Funkkreis

Funkkreis

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Lesedauer:
9 MIN

Delta to all. Radio check. Over.
Hier ist Bravo. Kommen.
This is Tango. Over.
Funkkreis – Podcast der Bundeswehr

Sam (S): Hallo an Hauptfeldwebel (HF) Tobi Hennig, der mir jetzt sagen wird, ob es in einer Vorschrift oder einem anderen Papier die Befehle gibt, über die wir vor zwei Wochen geredet haben.

Tobi (T): Du hast mir jetzt die Überraschung vorweggenommen, denn tatsächlich, Hauptfeldwebel Sam Hansen, wollte ich dir sagen: Es gibt Menschen, die vor zwei Wochen auf unsere Podcastfolge reagiert haben. Diese sagten: „Ja, es stand oder steht in einer Vorschrift.“ Zum Beispiel so Sachen wie: Ab einer Wassertiefe von 1,20 Meter hat der Soldat eigenständig mit Schwimmbewegungen zu beginnen. Das stünde da drin. Jetzt konnte man mir bis heute, Stand jetzt zur Aufnahme, leider diese Dokumente nicht liefern. Sie kommen aber wohl noch. Ich habe es ja auch recherchiert und hab gesagt: Das ist frei erfunden und stand eigentlich nie irgendwo drin.
Doch diese Kameraden, und wir können ja ruhig mal Ross und Reiter nennen, die Kameraden von Radio Andernach, sind davon überzeugt. Sie werden es offenbar nachliefern. Ob sie scheitern, das werden wir dann wohl in zwei Wochen klären.

S: Der geneigte Zuhörer und ich wir sind uns einig: Sie werden definitiv scheitern.

T: Okay, das ist schön, dass du die ganze Crowd hinter dir hast.

S: Ich habe alle hinter mir. (Beide lachen)

T: Kannst du haben. Nicht, weil ich das jetzt despektierlich meine, um Gottes Willen. So ein paar sind ja bestimmt auch auf meiner Seite. Aber es wäre schon witzig, wenn es irgendwo drin gestanden hätte. Aber ich bin mir nicht sicher. Sollen die Leute doch die Beweise liefern.
Jetzt zu den weitaus wichtigeren Meldungen, vor allem aus dieser Woche.
Sam es sieht ganz danach aus, dass wir dieses Mal so richtig aus Afghanistan abziehen könnten, oder?

S: Ja, zumindest sieht es danach aus.  

T: Es kam ja jetzt auch zu jüngsten Plänen von Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, afghanischen Mitarbeitern Schutz zu bieten. Schnelleren und einfacheren Schutz zu bieten nach dem Abzug. Für wie wichtig erachtest du das als Aufgabe der Bundeswehr, also auch nachträglich für die Bevölkerung Hilfe anzubieten?

S: Also um es klar zu formulieren: für sehr wichtig. Ich finde es richtig und gut und danke auch meiner Verteidigungsministerin, unserer Verteidigungsministerin dafür, dass sie dieses Thema vorangestellt hat oder vorgestellt hat. Der Schutz ist wichtig auch im Nachhinein.

T: Ich zitiere Annegret Kramp-Karrenbauer: „Ich empfinde es als eine tiefe Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, diese Menschen, jetzt wo wir das Land endgültig verlassen, nicht schutzlos zurückzulassen.“

S: Genau das. Immerhin haben die Afghanen ihren Beitrag dafür auch geleistet.

T: Wo wir gerade bei Leistungen sind beziehungsweise bei Beiträgen, diese fließen ja so oder so. Neben den Militärausgaben zahlt die Bundesregierung jedes Jahr mehrere hundert Millionen Euro für humanitäre Hilfe, Entwicklungshilfe und auch Wiederaufbau in Afghanistan. Um mal ein paar Zahlen zu nennen: Die zivile Unterstützung soll auch nach dem Abzug der Bundeswehr fortgesetzt werden und auf einer Geberkonferenz im November 2020 sagte Deutschland für nächstes Jahr bis zu 430 Millionen Euro zu.
Das hat zumindest n-tv verlauten lassen und wir hören mal rein, was Bundesaußenminister Heiko Maas grundsätzlich dazu sagt zu dieser weiteren Hilfe, die wir Afghanistan zukommen lassen könnten.

O-Ton Heiko Maas: „Deshalb haben wir heute hier auch beschlossen, dass sich zwar das ausländische Militär zurückzieht, aber dass wir weiterhin unsere afghanischen Partner unterstützen und vor allen Dingen die Sicherheitskräfte mit Geld und mit Ausbildung. Deutschland ist der zweitgrößte zivile Geldgeber für Afghanistan und das wird weitergehen und das ist für die Verantwortlichen in Kabul auch besonders wichtig gewesen.“

T: Klare Haltung, klare Worte, das definitiv. Was mich nur dann so ein bisschen wundert, Sam. Vor rund drei Wochen hat die Bundesregierung noch ganz deutlich verlauten verlassen: „Wir bleiben in Afghanistan und es wäre auch definitiv verfrüht, militärische Unterstützung abzuziehen.“
Das heißt, es wäre auch wichtig, dass nach wie vor internationale militärische Unterstützung wichtig sei.
Wie kommt es dann, dass wir jetzt, drei Wochen später, offensichtlich doch wieder auf einer anderen Welle unterwegs sind?

S: Ja, ich verstehe die Frage, glaube aber nicht, dass es eine andere Welle ist, sondern es ist immer noch genau dieselbe. Ich versuche das auch dir, HF Tobi Hennig, zu erklären, ohne zu wissen, wie man genau die Worte interpretieren kann. Aber es gibt immer nicht nur eine militärische Hilfe, sondern die Bundesregierung setzt ja auch verstärkt auf die zivil-militärische Zusammenarbeit und auch auf Hilfe zivil und militärisch. Das heißt, nur weil wir jetzt militärisch sagen, okay, wir gehen geordnet raus und nicht holterdiepolter, sondern lassen uns dafür eben bis Mitte August Zeit, heißt das eben nicht, dass wir jede zivile Hilfe einstellen. So ist das zu verstehen.                 

T: Rückblickend kann man definitiv auch sagen, wurden in den letzten zwei Jahrzehnten insgesamt über 160.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten, für in der Regel vier bis sechs Monate, nach Afghanistan geschickt. Viele mehrmals. Du ja auch.

S: Ja, aber du ja auch.

T: Hast du in den Jahren als Einsatzsoldat irgendwie Veränderungen wahrgenommen?

S: Oh, ich glaube die Frage hast du mir schon mal gestellt. Und zwar in einer zurückliegenden Podcastfolge, als ich tatsächlich noch unten in Afghanistan war.

T: Stimmt.

S: Und zwar, ob ich Veränderungen im Feldlager an sich festgestellt habe. Sicherlich, die habe ich festgestellt. Habe ich Änderungen im Einsatz selber festgestellt? Ich glaube, ich selbst nicht. Aber das ist eben dieser begrenzte Horizont, den man dort auch hat, oder?

T: Genau. Wir sind auch, und das muss man noch einmal deutlich herausstellen, wir sind zwei Menschen von so vielen Kameradinnen und Kameraden, die auch im Einsatz waren. Und wir zwei hatten als Aufgabe natürlich eine völlig andere, als die Lage zu beobachten oder sonstige Sachen. Von daher ist es für uns also auch schwierig zu erkennen, was eigentlich da so los ist. Ich weiß nicht, wie es dir ging, aber mir ging es auf jeden Falls so, dass es. wenn ich zu Hause oder auch bei Freunden oder Familie mal so ein bisschen was vom Einsatz erzählt habe, vereinzelt schon bisschen schwierig war, weil das Wording noch so an den Einsatz geknüpft war.

S: Ich geh mal in die Defac essen. (lachend)

T: Nein, dass würde ich zu Hause jetzt auch nicht sagen, aber wenn man sagt: Ich hab dann auf dem Shelter noch gesessen. Oder wir haben uns vor dem Shelter getroffen und alle gucken dich mit fragenden Augen und du sagst: Ja, Shelter halt. Keine Ahnung.
Hast du irgendwie eine besondere Art und Weise gehabt, deinen Shelter einzurichten?

S: Nein, tatsächlich nicht.

T: Ich auch nicht.

S: Der war nicht besonders eingerichtet, eher im Gegenteil. Es war für mich der Ort, wo ich geschlafen habe. Und jetzt kommen wir zum springenden Punkt. (flüstert) Ich habe immer private Bettwäsche mitgenommen.

T: (flüstert) Ich auch. (beide lachen)
Das war so das Einzige. Aber ich muss auch gestehen, vielleicht ist das so ein leichter psychologischer Schutz. Ich saß da fünf Monate und habe mir gesagt: Alles klar. Hier schlafe ich fünf Monate und fertig. Ich wollte diesem Ganzen aber offensichtlich auch nicht mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen.
Aber wir haben uns umgehört im Einsatz, bei den anderen Kameradinnen und Kameraden, wie die so ihren Shelter einrichten.  

Soldat 1: Ich bin so selten auf dem Shelter, der ist nicht gemütlich.

Soldat 2: Paar Fotos an die Wand.

Soldat 3: Ich habe mir von meinem Fußballverein eine Fahne mitgenommen. Und ich habe mir die Niedersachsenflagge noch im Shelter aufgehangen.

Soldatin 4: Oh, mein Shelter ist schon richtig gemütlich, indem ich einfach ganz viele Kissen in meinem Bett habe.

Soldat 5: Mit einer Playstation und einem 50-Zoll-Fernseher.

Soldat 6: Es muss gut riechen, also große Duftkerzen.

S: Kissen, ganz viele Kissen, finde ich gut. Hätte ich vielleicht auch so machen sollen. Ich bin auch so ein Kissennerd. Ich liege auch immer liebend gerne federweich im eigenen Bett.

T: Ich bin froh, wenn ich beim Flug an so ein Kissen oder Nackenhörnchen denke. Egal, ob jetzt in der C-17 oder der Transall. Ich kann da nicht schlafen.

S: Also für all die Kameraden, die sich dann noch in den Einsätzen befinden werden, Mali etc.: Nehmt auf jeden Fall ein Nackenkissen mit für den Flug.
Und gerne auch Sie, wenn Sie in den Urlaub fliegen. Nehmen Sie ein Nackenkissen mit.
Das ist wirklich wichtig.

T: Ja, man muss sich im Vorfeld aber auch bewusst werden, was man sich so alles vornehmen möchte. Und ich glaube, auch im Einsatz hat man so diverse Angewohnheiten

S: Rituale.

T: Rituale, die man da machen kann. Und auch hier haben wir uns umgehört und hören da mal rein.

Soldat 1: Viel Essen, viel trainieren und schlafen.

Soldat 2: So oft wie möglich, also jeden Abend eigentlich, mit meinem Sohn telefonieren.

Soldatin 3: Ja, mein tägliches Ritual ist, wenn meine Kameradin das Büro verlässt, mache ich ganz laut peinliche Musicallieder an.

Soldat 4: Zum Frühstück gehen, abends dann ganz normal meine Abendverpflegung zu mir nehmen und ich guck abends noch immer einen Film auf meinem Laptop.

S: Ich habe da auch noch ein Ritual, Tobi. Das würde ich gerne noch anbringen.

T: Tschüs zu sagen?

H: Nein, noch nicht.

T: Dachte, wir kommen so langsam ans Ende.

S: Ja, aber lass uns gleich erst tschüs sagen. Ich möchte erst noch ein Ritual von mir erwähnen. Das hatten wir im Einsatz und ich glaube, das geht jedem anderen Radio Andernacher genauso. Wir haben dort ja auch einen Shelter, von dem aus wir unser Radioprogramm gemacht haben und davor gab's so einen Außenbereich.

Ich glaube, es ist Usus und ein Ritual, dass jedes Team, das nach Afghanistan kommt, dort aufräumt. Das ist so ein richtiges Ritual geworden, oder?

T: Da aufzuräumen?

S: Ja, weil gefühlt wird das die ersten zwei Monate aufgeräumt und die nächsten zwei Monate wird gelebt.

T: Ja, ich habe vier Monate gelebt. (lacht dabei)
Worüber wir uns erst recht freuen würden, zum einen HF Sam Hansen und ich, HF Tobi Hennig, wenn Sie auch nächste Woche wieder einschalten. Denn da gibt´s den nächsten Podcast Funkkreis und das aus dem Bereich der Redaktion der Bundeswehr.

Diese Woche waren wir von Radio Andernach mit dieser Podcast-Folge dran und sind durch.

S: Und wenn Sie noch Fragen, Anmerkungen, Diskussionsbedarf oder Ähnliches haben, können Sie uns jederzeit schreiben. Auf der Radio-Andernach- und BwTV-Facebook-Seite, zum Beispiel, falls Sie niemanden im Pausengespräch gefunden haben.

T: Du klingst wie ein richtiger Influencer. Gefällt mir.  

S: Das macht die Arbeit.

T: Okay, damit sind wir dann jetzt auch wirklich raus. Wir melden uns ab. Tschüs, machen Sie es gut.