Funkkreis #88: Evakuierungsoperation

Funkkreis #88: Evakuierungsoperation

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10 MIN

Delta to all. Radio check. Over.
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Funkkreis – Podcast der Bundeswehr

A: Herzlich willkommen zum heutigen Podcast. Hier ist Barbara Gantenbein aus der Redaktion der Bundeswehr in Berlin und unser Thema heute sind Evakuierungsoperationen. Wenn deutsche Staatsbürger in einem Krisengebiet in Lebensgefahr sind und evakuiert werden müssen, dann kommt häufig die Division Schnelle Kräfte, die DSKDivision Schnelle Kräfte, zum Einsatz. Und bei der DSKDivision Schnelle Kräfte ist Oberstleutnant Chris Gonter der Beauftragte Nationales Risiko und Krisenmanagement zum Schutz deutscher Staatsangehöriger im Ausland und Dezernatsleiter Planung. Ihn habe ich jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Oberstleutnant.

B: Ja, guten Tag.

A: Herr Oberstleutnant, danke, dass Sie sich die Zeit nehmen. Welche Kräfte sind denn an einer Evakuierungsoperation beteiligt?

B: Ja, das ist ein Mix aus vielen unterschiedlichen Fähigkeiten aus den unterschiedlichen Teilstreitkräften wie zum Beispiel dem Heer. Wir als Division Schnelle Kräfte stellen den Kern der Kräfte. Aber es kommen immer wieder auch Kräfte der Luftwaffe dazu, um halt die Lufttransportmittel zu haben, und auch Seeeinheiten, die dazukommen können, aber auch aus vielen anderen Bereichen, insbesondere die Feldjäger, die wir für Evakuierungsoperationen brauchen, Sanitäter. Also das ist immer ein Mix aus Fähigkeiten, die wir auch ständig bereithalten.

A: Und welche Aufgaben haben welche Kräfte? Also was machen zum Beispiel die Fallschirmjäger?

B: Unsere Fallschirmjäger, das sind die, die die Evakuierung durchführen, unmittelbar, die für Sicherheit sorgen und auch für den Schutz der zu evakuierenden Schutzbefohlenen zuständig sind. Die Feldjäger unterstützen beispielsweise bei der Registrierung.

A: Okay. Und das medizinische Personal, klar. Haben Sie denn dann auch, weil Sie vorhin auch Luftwaffe ansprachen, abgesehen zum Beispiel von den Piloten, so etwas wie Air Mobile Protection Teams dabei?

B: Die sind manchmal dabei. Das ist dann der Fall, wenn die Maschinen ohne Sicherungskräfte, Fallschirmjäger, unterwegs sind, das ist beispielsweise bei Abholung denkbar. Dann müssen die praktisch für den Schutz der Maschine sorgen, die sind auch Teil der Besatzung.

A: Und wie sieht es denn aus mit Dolmetschern?

B: Dolmetscher, das hängt davon ab, in welche Krisenregion wir gehen müssen. Es gibt welche, die sind ad hoc verfügbar. Aber insbesondere, wenn es schwierige Sprachen sind, die nicht, sage ich mal, gängig sind, werden wir in der Regel auf die Schnelle Schwierigkeiten haben, auch welche zu bekommen. Das ist eher Zufall.

A: Verstehe. Es gibt ja auch diese Krisenunterstützungsteams, die auch Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes beinhalten, Diplomaten. Ist das gängige Praxis oder sind das dann eher Ausnahmefälle?

B: Nein, das ist gängige Praxis. Wir haben bereits vor Krisen als Krisenvorsorgemaßnahme sogenannte KVTs, also Krisenvorsorgeteams. Das sind Teams, die aus Kräften vom Militär, von uns, aber auch vom Auswärtigen Amt eingesetzt werden, um verschiedene Länder zu beraten, vorzubereiten, Daten zu erheben, damit wir in einer Krise schneller reagieren können. Und in einer Krise werden dann die sogenannten KUTs, also Krisenunterstützungsteams, eingesetzt. Das sind auch gemischte Teams, die dann zur Unterstützung der Botschaft entsandt werden oder auch in Gastländer entsandt werden können, um hier die Verbindung herstellen zu können, insbesondere dann das Handling mit den zu Evakuierenden sicherzustellen.

A: Gibt es auch bestimmte Situationen, wo zwingend Soldatinnen dabei sein müssen, weil es in Länder geht, in denen Frauen nur mit Frauen reden oder auch von Frauen durchsucht werden dürfen?

B: Nein, da gibt es keine Auflagen. Das ist also kein Muss, aber es ist natürlich immer wünschenswert, weil es einfach uns dann mehr Optionen gibt, wie Sie gerade schon geschildert haben. Das ist dann hilfreich in solchen Situationen, dann da noch auf bestimmte Dinge Rücksicht zu nehmen. Von daher ist das immer wünschenswert, für uns auch da einen Mix zu haben, um dann entsprechend unsere Aufgaben wahrzunehmen. Aber im Kern kommt es darauf an, dass wir die Fähigkeiten bereitstellen, und das ist halt nicht mit irgendwelchen Quoten oder so versehen. Es sind die da, die da sind.

A: Verstehe. Üben die denn regelmäßig zusammen, damit die nachher auch wissen, was der jeweils andere Truppenteil macht und sich auch ein bisschen, ich sage mal, blind aufeinander verlassen können?

B: Ja, klar. Das ist die Voraussetzung, dass so eine Operation überhaupt funktionieren kann, weil diese Operationen immer ad hoc, also überraschend kommen, weil oft nicht vorhersehbar, müssen also in der Lage sein, schnellstmöglich, praktisch mit Fingerschnipp, müssen wir bereit sein, diese Kräfte zu stellen. Das erfordert, dass wir immer zusammen auch trainieren und das auch ständig wiederholen, damit der Ausbildungsstand sehr hoch ist und auch die persönliche Einsatzbereitschaft, also vom Impfen, über Schießausbildung, alles, was dazugehört, muss ständig auf höchstem Stand gehalten werden. Auch die schnelle Erreichbarkeit ist ein Schlüssel zum Erfolg, damit wir auch schnell, jederzeit, am Wochenende, in Urlaubsphasen, die Truppen zusammenkriegen, die dann diesen Auftrag auch wahrnehmen müssen.

A: Ja, das ist klar. Es gibt ja die unterschiedlichsten Möglichkeiten, Menschen zu evakuieren. Über Land, über See und eben auch per Lufttransport. Können Sie mir da noch ein bisschen etwas zu erzählen, was da so die größten Unterschiede sind, möglicherweise auch in der Zusammensetzung der Teams, also ich denke, wahrscheinlich über See ist das Seebataillon mit beteiligt, welche Unterschiede es da so gibt?

B: Wir haben grundsätzlich verschiedene Optionen, Evakuierungen durchzuführen. Das hängt wesentlich von den geografischen Möglichkeiten ab und wie die Umgebung im Raum ist. Im Prinzip wählt man immer die Möglichkeit, die grundsätzlich am schnellsten ist. Das ist erstmal auf dem Luftweg. Darum ist das auch die wahrscheinlichste Option. Dann gibt es Länder, die haben Seezugänge, und wenn wir dann Seemittel, also Schiffe in der Nähe haben, dann können die auch zum Einsatz kommen. Die werden gegebenenfalls auch in anderen Aufträgen, wo sie sich gerade befinden, herausgelöst, um hier schnell helfen zu können. Man macht also ganz am Anfang eine Überlegung, welche Mittel haben wir zur Verfügung ad hoc, und dann weiß man auch, welche man zum Einsatz bringen kann. Bei der Landoption, die kommt dann immer zum Tragen, wenn wir nicht direkt auf einem Evakuierungspunkt, einem Flugplatz landen können, sondern noch zu Sammelpunkten hin müssen, um die zu Evakuierenden dort abzuholen, weil sie nicht zu einem Flugplatz direkt kommen können. Dann brauchen wir auf alle Fälle eine Landoption, die wir mitdenken, oder auch die Option, mit Hubschraubern dort hinzugehen, um sicherzustellen, dass wir dann zum Flugplatz erstmal kommen in einem ersten Schritt, um dann über den Flugplatz die Evakuierung in ein Gastland beispielsweise sicherstellen zu können.

A: Benötigen alle Beteiligten eine Spezialausbildung, die daran mitwirken? Also ich weiß, es gibt solche Großübungen, den Schnellen Adler, über den haben wir ja auch Videos auf dem Bundeswehr Youtube-Kanal. Da sieht man so ein bisschen, was da passiert. Aber setzt das voraus, dass alle Beteiligten spezielle Ausbildungen erhalten haben?

B: Jeder ist im Wesentlichen in seiner Fachlichkeit gefordert. Das heißt, das Zusammenspiel aller Fachlichkeiten, das ist die Herausforderung und darum müssen wir auch solche Übungen wie den Schnellen Adler machen, um auch dieses Zusammenwirken und das gemeinsame Verständnis auch zu stärken, um dann tatsächlich, wenn so etwas schnell abgerufen wird, dass es dann auch funktioniert.

A: Werden Sie denn von Deutschland aus unterstützt? Also zum Beispiel mit Satellitenbildern oder mit Nachrichten über die Lage vor Ort, also werden die Teams dann unterstützt?

B: Wir sind natürlich bemüht, stets schnell ein Lagebild zu bekommen. Das ist eine Herausforderung. Ich hatte ja schon berichtet, dass diese Einsätze relativ ad hoc kommen, und da brauchen wir schnell ein Lagebild. Da werden auch alle Mittel eingesetzt und Informationsquellen, Sensoren die es gibt. Von der Bundeswehr, aber auch insbesondere die Informationen, die wir über die Botschaft kriegen, die ja vor Ort sind, die werden zusammengetragen, um dieses Lagebild zu haben und auch zu wissen, was jetzt der beste Einsatz der Mittel ist, um diese, sage ich mal, Krisensituation zu lösen.

A: Wenn die Menschen dann an diesem Evakuierungspunkt eingetroffen sind, wie kann man erkennen, ob es wirklich die richtigen Personen sind? Also speziell, wenn die vielleicht ihre Papiere verloren haben oder sich ohnehin nicht ausweisen können, weil sie eben aus einer ganz besonders gefährlichen Situation kommen.

B: Sie sprechen erst die Sonderfälle an. Das ist immer schwierig. Der Regelfall ist, dass im Ausland man sich auf eine Liste eintragen kann, damit das Auswärtige Amt eine Übersicht hat, wer sich im Land befindet. Das ist in gängigen Urlaubsländern jetzt nicht so der Fall. Viele wissen das jetzt auch gar nicht, aber wenn ich in einer Krisenregion unterwegs bin, ist es schon hilfreich. Weil diese Liste ein Überblick mit Erreichbarkeiten ist, sodass bei einer Krise auch hier über die Botschaft Informationen gestreut werden können, wo beispielsweise der Sammelpunkt eingerichtet wird, um auch hier sicherzustellen, dass man die, die evakuiert werden sollen, dann auch erfassen kann. Aber es gibt eine große Dunkelziffer, die sich nicht eintragen, oder, wie Sie gerade geschildert haben, Sonderfälle, wo es schwierig ist. Da muss vor Ort eine Entscheidung getroffen werden.

A: Wenn man jetzt Personen dabeihat, die möglicherweise nicht nur verängstigt sind, sondern auch verletzt, traumatisiert, werden die dann schon während der laufenden Operation medizinisch betreut?

B: Wenn wir das vor Ort haben, ja. Also wir unterstützen das auch. Die Sanitätskräfte, die wir haben, sind also nicht nur für uns Soldaten zuständig, sondern auch für die zu Evakuierenden, wenn entsprechend Bedarf da ist. 

A: Und wie ist das aus Sicht der zu Evakuierenden? Was dürfen die denn mitnehmen, gesetzt den Fall, es läuft einigermaßen geordnet ab und die stehen auf der Liste, werden informiert und dann wird evakuiert. Was können die mit an Bord nehmen?

B: Ich glaube, das ist auch einzelfallabhängig, das kann man so pauschal gar nicht sagen. In der Regel kann man aber sagen, das, was sie als Handgepäck mit dabeihaben, also möglichst wenig.  Der Transportraum ist begrenzt und wir können halt nicht viel mitnehmen. Und wenn einer dann mit ganz vielen Koffern kommt, dann wird es schwierig, weil man dann vor Ort entscheiden muss, ob jemand zurückbleibt gegebenenfalls oder der Koffer zurückbleibt, und das wird dann der Koffer sein.

A: Ja klar, natürlich. Und ich nehme mal an, die Feldjäger haben ihre Diensthunde dabei und im Einsatz. Also, wir haben das gesehen in der Bilderstrecke, aber ich glaube, wenn jetzt ein Botschaftsmitarbeiter oder Botschaftsmitarbeiterin ein Haustier mitnehmen will, ist wahrscheinlich auch Ende der Fahnenstange, oder?

B: Das kann passieren. Ich sage ja, es gibt da keine Vorschriften bei uns, sondern das muss mit Augenmaß vor Ort entschieden werden, wie die Situation ist. Was geht, das wird auch gangbar gemacht, aber irgendwo hat es seine Grenzen. Und dann muss man natürlich auch um Verständnis bitten, dass dann bestimmte Dinge eben dableiben müssen.

A: Ja, absolut. Letzte Frage. Die Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt, wer hat denn für was die Federführung und wie wird das Ganze geführt, also die ganze Operation?

B: Also, es gibt erstmal zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Auswärtigen Amt eine intensive Zusammenarbeit. Die machen gemeinsame Krisenstabsitzungen, um hier schnell ein Lagebild zu haben. Und für diplomatische Evakuierungen ist das Auswärtige Amt zuständig. Das ist in der Regel, wenn die Lage nicht so gefährlich ist, wo man auch mit dem Flugzeug reinfliegen kann, die zu Evakuierenden aufnimmt und die dann praktisch rausfliegt, ohne dass man eine Gefährdungslage hat. Wenn es aber in den Bereich einer Gefährdung kommt, dann geht es über zu einer militärischen Evakuierung. Dann übergeht die Verantwortung zum Bundesministerium der Verteidigung und dann kommen wir ins Spiel als Division Schnelle Kräfte.

A: Herr Oberstleutnant Gonter, ganz herzlichen Dank für diesen Einblick. Ich denke, dass wird gerade in der aktuellen Situation viele Menschen interessieren.

B: Jawohl.

A: Das war unser Podcast zum Thema Evakuierung für heute. Nächste Woche gibt es dann den nächsten Podcast wie gewohnt am Donnerstag. Ich wünsche Ihnen eine ruhige Woche, machen Sie es gut. Ich melde mich ab aus dem Funkkreis. Tschüss.