Bundeswehrärztinnen und -ärzte haben alle Hände voll zu tun, und dieses mobile Rettungszentrum ist jetzt wirklich wichtig in der Region. Und dort arbeitet meine heutige Gesprächspartnerin. Das ist Frau Oberfeldarzt Sandra, sie ist Ärztin für Allgemeinmedizin und sie behandelt seit der Eröffnung des Rettungszentrums am 23. März dort die Patienten mit allen möglichen Beschwerden. Guten Tag, Frau Oberfeldarzt!

OFA S: Schönen guten Tag.

BGBrigadegeneral: Sie haben ja gemeinsam mit Ihren Kameradinnen und Kameraden inzwischen mehr als 2.000 Patienten im Rettungszentrum behandelt. Wie groß ist denn aktuell der tägliche Andrang und mit welchen Beschwerden kommen die Menschen zu Ihnen?

OFA S: Wir haben so ungefähr 100 Patienten am Tag, die wir sehen, mit einem breit gefächerten Krankheitsbild, also ein breites Portfolio an allgemeinmedizinischen Erkrankungen, vom Kleinkind mit Erkältung bis zum Greis. Teilweise akute Erkrankungen wie Erkältungen, Frakturen, Unfälle, aber auch Infektionskrankheiten wie Skabies oder Diabetes, chronische Erkrankungen.

BGBrigadegeneral: Verstehe. Die eine Infektionskrankheit habe ich nicht verstanden. Was war das?

OFA S: Skabies, die Krätze, aufgrund der Lebensumstände der Bewohner hier, dass die teilweise im Zelt wohnen, dass die mit mehreren Familien zusammenwohnen, ist das natürlich ein Hort für die Bildung von parasitären Erkrankungen.

BGBrigadegeneral: Verstehe. Was gibt es noch für parasitäre Erkrankungen außer Krätze, die jetzt auch bei Ihnen auftauchen?

OFA S: Die klassischen Kopfläuse, die halt auch jeder aus der Schule kennt. Das geht halt auch rum. 

BGBrigadegeneral: Wie schützen Sie sich selbst? 

OFA S: Wenn der Hinweis kommt, es könnten Kopfläuse sein, dann ziehen wir extra noch persönliche Schutzausrüstung an, also extra nochmal Handschuhe und nochmal einen Kittel, nochmal eine Haube, da passen wir schon auf.

BGBrigadegeneral: Wie ist denn das generell? Kommen auch nachts Notfälle? Also, ich sage mal Unfälle oder Herzinfarkte oder so was. Passiert das auch oder klappt das in der Regel in der normalen Sprechstunde?

OFA S: Also, wir haben eine feste Sprechstundenzeit von 9:00 Uhr morgens bis 21:00 Uhr, dann übernimmt der Nachtdienst und dann kommen auch wirklich nur noch Notfälle. Das ist selten, aber das sind Unfälle, das sind akute Herzbeschwerden, Luftnot. Wirklich nur noch Notfälle kommen zu uns und es kommen schon ein, zwei Fälle am Abend, das kommt schon vor.

BGBrigadegeneral: Und wie machen Sie das mit den Schichten? Das ist ja auch bei Ihnen eine ganz dünne Personaldecke. Wie kriegen Sie das hin?

OFA S: Den normalen Regelbetrieb von 9:00 bis 21:00 Uhr machen wir als Allgemeinmediziner. Wir haben uns eingeteilt, zwei übernehmen den Frühdienst und zwei den Spätdienst. Das heißt, jeweils sechs Stunden. Und von 9:00 Uhr abends bis 9:00 Uhr morgens übernehmen unsere anästhesistischen Kollegen und der Internist vom Dienst. Und die halten dann uns den Rücken frei für die Nacht und übernehmen dann die Patienten, die dann in der Nacht kommen.

BGBrigadegeneral: Verstehe.

OFA S: Die Internisten sind in Bereitschaft und die Anästhesisten sind aber vor Ort.

BGBrigadegeneral: Aha, das heißt, da ist dann auch sofort jemand ansprechbar, das ist ja auch ganz gut. 

OFA S: Genau, also Pfleger haben wir vor Ort, wir haben einen Sprachmittler vor Ort und der diensthabende Arzt ist auch immer vor Ort.

BGBrigadegeneral: Sprachmittler. Ist ein sehr wichtiges Stichwort. Wie klappt denn das mit der Verständigung? Gehört das mit zu den größten Herausforderungen?

OFA S: Verständigung klappt super. Wir haben gute Sprachmittler mit aus Deutschland mitgebracht, die uns das Leben wirklich einfach machen. Aber das ist auch die große Herausforderung mit, mit dem Sprachmittler. Da geht vieles an Information auch verloren. Oder es wird halt falsch vermittelt. Nicht alle sind medizinisch geschult, und teilweise sprechen die Patienten nicht türkisch, sondern wir sind so in einem Mischgebiet. Da gibt es viele noch Arabisch sprechende Patienten und dann braucht man noch einen zweiten Sprachmittler. Dann fragen wir halt auf Deutsch die Sprachmittler. Die Sprachmittler übersetzen es in Türkisch zu dem Arabisch sprechenden Sprachmittler und der erzählt es den Patienten. Das ist manchmal ein bisschen wie Stille Post, oder es kommen Angehörige dazu, die uns bei der Übersetzung helfen. Da muss man sich schon ganz schön konzentrieren bei dem Herausziehen von Informationen, was denn jetzt genau das Problem ist.

BGBrigadegeneral: Ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Das ist mit Sicherheit extrem schwierig. Aber Sie haben auch einige Leute dabei, die bilingual sind, also Deutsch und Türkisch von Haus aus können und medizinische Kenntnisse haben. Richtig?

OFA S: Ja, genau. Das ist natürlich, die helfen sehr gut.

BGBrigadegeneral: Wie ist denn das mit den türkischen Medizinerinnen und Medizinern? Da haben sie ja auch welche mit im Rettungszentrum. Wie klappt das? Können die teilweise Deutsch oder Englisch?

OFA S: Viele sprechen recht gut Englisch. Ab und zu kommt auch jemand vorbei, der so ein bisschen Deutsch spricht. Das ist immer ganz nett. Die Zusammenarbeit klappt super, die sind primär eingesetzt vor unserem Rettungszentrum. Die haben dann eigene Zelte aufgebaut und machen primär die Registrierung der Patienten. Hier im türkischen Gesundheitssystem haben halt alle Patienten eine digitale Krankenakte. Die werden dann registriert und sagen halt schon, mit den Problemen kommen die Patienten, und dann kommen sie zu uns, die Patienten. Und im Nachhinein - wir dürfen halt keine Rezepte ausstellen, weil wir ja in der Türkei gar nicht registriert sind als Ärzte, sondern wir schreiben Rezeptwünsche - und die türkischen Kollegen setzen das in ein türkisches Rezept um.

BGBrigadegeneral: Das ist ja auch interessant. Das heißt aber, so direkt Seite an Seite arbeiten sie dann nicht, sondern jeder hat quasi seinen Bereich: Die übergeben ihnen die Menschen zur Versorgung, dann kriegen sie die wieder zurück, um das Rezept auszustellen. Aber so eine direkte, also gemeinsame Arbeit am Patienten findet dann nicht statt, oder?

OFA S: Das haben wir leider nicht. Das gibt aber auch die Räumlichkeit gar nicht her. Also, wir haben jetzt zusätzlich noch einen Kinderarzt, der hat einen eigenen Bereich für sich bekommen, wo er sich halt um die Kinder kümmert. Aber so direkt mit den türkischen Kollegen zusammenarbeiten können wir nicht. Die helfen uns aber ungemein, wenn es darum geht, Patienten vielleicht zügig zu einem Haus weiterzuleiten, was mehr kann als wir. Gerade wenn es Richtung Herzinfarkt geht, wenn vielleicht ein dringendes CT gemacht werden muss, wenn eine elektive Operation gemacht werden muss, dann helfen uns die türkischen Kollegen bei der Koordination oder Kontaktaufnahme mit der Rettungsleitstelle.

BGBrigadegeneral: Verstehe. Das ist natürlich auch ganz wichtig. Sie können ja aber auch selber operieren im Rettungszentrum. Findet das häufig statt? Also, haben Sie viele Operation oder sind das Meiste tatsächlich, ich sage mal, so wie in der Hausarztpraxis Fälle?

OFA S: Wir haben viele kleinere Sachen, die wir hier machen: Eine Wundnaht, eingewachsene Zehennägel, das können wir hier schon machen. Wir haben viele Verbrennungen auch, leider. Das können wir alles gut selber regeln. Wir hatten jetzt ungefähr so 18 größere Operationen, die auch mit einer Narkose einhergehen. Aber natürlich machen wir keine Elektiv-OP. Das ist alles eigentlich im Rahmen Notfall-Operation, Stabilisierung von Frühchen, und dann teilweise müssen wir sie weitergeben.

BGBrigadegeneral: Normalerweise, wenn Sie im Einsatz sind, würden Sie ja komplett anders arbeiten. Also, wenn man sich jetzt vorstellt, mit welchen Situation man in einer Kriegssituation konfrontiert wäre, das ist ja ein ganz anderes Gebiet als das, was jetzt aktuell stattfindet. Ist das eine große Umstellung für Sie?

OFA S: Für mich als Allgemeinmediziner gar nicht. Wenn ich in den Einsatz gehe, gehe ich als Truppenarzt und behandle halt in der Regel doch gesunde Patienten, Soldaten. Als Allgemeinmediziner sind Sie halt ausgebildet, das ganze Spektrum vom Säugling bis zum Greis zu behandeln, auch mit chronischen Erkrankungen. Das sehe ich natürlich im normalen Alltag, in meinem Truppenarztalltag nicht. Aber das ist keine Umstellung hier im Einsatz. Also für uns ist es eigentlich schöner und lehrreicher, mal das gesamte Portfolio zu sehen.

BGBrigadegeneral: Das klingt gut.

OFA S: Und anwenden zu können.

BGBrigadegeneral: Ja, das glaube ich. Na ja, und es ist wahrscheinlich auch richtig, richtig voll, wenn Sie sagen, 100 Patienten im Schnitt am Tag, das ist ja doch eine Menge. Können Sie noch so ein bisschen Ihren typischen Einsatzalltag erzählen, also so, dass man sich ein bisschen vorstellen kann: Wie leben Sie da im Camp? Wie funktioniert das Arbeiten in diesem Zeltsystem? Wie sieht das so aus?

OFA S: Wir sind, wie gesagt, in Zelten untergebracht. Das sind 16-Mann-Zelte, in der Hälfte halbiert, also jeweils acht Betten. Der Alltag ist ganz normal. Wir stehen frühmorgens auf, manche mit, manche ohne Wecker. Dann wird gefrühstückt. Um acht gibt es ein gemeinsames Antreten mit dem Chef, dann wird Visite durchgeführt in der Klinik, wenn wir stationäre Patienten haben oder wir besprechen uns. Der Diensthabende bespricht, was in der Nacht vorgefallen ist und auch, auf was wir uns einstellen müssen. Dann findet meistens für uns noch so eine kleine interne Fortbildung statt. Das macht immer ein anderer Kollege. So fünf Minuten, maximal zehn Minuten Vorträge, dann fängt ganz normal um neun die Sprechstunde an, wie gesagt bis 21:00 Uhr. Mittags gibt es natürlich Mittagessen. 19:00 Uhr gibt es noch mal ein Sammeln, so ein Abschlussantreten oder eine Abschluss-Zusammenziehung des Tages, wo noch mal kurz verkündet wird, dass und das ist passiert. So und so viele Patienten haben wir heute behandelt, auf das und das ist zu achten. Wir haben bei den letzten Treffen am Abend das alte Team zum Beispiel von den türkischen Kollegen verabschiedet, die Neuen Willkommen geheißen, und dann ist irgendwann 21:00 Uhr wie gesagt die Sprechstunde zu Ende, 22:00 Uhr ist ja Nachtruhe, und dann gehen die meisten auch ins Bett. Zeit vertreiben tun wir uns ganz unterschiedlich. Viele machen Sport für sich. Die Pastorin bietet am Sonntag Gottesdienste an, viele treffen sich zu Gesellschaftsspielen oder hören Musik. Und es ist ganz unterschiedlich.

BGBrigadegeneral: Klingt gut. Also, eigentlich Einsatzalltag, nur mit wesentlich mehr Andrang, als in der normalen Role 2 im Einsatz das üblich ist.

OFA S: Ja, genau.

BGBrigadegeneral: Mir ist aufgefallen, ich war ja zu Beginn des Einsatzes da in Altınözü und konnte sehen, wie das Camp aufgebaut wurde und so. Es war unglaublich beeindruckend für mich, weil ich gemerkt habe, dass da so eine wahnsinnig große Motivation dahintergesteckt hat, weil man wirklich was machen kann, helfen kann und so weiter. Ist es immer noch so? Empfinden Sie das persönlich auch so, dass die Motivation besonders hoch ist und ein ganz, ganz doller Zusammenhalt da ist?

OFA S: Klar, der Zusammenhalt ist da. Wir sind jetzt hier knapp 140 Soldaten. Der Großteil wird aus Leer als Leitverband gestellt und die anderen Kameraden sind halt bunt aus dem gesamten Bundesgebiet herangezogen worden zur Unterstützung. Das klappt super, die Motivation ist da. Es freuen sich auch alle, wirklich helfen zu können. Und wie gesagt, für uns als Allgemeinmediziner ist das schon was ganz Besonderes.

BGBrigadegeneral: Ja, das ist schön. Also man kann durchaus sagen, es ist auch eine bereichernde Arbeit.

OFA S: Ja!

BGBrigadegeneral: Ja, schön. Wie ist denn das: Die Leute waren ja wahnsinnig dankbar am Anfang, dass jetzt da was passiert, dass die Bundeswehr da ist, dass geholfen wird und so, und wir haben es am Anfang sogar erlebt, dass die Nachbarn kamen und uns türkische Pizza gebracht haben, obwohl die ja selbst nichts haben, in Zelten leben und so weiter. Ist das immer noch so? Ist diese Dankbarkeit immer noch so überwältigend? Und kommen auch mal genesene Patienten vorbei? Wie ist das?

OFA S: Es ist immer noch so, dass die Patienten unheimlich dankbar sind. Die freuen sich, dass wir hier sind. Die überhäufen uns mit Segenswünschen. Die alten Damen und Herren verteilen Bussis und haben Tränen in den Augen und sind froh, dass wir da sind. Das ist unheimlich schön zu sehen. Das kennen wir so gar nicht aus Deutschland oder von anderen Einsätzen.

OFA S: Bei der Frage ist mir eine Patientin sofort in den Kopf rumgegeistert. Eine kleine Patientin, die war vielleicht acht Jahre, die ist gestürzt, und die war supertapfer. Wir mussten sie an der Augenbraue nähen und ein paar Tage später kam sie wieder mit einem riesengroßen Blumenstrauß, selbst gepflückte Blumen, und hat nur gemeint, ich bin wieder da, und hat uns diesen Strauß geschenkt.

BGBrigadegeneral: Ach, wie süß!

OFA S: Das war wirklich schön. Und als die Behandlung abgeschlossen war, kam sie wieder mit ihrem Opa und hat uns noch einen Blumenstrauß gebracht. Und das war einfach richtig schön.

BGBrigadegeneral: Ja, das ist total ... solche Sachen sind super.

OFA S: Ansonsten haben wir gar nicht so viel Rückmeldungen von Patienten. Manchmal kommen halt Angehörige, die wir halt auch behandelt haben, die wir neu behandeln. Die haben gesagt Ja, Sie haben ja meinen Sohn oder meinen Vater behandelt, und der war total begeistert, und es geht ihm super. Und jetzt wollte ich mich auch mal vorstellen. Und viele haben uns auch versprochen - wir sind ja gerade im Ramadan und am Wochenende wird Ramadan beendet. Viele haben versprochen, nochmal vorbeizukommen und sich nochmal selber zu bedanken, und da bin ich gespannt, wen wir alles sehen.

BGBrigadegeneral: Oh ja, das glaube ich. Das ist dann bestimmt Fastenbrechen, und dann Zuckerfest und was dann so kommt, das ist bestimmt dann nochmal eine ganz besondere Situation. Das ist toll. Generell, die Erfahrungen, die sie alle, also nicht nur jetzt Sie als Ärztin, sondern auch der Rest des Kontingents, die Erfahrungen, die Sie jetzt machen in dieser Situation, würden Sie sagen, das ist auch hilfreich, falls wir hier in Deutschland mal eine Katastrophensituation haben? Also: Kann man da Dinge, Erfahrungen, mitnehmen, die man dann auch zu Hause sinnvoll weiterentwickeln kann?

OFA S: Definitiv kann man das. Also primär sind wir ja dafür ausgebildet, in den Einsatz zu gehen und Kriegsverletzungen, Einsatzverletzungen, zu behandeln. Aber das sind natürlich hier ganz andere Szenarien, die wir sehen. Also für Katastropheneinsätze erwartet uns einfach ein ganz anderes Patientenklientel. Wir müssen uns definitiv breiter aufbauen und aufstellen, was die Versorgung von Kindern und auch von Schwangeren angeht. Und halt auch an chronischen Erkrankungen, das sehen wir halt hier. Es sind wirklich viele Patienten, die chronisch krank sind. Die haben seit dem, seit dem Erdbeben nehmen sie keine Medikamente mehr, weil die Medikamente vielleicht unter den Trümmern verschwunden sind. Die haben auch keine Medikamentenpläne mehr, um sich die Medikamente zu holen. Und somit sehen wir ganz viele dekompensierte chronische Erkrankungen, und das ist hier gang und gäbe.

OFA S: Darauf muss man sich halt einstellen. Dass ein entgleister Blutzucker kommt, ein entgleister Blutdruck, und dass Krebspatienten vielleicht gar nicht an ihre Therapien kommen. Natürlich sind auch Ärzte teilweise verstorben oder weggezogen, die vorher Ansprechpartner für die Patienten waren, auf das muss man halt alles eingehen, und dass sind Erfahrungen, die kann man hoffentlich ausbauen und entsprechend umsetzen, um sich besser vorzubereiten beim nächsten Mal.

BGBrigadegeneral: Das glaube ich. Das war sehr spannend. Ich danke Ihnen, dass Sie sich jetzt die Zeit genommen haben und mit mir gesprochen haben und ich wünsche Ihnen noch alles Gute für die weitere Arbeit in der Türkei. Vielen Dank und alles Gute nach Altınözü!

OFA S: Ja, vielen Dank. Schönen Tag noch.

BGBrigadegeneral: Das war Oberfeldarzt Sandra aus dem mobilen Rettungszentrum der Bundeswehr in Altinözü im Erdbebengebiet in der Südosttürkei. Der Einsatz Humanitäre Hilfe Türkei ist geplant für acht Wochen. Das war der Funkkreis für heute, ich melde mich ab, machen Sie’s gut. Tschüss.

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