Funkkreis #86: Smart Targets erobern die Schießbahn
Funkkreis #86: Smart Targets erobern die Schießbahn
- Datum:
- Lesedauer:
- 20 MIN
Sprecher: Hauptmann Jens Matthies (JM), Oberstabsgefreiter André Haempel (AH) und Oberstabsgefreiter Alex Peters (AP), Redakteurin Amina Vieth
Delta to all. Radio check. Over.
Hier ist Bravo. Kommen.
This is Tango. Over.
Funkkreis – Podcast der Bundeswehr
Amina Vieth: Die Schießausbildung in der Bundeswehr soll digitaler und moderner werden. Was das genau bedeutet, das erklären uns heute der Schießlehrer Hauptmann Jens Matthies, der Oberstabsgefreite André Haempel und der Oberstabsgefreite Alex Peters. Mein Name ist Amina Vieth aus der Redaktion der Bundeswehr. Hallo.
Jens Matthies: Hallo.
André Haempel: Hallo.
Alex Peters: Hallo.
AV: Sie waren also alle in Wildflecken und durften dort zum ersten Mal auf die sogenannten Smart Targets schießen, worüber wir schon ein bisschen berichtet haben und was, glaube ich, auch schon ein bisschen durch die Truppe geht. Können Sie uns mal kurz erklären, was das genau bedeutet?
JM: Ja, ich fange einfach mal an. Wir haben ja das Problem der Schießausbildung der Bundeswehr, dass das ein sehr veraltetes System ist. Und da ist man jetzt dran, dass man das alles modernisiert. Dass man autonome Systeme hat und nicht Sachen, die sich statisch auf Schienen bewegen. Und da sind halt mehrere Aspekte drin. Unter anderem die autonom fahrenden Ziele. Dann eine Software, die alle Ziele miteinander verknüpft. Sodass man auch ein vernünftiges Auswertsystem hat, das die Qualität der Schießausbildung anheben kann.
AV: Und Sie kennen sich damit so gut aus, weil Sie Schießausbilder sind. Korrekt?
JM: Schießlehrer. Beziehungsweise: Ich habe bei der Bundeswehr Maschinenbau studiert. Deswegen verstehe ich auch die Systeme dahinter, was die zivilen Ingenieure gemacht haben oder die Wehrtechnischen Dienststellen. Und ich denke, dass man damit gut arbeiten kann.
AV: Wie muss ich mir das jetzt vorstellen? Also, wie läuft eine Schießausbildung regulär aktuell noch bei der Bundeswehr ab?
JM: Aktuell ist es ja so, dass wir in der Schießausbildung den einfachen Soldaten leider nicht den Dienst an der Waffe beibringen, sondern wir trainieren den Soldaten, dass er einfach eine Schießübung absolviert. Und die muss er versuchen, in der Realität irgendwann dann umzumünzen. Und da ist eine große Lücke meiner Meinung nach, weil wir ja nur auf Klappfallscheiben schießen. Die sind immer auf den gleichen Entfernungen: 500 Meter, 400 Meter, 300 Meter. Sie werden niemals irgendwo eine Schießanlage finden mit 321,3 Metern. Und die Übung, die wir schießen, da geht es nicht darum, irgendwelche Abläufe aus der Realität widerzuspiegeln, sondern es ist nur: Er kann halt diese Übung absolvieren. Hurra.
AV: Klappfallscheiben – damit meinen Sie, dass sie hochkommen und dann schießt man einmal darauf und dann fallen sie wieder runter.
JM: Genau. Und real funktioniert das so nicht. Wenn jemand ein Schutzsystem trägt oder sonst irgendetwas, ich schieße einmal auf den, dann wird er in der Regel – je nachdem, wie gut sein Schutzsystem ist – einfach weiterkämpfen.
AV: Und wie kommen da jetzt diese Smart Targets ins Spiel? Das müssen wir einmal kurz erklären. Das sind wie Dummys auf vier Rädern und ferngesteuert. Oder?
JM: Ja, ich sage immer: Das ist mein Rasenmähroboter, den ich im Garten habe, wo ich einfach eine Modepuppe darauf gestellt habe, auf die man dann schießen kann. Da hat das System Vor- und Nachteile noch, da es auch noch in der Erprobung ist. Aber was halt schön ist: Man kann den Dummy programmieren – nach wie vielen Treffern er abklappen soll. Er hat mehrere Sektoren in seinem Körper. Einmal die geschützte Seite des Soldaten, der Dummy hat einen Helm, auch einen Plattenträger, nur seine Arme sind frei. Und wenn ich zum Beispiel seine Arme treffe, könnte er verwundet sein. Die fahren durchs Gelände, der kann abklappen, er kann sich also auch verdeckt verschieben, sodass ich nicht sehe, was er gerade macht, wenn er die Geländegegebenheiten ausnutzt. Und er kann andere auch steuern. Man kann die komplette Anlage programmieren. Die anderen Ziele, die sich auf der Anlage befinden, kann er taktisch und in einem vernünftigen Zusammenhang programmieren. Das konnten wir bisher aktuell nicht, sondern wir mussten uns immer mit Zielgruppen festlegen, wo unterschiedliche Zielgruppen auftauchen oder auch nicht. Der Soldat musste für sich die Transferleistung bringen: Die greifen mich jetzt an. Die Zielscheiben gehen bei 400 Meter, dann gehen sie auf 300 Meter, dann gehen sie auf 200 Meter auf vorher. Und die Soldaten konnten dabei nicht sehen, dass sich was durch das Gelände bewegen sollte. Das kann man jetzt real sehen, wie sich etwas durch das Gelände bewegt.
AV: Dann fragen wir doch mal die Soldaten, die das schon erprobt haben in Wildflecken und schon darauf geschossen haben. Wie ist das denn?
AP: Grundsätzlich macht das schon mehr Spaß, auf bewegliche Ziele zu schießen als auf feste, statische Ziele.
AH: Es ist eine viel größere Herausforderung, auf diese Ziele zu wirken. Man weiß halt nicht, ob er jetzt hochfährt, runterfährt, kommt er mir entgegen, fährt er vor mir weg, wann klappt er ab, treffe ich den auch, wenn er auf einmal schneller oder langsamer wird? Man muss sich sehr schnell reinfuchsen in das Ganze. Deshalb ist es auch eine viel größere Herausforderung für einen, finde ich persönlich, und auch eine viel bessere Übung für den Soldaten an sich. Denn eine Klappfallscheibe trifft man einmal, die klappt um und dann hat man sie bekämpft. Und bei dem Dummy geht das so nicht.
AV: Wie muss ich mir das ganz konkret vorstellen? Also: Wir sind jetzt auf dem Truppenübungsplatz und da sind ja auch schon verschiedene Hindernisse, wenn Häuserkampf erprobt wird oder so, dann fahren diese Smart Targets dort herum und greifen an, fahren weg, verstecken sich oder wie läuft das? Oder fahren die immer nur eine Strecke 50 Meter rauf und runter?
JM: Je nachdem, wie man das programmiert. Aktuell war es ja immer so mit dem alten System: Das Ziel wird bekämpft, klappt ab, Thema durch. Und jetzt durch die Smart Targets kann man natürlich mal einen schlauen Feind darstellen. Wir trainieren ja immer nur gegen einen dummen Feind, aber real werden wir halt keinen dummen Feind treffen, sondern die können sich natürlich auch bewegen. Und je nachdem, was ich für eine Schießbahn oder für ein Gelände habe, kann ich dem Smart Target natürlich sagen, du nutzt deine Geländegegebenheiten aus, die du hast. Du kannst dich verdeckt oder gedeckt verschieben, du kannst hinter irgendeinem Wall auch mal Stellung beziehen oder auf uns wirken.
AV: Was heißt, auf uns wirken?
JM: Der macht ja auch Geräusche. Man kann den natürlich nicht scharf auf uns schießen lassen, das funktioniert nicht.
AV: Vielleicht auch besser so.
JM: Ja. Man muss auch dazu sagen, dass das ja irgendwo eine Modellbildung ist, also ein Abbild von irgendeiner Realität. Und die Realität beim Töten ist halt begrenzt. Wir können uns hier nicht gegenseitig über den Haufen schießen. Aber der Dummy, der kann sich auf 400 Metern quer bewegen mit 18 Kilometern in der Stunde, dann wird das schon schwer, den zu treffen. Der kann auch mal abrupt stehen bleiben – so wie man das real auch macht. Und das machen die alten Systeme, also die Schienensysteme, die wir haben, die machen das nicht. Das klappe ich auf, lasse es fahren. Wenn es am Ende angekommen ist, klappt es wieder ab und das Thema ist durch. Und somit kann ich mit dem Dummy auf sämtlicher Entfernung sämtliche Bewegungsarten einfach darstellen. Das ist natürlich schon für die Fähigkeiten, um Schützen zu trainieren, eine extreme Steigerung seiner Schießfähigkeiten, wenn er das schafft. Da komme ich halt mit dem, was wir bisher gemacht haben, nicht mehr ganz so weit vorwärts.
AV: Da es ja ein Schießtraining ist und sie jetzt auch gerade sagten, dass es schwieriger ist, der Dummy sich bewegt oder das Smart Target bewegt sich und kann auch auf die Soldaten wirken beziehungsweise angreifen, indem es Schießgeräusche macht und auf einen zufährt, nehme ich mal an, dann ist die Trefferquote wahrscheinlich auch nicht mehr so hoch. Und dann richte ich diese Frage mal an die Schützen, die hier gerade sitzen. Wie war das denn? War man da erst einmal enttäuscht?
AP: Nein, nicht enttäuscht unbedingt. Aber man hat erstmal gesehen, dass man ganz anders schießen muss, um überhaupt in die Richtung zu kommen, wo das Target langfährt. Bei einer Schützenscheibe, die von links nach rechts gezogen wird, da kann man das relativ gut absehen, wann die Scheibe wo ist. Aber bei dem Target war das erst einmal so: Okay, der war jetzt daneben. Der jetzt auch. Okay, dann probiere ich das jetzt so. Irgendwann hat man sich dann schon relativ schnell reingefuchst eigentlich. Und dann ging es. Aber es ist viel realitätsnäher, wenn man gegen so Target kämpft als gegen eine Scheibe. Deswegen ist das ein ganz anderes Bild, das da abgebildet wird.
AP: Grundsätzlich habe ich das auch noch so gelernt, dass man mit einer Vorhaltemarke arbeitet, wenn sich das Ziel von links nach rechts bewegt. Auf den Schienensystemen war es halt immer einfach, weil es immer dieselbe Vorhaltemarke ist, immer in derselben Geschwindigkeit. Und bei den Targets funktioniert das ganz einfach nicht, weil das System unterschiedlich schnell fährt. Man muss immer reinschießen. Also sucht man sich einen Punkt aus – Schuss, Schuss. Je näher das Target kommt oder mein Feind, umso höher meine Kadenz. Das muss man auch erstmal lernen.
AV: Da muss ich kurz fragen: Was ist eine Vorhaltemarke?
JM: Wenn sich ein Ziel von links nach rechts bewegt und ich schieße genau auf das Ziel, bei einer zu hohen Entfernung schieße ich dann immer hinter dem Ziel, weil das Ziel sich ja bewegt. Deswegen muss ich halt in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit vom Ziel und von meiner Entfernung vor dem Ziel vorhalten. Bei den alten Systemen ist das, dass diese Schienensysteme wirklich mit Wasserwaagen ins Gelände eingelassen worden sind, die fahren immer gerade. Die werden niemals berghoch, bergab fahren oder sonst irgendwas. Da gibt es keine Geländeunebenheit. Die haben immer die eine einheitliche konstante Geschwindigkeit. Wenn ich einmal weiß, wie ich vorhalten muss, treffe ich immer. Ich muss es also nur einmal herausfinden und das Thema ist durch. Bei den Smart Targets ist es so, dass der Rasenmähroboter über das Gelände fährt, dadurch wackelt er. Er ist mal ein bisschen hoch, mal ein bisschen weniger. Ich kann programmieren, dass er von langsam nach schnell fahren soll, dass er Sprünge in seiner Geschwindigkeit haben soll, dass er vielleicht mal den Berg ein bisschen hochfährt oder wieder ein Stück runterfährt. Dass er nicht einfach nur stumpf von rechts nach links fährt, sondern auch mal diagonal nach unten oder nach oben. Das heißt, dann kann ich nicht mehr nur links, rechts vorhalten, sondern muss auch unten, oben vorhalten. Damit mache ich das ganze System natürlich komplexer. Und das ist das, was die Kameraden gerade gesagt haben: Da muss man schießtechnisch natürlich schon ein bisschen besser ausgebildet werden.
AV: Hat man denn auch gleich einen Effekt? Wenn man diese Übung macht oder dieses Training absolviert, hat man dann gleich das Gefühl, dass man viel mehr gelernt hat als bei den letzten 20 Übungen, wo ich nur auf diese normalen Klappfallscheiben geschossen habe?
AP: Das ist schwierig zu erklären. Dieser Prozess hat den ganzen Tag gedauert, bis man das überhaupt verinnerlicht hat. Schon direkt nach dem ersten, zweiten Schuss merkt man: Okay, das, was ich gelernt habe, ist bei dem System einfach mal Grütze. Das funktioniert halt einfach nicht. Es wirklich vorher so: Einen Schuss, ich musste keine Schussbeobachtung machen. Wenn der nicht getroffen hatte, habe ich meinen Haltepunkt ein bisschen verändert. Der zweite war dann schon drin. Und dann wusste ich: Okay, das ist mein Haltepunkt. Jetzt ist so, dass ich wirklich schießen muss, eine Schussbeobachtung machen. Gucken, wo der Dreck aufspritzt sozusagen. Okay, das hat nicht gepasst und dann muss man sich halt wirklich reinschießen. Der Effekt ist also direkt nach dem ersten Tag vorhanden, dass mein System, das man gelernt hat, verändern muss.
AH: Und das System, was man dann da hat, da lernt man. Das kann man immer wieder und überall anwenden. Ob das bei den Scheiben ist oder bei diesen Targets. Nach einem hatte man das schon relativ gut drauf. Das war dann schon ein guter Lerneffekt.
JM: Was halt schön ist bei dem System ist, dass ich als Leitender ein Tablet in der Hand hatte, womit ich alles steuern und koordinieren konnte und musste das nicht mehr über einen Zivilangestellten auf dem Übungsplatz machen, sondern ich konnte direkt, ohne stille Post zu spielen, eingreifen. Und ich konnte mir einzelne Ziele auch anzeigen lassen, wie die Soldaten darauf schießen, weil die Targets eine Sensortechnik verbaut haben. So wird mir über Schallmesssysteme bis im Umkreis von 1,5 bis zwei Metern gesagt, wohin der Soldat schießt. Das heißt, wenn der Soldat daneben schießt und keine vernünftige Zielbeobachtung macht und gar nicht weiß, wo er getroffen hat, konnte ich mich einfach mit meinem Tablet danebenstellen oder legen und sagen: Hier, du schießt die ganze Zeit links vorbei, du musst ein bisschen weiter rechts anhalten. Und dann konnte er wieder einen Treffer setzen. Und fast in echt Zeit, mit einer kurzen Verzögerung, wurde mir auf dem Tablet angezeigt, wohin der Soldat schießt. Und dann konnte ich auch sagen: Jetzt mach mal eine ordentliche Zielbeobachtung. Damit man halt alles trainiert – wie er schießt, seine Zielbeobachtung und auch seine Schusskorrektur. Und das war vorher halt gar nicht möglich, mit einem Schuss alle drei Themenfelder abzuarbeiten.
AV: Also würden Sie das schon als die Zukunft, den richtigen Weg hin zum Thema bessere Schießausbildung bewerten?
JM: Ja. Man muss halt nur zusehen, dass man nicht aus einem System alles machen will. Denn ich glaube, dass es dafür nicht gedacht ist. Die Smart Targets wiegen, glaube ich, 200 Kilo. Damit im Orts- und Häuserkampf eine Treppe hochzugehen, das wird nicht funktionieren. Und wir haben halt auch festgestellt, da das Gelände in Wildflecken eher durchschnitten – also wellig und hügelig – ist, dass die Smart Targets da auch ihre Probleme haben, da sie über die WLAN-Technik oder das 5G-Netz funktionieren. Sie brauchen immer Bezugspunkte im Gelände. Und sie haben auch – je nachdem wie hohe GPSGlobal Positioning System-Signale sie haben – Abweichungen. Wenn sie einen halben Meter breit sind, brauchen sie einen drei Meter breiten Weg, damit sie immer treffen und nicht umkippen. Wir hatten das schon ein paar Male, dass sie umgekippt sind. Das zerstört mir natürlich ein Schießen, wenn ich die Sicherheit vorn nicht habe und das Target fällt gleich im ersten Durchgang um. Dann ist der ganze Tag eigentlich verloren, weil ich nicht vorgehen darf, weil die Sicherheit das nicht hergibt. Da muss man halt weiterentwickeln. Da kommt man nicht drum herum. Aber für die schießtechnische Grundlagenausbildung sind die wunderbar.
AV: Dafür gibt es ja diese Erprobungen, um genau so etwas herauszufinden. Und Sie waren dann jetzt, glaube ich, wirklich die Ersten. Warum ist die Schießausbildung so elementar? Es erhält ja nicht jeder Soldat, jede Soldatin, jeder Truppenteil, jede Teilstreitkraft dieselbe Schießausbildung. Für wen gilt das, für wen ist das besonders wichtig?
JM: Letzten Endes unterscheidet sich der Soldatenberuf im Einsatz nur durch Waffenwirkung im Vergleich zu Entwicklungshilfe oder Ähnliches. Wir sind halt diejenigen, die vor Ort in den Einsatzgebieten eine gewisse Sicherheit herstellen müssen. Und was man dazu sagen muss: Wir können da ja nicht Rambo spielen. Oder wild irgendwohin schießen, nicht treffen und Zivilisten aus Versehen treffen. Das funktioniert nicht. Der Soldat, wenn er schießt, muss sicher sein, dass er nur das bekämpft, was er bekämpfen will. Es kann natürlich sein, dass der Gegner, den der Soldat hat, sehr gut ausgebildet ist. Das ist ja das, was man mehr oder weniger jetzt in Afrika oder im Nahen Osten sieht, dass sie eine hohe Ausbildung haben. Daher ist es wichtig, dass unsere Kampftruppen in der Waffenausbildung ein sehr hohes Level haben.
AV: Und das sehen Sie als Schützen auch gut umgesetzt, dass es deutlich realer, näher am Gefecht ist als das, was Sie vorher hatten? Oder könnte man da noch etwas ändern, wo Sie sagen, das ist etwas too much und das ist ein bisschen zu wenig?
AP: Ich glaube, umso näher das System an dem Feind ist, desto besser ist das für den Soldaten oder den Mannschafter. Denn letztendlich ist es der Mannschafter, der kämpft. Und der Offizier oder der Feldwebel führt die Gruppen. Das System ist schon ganz nah am Feind, das muss ich ganz ehrlich sagen. Ob man es besser machen kann… Wahrscheinlich kleiner, schneller. Vielleicht doch irgendwann mal im Wald, dass die Targets im Wald fahren können. Das wäre vielleicht noch eine Option. Aber so an sich ist das schon eine gute Sache.
AH: Ja, das sehe ich auch so. Vielleicht ein bisschen leichter machen, ein bisschen flinker, ein bisschen agiler die Geräte noch machen. Damit sie noch ein bisschen genauer und einfacher funktionieren. Ansonsten ist das schon mal ein ganz guter Ansatz.
JM: Wir hatten ja jetzt nur diese Dummys, da soll es ja noch ein Pick-up-Fahrzeug dazu geben. Da kann man dann natürlich schon andere Szenarien darstellen. Und es kommt natürlich auch mehr den Einsatzgebieten nahe, wo wir uns gerade befinden. Was man halt sagen muss, ist, dass das System auch seine Schwächen hat. Das 5G-Netz werde ich niemals in einem Wald irgendwo aufgebaut bekommen. Wir haben es auch gesehen, dass man im Hochgebirge damit auch nicht anfangen muss. Man muss genau definieren: Was kann das System? Und danach kann ich gewisse Themen in meiner Ausbildung abdecken, aber halt nicht alle. Und für die, die ich nicht abdecken kann, muss ich mir dann halt etwas Neues einfallen lassen. Aber es ist schon mal gut, dass jetzt alles miteinander kommunizieren kann, dass man das mal auswerten kann. Und vor allem, was wir auch festgestellt haben: Wir schießen ja immer nur auf Klappfallscheiben und haben ja auch keine Erfahrung mit Wirkung im Ziel. Wir kennen das ja aus Hollywoodfilmen, man kann sich hinter einem Auto verstecken oder hinter einem Holztisch und darauf wird geschossen. Und nichts geht durch. In der Realität sieht es ja genau andersrum aus. Ich schieße ja mit einem G36 durch 40-Zentimeter-Bäume durch. Eine normale Steinwand, die wir vom Einfamilienhaus kennen – das sind ein paar Schuss, dann bin ich da ebenfalls durch. Und was wir da festgestellt haben, ist, als wir ein Fahrzeug ins Gelände gestellt haben und das Target hinter dem Fahrzeug verschwinden lassen haben, wir schießen durch das Fahrzeug durch auf das Target. Und wenn das Target einen Treffer bekommt, dann klappt es halt ab. Und das sehe ich auf meiner Auswertung, dass das einmal mehr getroffen wurde. Und so kann man den Soldaten sensibilisieren, dass, wenn auf ihn geschossen wird, er sich vernünftige Deckung im Gelände suchen soll. Und das kann nicht ein normales Standardauto sein – oder eine Leitplanke oder ein Holztisch oder ein Vorhang oder sonst so etwas.
AV: (lacht) Ja, das stelle ich mir natürlich sehr befremdlich vor. Wenn ich jetzt da stehe und es auch gar nicht gewohnt bin, dass jemand darauf reagiert, was ich tue als Schütze. Das stelle ich mir wirklich ein bisschen unheimlich vor, wenn da jetzt etwas auf mich zukommt oder schießt – im wahrsten Sinne des Wortes. Wir hatten jetzt eben schon ein kleines Fazit, dass es auf jeden Fall der richtige Weg ist, es gut ist, man aber auch die Grenzen anerkennen muss und nach und nach weiterentwickeln.
JM: Ich fand es halt wunderbar, das mal zu sehen. Für mich als Leitender war das einfacher, die Sache zu leiten. Man konnte noch besser ausbilden. Und man muss jetzt zusehen, dass das kontinuierlich weiterentwickelt wird. Wir werden ja immer komplexer in unserer Kampfführung. Wir haben ja jetzt Drohnen, dann gibt es ja noch Luftfahrzeuge und und und. Das kann ich ja aktuell alles gar nicht bis wenig auf dem Übungsplatz einsteuern. Und mit dem System kann man das halt machen. Ich kann mir auch die Drohnenbilder auf dem Tablet anzeigen lassen. Das ist natürlich etwas, womit man ganz anders arbeiten kann.
AV: Deutlich digitaler, deutlich moderner, höre ich da auf jeden Fall raus. Dafür ist die Technik ja auch einfach da. Wenn wir so weit sind, warum dann nicht auf für das Training in der Armee nutzen.
JM: Genau.
AV: Gab es denn aus der Truppe auch Nachfragen? Sie gehören, wie gesagt, zu den Wenigen, die das bisher ausprobieren konnten. Hat dann jemand mal gefragt: Erzähl mal, wie war denn das? Ist das toll und kriegen wir das bald? Oder gab es dafür gar kein Interesse?
AP: Doch, die Kameraden in der Kaserne, vor allem die Jüngeren kamen an und haben gefragt: Hey, wie war es? Wie ist es so, auf ein bewegliches Ziel zu schießen? Sie wollten natürlich auch wissen, wie es ist. Klappt das wirklich ab, funktioniert das alles so, wie sie es sich gedacht haben. Im Großen und Ganzen haben sie und, glaube ich, auch ein bisschen beneidet, dass wir die Ersten waren, die darauf schießen durften.
AV: Und was wurde dann so geantwortet auf diese Fragen?
AP: Macht natürlich Spaß, keine Frage. Auf bewegliche Ziele zu schießen ist schon interessanter als auf statische Ziele zu schießen. Das ist einfach so. So etwas antwortet man halt, dass es halt Spaß macht, auf bewegliche Ziele zu schießen. Dass der Lerneffekt halt größer ist als bei statischen Zielen. Und dass sie zurecht traurig sein können, dass sie nicht mit waren. (lacht) Es war mehr oder weniger eine freiwillige Sache. Es wurden ein paar Freiwillige gesucht, da haben sich einige gemeldet, einige wurden befohlen. Und die anderen haben sich halt hinterher geärgert, dass sie nicht mitgekommen sind.
AV: Aber Sie haben sich alle freiwillig gemeldet?
AP: Ich glaube, die, die hier am Tisch sitzen, ja. Ich weiß nicht… Hauptmann?
JM: Ja, das ist ein Auftrag von uns sozusagen.
AV: Sie kommen aber auch alle aus derselben Einheit, oder?
JM: Alle aus derselben Kompanie. Und die Kompanie hatte den Auftrag bekommen, dort mit zu unterstützen.
AV: Welche Kompanie ist das nochmal?
JM: Die 6./Wachbataillon. Und dann haben wir uns sozusagen den Kreis rausgesucht, wer da mit hin muss. War ja ein bisschen mit Aufbau und Vorstellen der Generalität und so weiter. Dann haben wir daraus halt zwei Wochen Übungsplatz gemacht. Wir waren ja nur Mittel zum Zweck. Im Schwerpunkt haben dort die ganzen Ingenieure gearbeitet, die das ganze System auf einer Schießbahn mal komplett zum Laufen bekommen. Und sie hatten halt ihre Herausforderungen, diese sie lösen mussten. Vom Fraunhofer Institut, von der WTDWehrtechnische Dienststelle. Und wir waren halt abrufbereit. Immer wenn sie gesagt haben, jetzt können wir wieder einen Versuch starten, haben wir uns gefreut, dass wir wieder loslegen konnten.
AV: WTDWehrtechnische Dienststelle müssen wir einmal ganz kurz erklären. Das ist die Wehrtechnische Dienststelle, wo so etwas erprobt und erforscht wird. Damit das dann für den Regelbetrieb irgendwann da ist. Und wenn so ein Angebot noch einmal kommt, würden alle wieder mitfahren?
AP: Ich denke ja. Es hat wirklich durchweg Spaß gemacht. Bis auf diese Aufbauphasen – wieder stoppen, weil wieder irgendwas nicht funktioniert hat. Das war etwas nervig. Aber ansonsten ist, glaube ich, wäre auch jeder wieder dabei.
AV: Aber dafür macht man es ja, damit es irgendwann richtig sauber läuft. Und die Routine auch einfach drin ist.
JM: Es ist halt so in der Entwicklung. Das ist ja in jedem Bereich so, das ist nicht nur beim Militär so, das ist auch in der Industrie so. Alles, was sich entwickelt, kostet erst einmal Zeit – und Kraft, Nerven.
AV: Dann ist ja gut, das habe ich zumindest gerade so herausgehört, dass wir auf einem guten Weg sind, sage ich mal. Und dass das hoffentlich bald für die ganze Truppe zur Verfügung steht. Oder zumindest für die, die eine besonders gute Schießausbildung brauchen.
JM: Ja, das würde uns freuen.
AV: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Es war schön und sehr informativ. Und ich denke auch, dass unsere Hörer und Hörerinnen jetzt Einiges gelernt haben. Und vielleicht auch einige Soldatinnen und Soldaten, die das bisher noch nicht kannten, sich freuen, wenn sie vielleicht auch mal so ein Angebot bekommen für so eine Erprobung der Smart Targets.
Den nächsten Podcast gibt es wie gewohnt in einer Woche. Mein Name ist Amina Vieth. Ich melde mich ab aus dem Funkkreis.