Funkkreis

Funkkreis

Datum:
Lesedauer:
25 MIN

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A: Barbara Gantenbein

B: Oberstleutnant Frank*

C: Bordtechniker Martin*

D: Doorgunner Marcus*

E: Notfallmediziner Sebastian*

*Name zum Schutz des Soldaten abgekürzt.

A: In Afghanistan sind gerade nach 18 Jahren Dauereinsatz die CH-53-Hubschrauber von NHNATO-Helicopter-90-Helikoptern abgelöst worden. Hier ist Barbara Gantenbein und ich war in Masar-i-Scharif im Camp Marmal und habe dort eine NHNATO-Helicopter-90-Crew zum Gespräch getroffen und zwar vier Crewmitglieder. Den Piloten, den Bordtechniker, den Doorgunner und den Arzt auf dem MedEvacMedical Evacuation. Wie immer im Einsatz nennen wir natürlich nur die Vornamen. Und den Anfang, den macht Oberstleutnant Frank, der Staffelkapitän der NHNATO-Helicopter-90. Herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen heute Morgen für mich. Wir stehen hier in der Halle und ich freue mich riesig, dass ich bei Ihnen sein darf. Erklären Sie mir doch bitte zuerst einmal: Wie komme ich denn jetzt zu Ihnen in den Hubschrauber?

B: Ja, schönen guten Morgen! Sie sehen ja hier die Trittstufen, wir haben hier überall Handgriffe, die Sie nutzen können. Sie müssen hier also festhalten. Das kann man natürlich im Audio-Podcast nicht so gut sehen. Und da müssen Sie sich jetzt hier hochschwingen. Das ist eine akrobatische Leistung, die man hier vollziehen muss.

A: Dann werde ich das jetzt hier gleich mal probieren. (Lacht).

B: So, ja jetzt, linke Hand. Jetzt erst einmal hier am Rand ruhig festhalten. Rechter Fuß dort, jetzt da oben rein. Genau, einmal so rüber. Sieht gut aus!

A: So, das hat schon mal geklappt. Das ist ein sehr beeindruckendes Cockpit. Ja also, wenn man so wie Sie schon so lange fliegt, was bedeutet einem dann so ein hochtechnisiertes Fluggerät?

B: Ja, es ist ja so, wir kommen ja quasi fast aus der analogen Welt und sind dann mit diesem Hubschrauber eigentlich in die digitale Welt eingestiegen. Und es ist nicht nur so, dass das alles voll digitalisiert und technisiert ist, sondern auch das reine Fliegen extrem viel Freude bereitet, weil das durch die Steuerung, diese direkte Steuerung, die wir hier verbaut haben, natürlich eine ganz andere Klasse ist, wie das noch bei den alten Fluggeräten war, die also über Steuerstangen im Endeffekt verzögert die Flugeingaben übersetzt haben. Hier ist es so, wir fliegen ja hier mit einem Fly-by-wire-System, das heißt, also die Eingaben werden quasi in Millisekunden umgesetzt und somit ist die Steuerfolge des Hubschraubers extrem schnell. Und das macht natürlich jedem Piloten dann Spaß, wenn er da merkt, dass der Hubschrauber das macht, was man eigentlich einsteuert.

A: Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Jetzt haben Sie ja gestern, ich sage mal, einen historischen Einsatz geflogen. War das der erste richtige Einsatz hier in Afghanistan? Erzählen Sie mir doch bitte, was gestern Ziel der Mission war.

B: Ja. Im Endeffekt war das der erste Transporteinsatz für den NHNATO-Helicopter-90 zusammen mit der CH-53. Das ist ja das Modell, was wir hier ablösen sollen und werden. Deswegen war es auch aus meiner Sicht besonders schön, dass wir das nochmal gemeinsam fliegen konnten. Und die Aufgabe oder die Mission war die, dass wir aus dem Camp Pamir unsere deutschen Kameraden, und zwar die letzten, die dort verblieben waren, und hier im Speziellen die Sicherungskräfte, dort halt abgeholt haben.

A: Wie war das emotional? Also waren Sie vorher schon in Afghanistan im Einsatz? Also ich weiß, Sie waren in Mali zuvor. Ist das jetzt der erste Afghanistaneinsatz für Sie?

B: Nein, also wir damals mit dem NHNATO-Helicopter-90 schon 2012 und 2013 im ISAFInternational Security Assistance Force-Einsatz. Das war damals unsere Feuerprobe hier in Afghanistan mit unserem neuen Hubschrauber. Und von den damaligen Erfahrungen, die wir dort gesammelt haben, können wir natürlich heute immer noch zehren. Da sind natürlich Stichworte wie Staublandung bei Tag und Nacht, was eine besondere Herausforderung für dieses Fluggerät darstellt und auch natürlich für die ganze Besatzung, einer der Schwerpunkte und auch die Feuertaufe, die man hier in diesem Land eigentlich bestehen muss.

A: Wenn Sie jetzt im Einsatz fliegen, so wie gestern, was macht das mit Ihnen? Das ist ja wahrscheinlich schon eine viel höhere Anspannung als jede Art von Training, das man je simulieren kann. Wie ist das emotional?

B: Im Endeffekt ist es aus meiner Sicht die Erfüllung oder das, wofür man ausgebildet worden ist. Und das erfüllt einen natürlich schon auch ein wenig mit Stolz, dass man jetzt das Gelernte, über die Jahre in Ausbildung Vermittelte anwenden kann. Und man kommt tatsächlich auch im Flug immer mal wieder in den Gedanken, Mensch, genau das wolltest du immer machen, und das fühlt sich gut an.

A: Das ist super! Das ist sehr, sehr, sehr schön! Ich denke, ich würde jetzt gerne mit Ihnen noch mal aussteigen und noch mal um den Hubschrauber herumgehen. Das Sie mir noch ein bisschen erklären, was der alles für Gadgets hat, die ja ungewöhnlich sind. Die etwas Besonderes sind.

B: Das machen wir so.

A: Super.
Wir sind jetzt ausgestiegen und stehen jetzt außerhalb des Hubschraubers. Und die Nebengeräusche sind hier aus der Halle, hier wird natürlich noch ein bisschen gearbeitet um uns herum. Ja, was ja ganz besonders auffällt, das ist dieses Hörnchen vorne. Was verbirgt sich denn hinter diesem Hörnchen?

B: Ja, viele vermuten, dass das ein Einfüllstutzen oder für eine Luft-Luft-Betankung dasteht, aber weit gefehlt. Eigentlich hat fast jedes Luftfahrzeug diese Tubes, so wie das so schön heißt. Das ist also die Pitottube und diese Pitottube hat folgende Funktion beim Hubschrauber: Wir können ja nicht wie beim Fahrzeug eine Geschwindigkeit über die Räder abnehmen, sondern wir müssen das ja alles über Luftdruck darstellen, gerade für die Notinstrumentierung. Wir haben natürlich noch GPSGlobal Positioning System an Bord, aber natürlich auch eine GPSGlobal Positioning System-Geschwindigkeit, Höhenanzeige, aber über diese Pitottube da nehmen wir einmal den dynamischen Druck und auch dem statischen Druck ab. Mit dem dynamischen Druck können wir ja natürlich zum Beispiel Geschwindigkeiten errechnen. Das macht natürlich dann auch alles: Anzeigeinstrumente und Rechner. Und über den statischen Druck, also über die Druckunterschiede, können wir dann auch Höhendaten uns anzeigen lassen und dafür sind diese beiden da. Aber wie gesagt, es ist kein Spriteinfüllstutzen, sondern es ist hier, um die Luftdrücke abzumessen.

A: Ein komplizierter Sensor.

B: Ja.

A: Genau. Darunter haben wir so einen Kasten, so einen fast quadratischen Kasten. Was verbirgt sich denn da drin?

B:  Das ist unser Obstacle-warning-System. Dahinter verbirgt sich ein Lasersystem, dass das Vorfeld des Hubschraubers abtastet. Das ist ja auch einer der Unterschiede zwischen Heeresmaschinen, die sich ja hauptsächlich im Tiefflug befinden, um natürlich ihre Klientel dort auch zu bedienen. Und mit dem Obstacle-warning-System werden uns zum Beispiel Stromleitungen angezeigt, Masten, Bäume, also alles an Hindernissen, was vielleicht auch teilweise gerade in der Nacht oder bei Schlechtwetter verborgen bleibt.

A: Wie tief können Sie denn fliegen? Was ist Ihre tiefstmögliche Flughöhe?

B: Ja, wir nennen das immer nap on earth, das heißt also an der Bodenoberfläche, aber tatsächlich, klar, da gibt es eigentlich keine Limitierung. Wir fliegen irgendwas zwischen 20 und 100 Fuß und 20 Fuß übersetzt wären irgendwo sieben bis acht Meter. Na ja.

A: Das ist tief.

B:  Das ist sehr tief natürlich und immer geschwindigkeitsabhängig und natürlich, wie sieht das Terrain aus? Hier in Afghanistan ist es ja eher zum Teil flach. Natürlich haben wir auch die Berge, aber letztendlich kann man hier schon sehr tief fliegen und das machen wir natürlich zum einen gerne, aber zum anderen hilft es uns auch dabei, uns vor unserem, ja vielleicht Gegner verdeckt zu bewegen.

A: Das heißt, Tiefflug ist tatsächlich ein Sicherheitsfaktor?

B: Ja. Es gibt immer in den verschiedenen Einsatzländern den Unterschied, welche Bewaffnung hat eventuell die opponent force. Und wenn es hier, wenn wir hier von Afghanistan sprechen, ist natürlich die Hauptbedrohung, nennen wir es small arms fire. Das heißt also, mit leichteren Waffen, und wenn wir jetzt tief fliegen, ist es natürlich so, dass wir eigentlich relativ spät aufgeklärt werden und dadurch eigentlich unserem Gegner gar nicht groß ermöglichen, uns rechtzeitig aufzuklären, sondern im Endeffekt, wenn er uns sieht, sind wir schon vorbei. Und das hilft uns natürlich enorm.

A: Was ist denn eigentlich Ihr Hauptauftrag? Jetzt hier in Afghanistan.

B: Ja, unser Hauptauftrag ist eigentlich die Taskline MedEvacMedical Evacuation, so nennt sich das. Also der Auftrag ist hier, Verwundete, gerade unserer eigenen Kräfte oder auch natürlich der NATO-Verbündeten, abzuholen am Ort des Geschehens. Also Beispiel: Eine Patrouille fährt raus und wird angeschossen. Dann setzen die einen sogenannten Ninelinerreport ab, sodass wir die Verwundeten dann dort abholen, wo sie halt leider die Verwundung erlitten haben. Und ja, das ist natürlich auch ein zeitlich sehr straffes Geschäft. Man kann sich natürlich vorstellen, dass derjenige, der verwundet ist, da nicht lange irgendwo sich aufhalten möchte, sondern schnellstmöglich abgeholt werden möchte. Und dafür sind wir natürlich prädestiniert und sehr geeignet. Weil es natürlich ein schnelles Rettungsmittel ist. Und man darf ja nie vergessen im Einsatzland, wir haben ja nicht so Straßen wie in Deutschland, wo man mal ganz schnell von A nach B fährt. Bis hier eventuell Rettung über Wege und über Straßen dann den Verwundeten erreichen würde, würde viel zu viel Zeit ins Land verstreichen. Und wir sind natürlich hier mit einer, sage ich mal, Abflugzeit vom Eintreffen des Nineliners bis zum Abflug, da vergehen bei uns 15 Minuten. Wir können das Tag und Nacht und das ist auch das, was wir trainieren.

A: Ja, das klingt beruhigend. Dann wünsche ich Ihnen hier weiter für den Afghanistan-Einsatz alles Gute, bedanke mich noch mal ganz herzlich für Ihre Zeit. Fand ich sehr sehr spannend. Und ja, wir sehen uns ja dann in der Luft noch einmal.

B: Ja vielen Dank.

A: Danke Ihnen! So, ich habe jetzt das nächste Crewmitglied. Das ist der mitfliegende Bordtechniker Martin. Martin, herzlich Willkommen in diesem Podcast und danke, dass Sie Zeit für uns haben.

C: Ja hallo! Herzlich willkommen!

A: Können Sie mir mal ganz kurz erzählen, was Sie alles so machen und zu Ihren Aufgaben gehört, hier im Afghanistan-Einsatz?

C: Ja also die Aufgaben grundsätzlich unterscheiden sich viel von denen in Deutschland. Ich bin halt verantwortlich für die Vorflugkontrollen und Zwischenflugkontrollen des Hubschraubers und auch die Nachflugkontrollen und bin während des Fluges quasi, ja ich sage mal, das dritte Augenpaar für den Piloten, nach hinten und zur Seite, da doch die Sicht der Piloten stark eingeschränkt ist. Und natürlich auch um eine Rundum-Beobachtung mit den Doorgunnern sicherzustellen.

A: Und auf was achten Sie besonders? Sie sagten ja eben, Sie sind quasi weitere Augen für den Piloten. Auf was achten Sie da besonders?

C: Also grundsätzlich, wenn wir ja in der Luft sind, dann halt dementsprechend auf das, was unten an der Erde so vor sich geht. Ob da halt irgendwer ist, der uns vielleicht nicht ganz wohlgesonnen ist, dass man das beobachten und melden kann, um gegebenenfalls darauf zu reagieren. Entscheidend ist es dann nachher im Bereich, wenn wir dann tatsächlich zu den Landungen übergehen, dann halt auf Hindernisfreiheit zu achten, dass der Heckrotor nirgendwo gefährdet ist, der Hauptrotor nicht gefährdet ist. Das sind ja die Bereiche, die die Luftfahrzeugführer oder die Piloten nicht mehr einsehen können. Und in dem Bereich fängt dann halt auch dieses sogenannte Crewressourcen-Management, also das Vertrauensverhältnis zwischen Crew und Bordtechniker, an, weil er sich ja natürlich dann auf mich verlässt. Wenn ich sage, da ist jetzt nichts, da steht kein Baum, da ist kein Stein oder wie auch immer, dass ich ihm dann halt melde: Dort ist frei. Da können wir durchaus landen.

A: Ich habe auch ein paar Mal gesehen, also bei Übungen ist ja da auch immer einer, der auf dem Bauch liegt, gerade bei Staublandungen oder so, und nach unten guckt. Sind das dann in dem Fall auch Sie?

C: Ja genau. Wobei beim NHNATO-Helicopter-90, wir liegen halt nicht auf dem Bauch. Wir stehen meistens in der Tür oder knien in der Tür. Ich weiß, dass bei unserem größeren Modell, was wir jetzt hier ablösen, bei der CH-53, dort wird es halt von hinten eingesprochen, quasi liegend auf der Rampe.

A: Genau!

C: Das ist bei uns aber nicht notwendig, da wir durch die Tür, stehend beziehungsweise kniend, unser Fahrwerk ganz gut sehen können.

A: OK. Das heißt, dadurch, dass der Hubschrauber ein wenig kleiner ist in den Dimensionen, hat man da auch schon den perfekten Überblick in der etwas angenehmeren Position?

C: Ja genau richtig. Also die CH-53 im Vergleich hat nicht so große Laderaumtüren wie wir, und das ist halt unser Vorteil gegenüber diesem Hubschrauber, dass wir halt diese zwei großen Seitentüren haben und uns dadurch eine ganz gute Übersicht verschaffen können. Das ist tatsächlich so. Ja genau. Ob es bequemer ist? (Lacht).

A: Ja na klar. (Lacht). Für die Knie ist das dann auch nicht mehr so bequem. Kann ich mir gut vorstellen. Haben Sie Knieschoner an?

C: Ja genau. Also dadurch, dass wir jetzt inzwischen mit der, ich glaube, Kampfbekleidung Einsatz und Übung, so nennt sich dieser Anzug ja, fliegen, die Freigabe haben, zumindest, um in den Einsätzen dort mitzufliegen, haben wir halt die Knieschoner in dem Anzug drinnen, was ein bisschen angenehmer ist, weil die extra anzulegenden Knieschoner doch schon auf Dauer das alles, die Beine ein bisschen abschnüren.

A: Na die klemmen so in den Kniekehlen.

C: Ja genau.

A: Ja und das ist ja jetzt im Prinzip vorne reingeschoben.

C: Genau richtig.

A: Wie eine Tasche.

C: Genau.

A: Genau. Und wenn Sie jetzt unterwegs sind, was würde zum Beispiel Ihr Misstrauen erwecken? Also bei welcher Situation am Boden würden Sie sofort dem Piloten sagen: „Da ist was Komisches.„?

C: Was wir halt beobachten, sind halt tatsächlich Fahrzeuge, die sogenannten Pickups, die man ja auch aus diversen Filmen, Berichten und so weiter kennt. Da legen wir schon Augenmerk drauf. Einzelstehende Personen tatsächlich. Also da muss man schon mal hingucken. Es ist jetzt nicht, ja Misstrauen ist gut, aber ich würde nicht sagen, jetzt Angst davor zu haben, aber halt eine gewisse situation awareness auf die Situation zu haben und das zu beobachten. Das wird dann schon innerhalb der Crew mal angesprochen oder dem Doorgunner dann halt ein Hinweis gegeben: Mensch, da vorne, da kommt was, beobachte das mal. So läuft das dann eigentlich im Endeffekt ab. Aber eigentlich grundsätzlich auch compounds, also sprich Behausungen oder so etwas, die einzeln irgendwo stehen, da legt man dann schon Augenmerk drauf.

A: Also Sie sind relativ tief unterwegs, im Tiefflug unterwegs und relativ schnell unterwegs. Und für einen Laien, also, wenn da ein Bauer steht, mit einer großen Mistgabel, nicht unbedingt von Weitem zu unterscheiden: Ist das jetzt eine Mistgabel oder ist das möglicherweise eine Waffe. Wie trainiert man sich selbst, dass man in sehr sehr knapper Zeit erkennt: Gefahr oder eben nicht?

C: Ich glaube, das kann man gar nicht wirklich richtig trainieren, sondern das ist einfach ein Stück weit Erfahrung. Also denke ich, dass man ganz einfach beobachtet und guckt: Wenn der jetzt weiter weg steht, muss man halt einfach auf die Bewegung achten: Was vollzieht er gerade? In aller Regel stehen die Leute hier meistens sehr still und beobachten tatsächlich wie in Deutschland wahrscheinlich auch. Wenn jemand so einen Hubschrauber fliegen sieht, bleibt er stehen und guckt und das machen die meisten auch. Und dann sehen sie in aller Regel: „Das ist ein Hubschrauber.“ Und dann drehen sie sich wieder um und arbeiten halt weiter. Und da muss man halt so ein bisschen drauf achten. Aber ob man das wirklich richtig trainieren kann? Kann man es eigentlich nicht. Also es ist schon ein Stück weit Erfahrung und einfach gucken.

A: Ihr wievielter Einsatz ist das hier in Afghanistan?

B: Hier in Afghanistan ist es tatsächlich mein dritter Einsatz. Ich war auch zwischendurch schon zweimal in Mali. Und im Kosovo war ich auch schon mehrfach. Wobei, da war ich aber noch kein Besatzungsmitglied, da war ich halt tatsächlich noch Mechaniker. Da waren wir aber auch nicht mit dem NHNATO-Helicopter-90, da war es noch damals mit dem Vorgänger, mit der Bell UH-1D.

A: Und was, rein von der Arbeit her, was macht da am meisten Spaß? Was gefällt Ihnen da am besten?

C: Ja grundsätzlich das Fliegen natürlich. Das war schon als kleiner Junge mein Traum. Irgendwie mit Hubschraubern was zu machen. Und ich habe es tatsächlich geschafft, mich dahin zu arbeiten, und das ist schon der Traum eigentlich, das Fliegen. Und ganz klar auch die Verantwortung für die Technik, also das Beherrschen des Systems und der Umgang mit der modernen Technik halt ganz einfach. Das ist das, was es ausmacht, und auch ganz klar die Zusammenarbeit mit der Crew, weil es wirklich Spaß macht, wenn man sich gegenseitig vertraut und das Vertrauen auch von vorne zurückbekommt. Das macht schon Spaß.

A: Also wird man dann wirklich ein eingeschworenes Team.

C: Genau. Also kann man schon so benennen. Das denke ich auch.

A: Ja wunderbar. Ganz herzlichen Dank.

C: Ja, bitte schön.

A:  Ich habe jetzt hier das nächste Crewmitglied stehen. Das ist der Doorgunner Marcus. Hallo Marcus, vielen Dank, dass Sie auch Zeit haben für uns. Was machen Sie denn jetzt gleich hier am Hubschrauber?

D: Ja, erstmal auch moin von mir. Ich rüste jetzt gleich die Lafette ein. Mit der Waffe, dazu haben wir unsere Munition mit 300 Schuss, den Bedienerersatz, wo Werkzeug für eventuelle Fälle drinnen sind, um dann, ja, fliegen zu gehen und die Crew und die Maschine zu schützen.

A: Was ist das jetzt für eine Waffe und was für ein Kaliber und was für eine Reichweite haben Sie damit?

D: Also wir haben hier das M3M von der Firma FN Herstal aus Belgien mit dem Kaliber 50, also da sprechen wir dann von 12,7 x 99. Wir können damit über 6.000 Meter schießen. Maximale Schussweite. Effektiv sind wir aber ungefähr bei eineinhalb Kilometer, also so 1.650 Metern.

A: Ganz schön weit. Ich würde sagen, dann lassen Sie sich nicht weiter stören. Fangen Sie ruhig schon mal an und erzählen Sie mir, was Sie jetzt genau tun, bitte.

D: Ja, als erstes packen wir die Waffe in die Waffenwiege rein, wo sie dann am Ende drauf ist. Da stecken nach einem Meter, unter dem Ohr gemessen, 1.599.350 Joule hinter. Das ist schon immens. Also das ist keine Handwaffe, sondern die muss wirklich fest auflafettiert sein.

A: Wie schwer ist das Teil, was Sie da jetzt gerade anbauen?

D: Bei der Waffe sprechen wir ungefähr von 30 bis 40 Kilogramm.

A: OK! lacht.

D: Also unsere komplette Waffenstation, wenn wir auch unsere Kampfbeladung dabei haben mit 500 Schuss, da sprechen wir von 240 Kilogramm ungefähr. Nur das Magazin mit dreihundert Schuss, da sind wir bei 40 Kilogramm. Das heißt, es wird auch spannend, wenn wir jetzt mal ein Manöver fliegen oder irgendetwas hören mit den G-Kräften. Drei G, dann sprechen wir schon mal von 120-Kilogramm-Magazin, dann ist das Beladen und Entladen nicht mehr so einfach.

A: Nein, das kann ich mir gut vorstellen. Ja, ja klar. Und wie wird das während des Flugs gesichert? Also zum Beispiel das Magazin?

D: Also wir haben einmal das Magazin hier hinten in so einem Halter drinnen, direkt in der Lafette. Also wenn wir die Lafette drehen, schwenken, wie auch immer, bewegt sich eigentlich alles mit.

A: Nun haben Sie mir eben gesagt, Sie sind das erste Mal in Afghanistan, aber Sie waren schon in Mali im Einsatz.

D: Ja.

A:  Sind Sie gestern auch schon mitgeflogen?

D: Ich bin gestern nicht mitgeflogen. Ich bin vor ein paar Tagen einmal mitgeflogen in einem anderen Hubschrauber, aber ansonsten konnte ich jetzt nicht viel fliegen, weil ich doch sehr beschäftigt bin mit Materialübernahme von der CH-53. Wir wollen den logistischen Aufwand so gering halten, dass die hier reinkommen und den CH-Jungs den logistischen Aufwand so einfach wie möglich machen. Und da wir beide die gleiche Bewaffnung haben, eigentlich vieles gleich haben bis auf die Lafetten und einzelne Kleinteile, versuche ich alles, was irgendwo geht, was wir nutzen können, zu übernehmen, dass die es nicht wieder nach Hause schicken müssen.

A: Ja, das ist natürlich eine praktische Sache. Das ist cool. Genau.

D: Ja.

A: Was fehlt jetzt noch an der Bewaffnung? Was würden Sie jetzt als Nächstes oder was tun Sie jetzt als Nächstes?

D: Also die Waffe ist jetzt in der Waffenwiege drinnen. Unser Visier ist schon dran. Jetzt kommt im Prinzip die Munition in die Waffenwiege.

A: Ja.  Was wiegt das jetzt das wiegt jetzt?

D: Das wiegt jetzt 40 Kilo.

A: OK. Das heißt also, trainieren in irgendeinem Fitnessstudio müssen Sie nicht mehr bei der Belastung. (Lacht).

D: Ja doch, leider muss man gerade bei uns wirklich viel trainieren. Also ich bin jetzt 1,90 Meter groß, ich kann in diesem Hubschrauber nicht stehen. Also ich bin die ganze Zeit am Knien und heble eigentlich das Magazin immer aus dem Rücken. Deswegen sind für uns Rückenschule und Sport sehr sehr wichtig.

A: Ja das kann ich mir gut vorstellen. Das ist ja eine Wahnsinnsbelastung. Im Sitzen 40 Kilogramm. Wow!

D: Ja, und das ist nicht nur, dass man einmal ein 40-Kilo-Magazin hochhebt, sondern da sprechen wir davon, dass wir dann auch so 20.000 Schuss in drei Tagen wegschießen und dass immer alles zum Hubschrauber hin wieder zurückbringen müssen. Das ist schon was. Da bewegt man paar Tonnen innerhalb von drei Tagen.

A: Das kann ich mir gut vorstellen. Krass! Was macht Ihnen denn an Ihrem Job am meisten Spaß?

D: Das Fliegen! Ich glaube, das hat bisher jeder Doorgunner gesagt, der interviewt wurde. Aber wirklich, also ich bin jetzt in der Unteroffizierslaufbahn. Aber wirklich in diesem Dienstgrad fliegen zu können, das ist wirklich... Wo kriegt man das sonst? Außer hier?

A: Also ein Traumjob.

D: Es ist eigentlich ein Traumjob, ja.

A: Wunderbar! Ganz herzlichen Dank. So jetzt habe ich das vierte Crewmitglied für diesen Podcast, und zwar den Notfallmediziner, den Sebastian. Sebastian, ist das Ihr erster Einsatz in Afghanistan oder waren Sie schon mal hier in Afghanistan?

E: In Afghanistan ist das jetzt aktuell der erste Einsatz. Ja. Ich war bereits in Mali und im Irak aber auf dem Hubschrauber hier in Afghanistan ist das absolut der erste Einsatz für mich.

A: Ist es auch der erste Einsatz mit dem NHNATO-Helicopter-90?

E: Ja, definitiv ist das der erste Einsatz mit dem NHNATO-Helicopter-90.

A: Wie ist das jetzt mit den Möglichkeiten der Betreuung? Also der Patientenbetreuung. Haben Sie da jetzt mehr oder weniger im neuen Muster, in dem NHNATO-Helicopter-90, oder können Sie jetzt weniger tun als zuvor?

E: (Lacht). Also Sie müssen die Hubschrauber ja nur einmal nebeneinanderstellen. Da sehen Sie ja den Größenunterschied schon. Definitiv haben wir weniger Material auf dem NHNATO-Helicopter-90. Allerdings ist ja auch das Auftragsspektrum ein bisschen ein anderes. Ja, mit der CH-53 sind sie hauptsächlich Sekundärverlegungen geflogen, das heißt von Klinik zu Klinik mit eventuell schon vorversorgten Patienten. Der NHNATO-Helicopter-90 stößt jetzt nun erstmalig in diese Lücke des Forward Air MedEvacMedical Evacuation und übernimmt damit so eine Rolle dieses sogenannten predict unableness, wie es in der Presse genannt wird, wo wir uns bislang eher auf die Amerikaner mit ihrer Dustoff und halt dem Blackhawk abgestützt haben.

A: Jetzt wird es grade sehr laut hier in der Halle, aber ich denke, wir machen einfach trotzdem mal weiter. Was gibt es denn für Vorteile mit dem NHNATO-Helicopter-90 für Sie?

E: Mit dem NHNATO-Helicopter-90 sind wir schneller in der Luft. Also nicht nur schneller in der Luft von der maximalen Reichweite beziehungsweise von der Maximalgeschwindigkeit, sondern wir sind auch schneller vom Boden weg. Man versucht auch, eine schnellere notice to move hinzubekommen, und wir können natürlich auf kleineren Flächen landen. Wir haben einen geringeren downwash, das heißt, dass es auch für die Truppen draußen in dieser staubigen Umgebung eine geringere Belastung ist. Und wir können dadurch ja quasi auch kleinere Punkte anfliegen und quasi den Forward Air MedEvacMedical Evacuation nutzen, das heißt, wenn draußen mal irgendwas schiefgeht und es einen Bedarfsträger gibt, Patienten abzuholen, können wir die diesmal auch direkt vom Ort des Geschehens abholen.

A: Heißt aber ja auch für Sie, dass es auch ein gefährlicherer Job ist.

E: Ja, jetzt kommt natürlich die taktische Komponente mit ins Spiel, aber dafür haben wir ja auch unsere sogenannten sky marshals mit an Bord und das ist ein engeres Zusammenspiel. Weil, plötzlich sind Sie ja in einer ungewohnten Lage, im Extremfall setzen Sie ab und Ihnen kommen die afghanischen Truppen entgegen. Sprechen nicht Ihre Sprache, sind mit den NATO-Abläufen des Air MedEvacs nicht vertraut, und dann ist es schon wichtig, dass Sie wenigstens als Vier-Mann-Team abgesessen da gut agieren können. Denn der Hubschrauber, wenn der merkt, dass es bisschen länger dauert und wir es mit ihm absprechen, ist der ratzfatz wieder in der Luft. Und dann sind wir vier Mann, vier Deutsche da alleine auf dem Boden mit einer Truppe, die wir nicht kennen.

A: Das heißt, Sie arbeiten und der Hubschrauber ist in einer Entfernung über Ihnen, bis Sie das Signal geben, dass Sie den Verletzten oder Verwundeten einladen möchte?

E: Ja genau, exakt so ist eigentlich der Ablauf, denn auf dem Boden ist der Hubschrauber eine lame duck, der kann sich dort nicht verteidigen. Und ja, so spannend wie es klingt, dass der Hubschrauber dann einfach weg ist beziehungsweise so erschreckend wie der Gedanke ist, dass er einfach erst einmal weg ist: Der Hubschrauber ist ja letztlich unsere Lebensversicherung, weil wir, wenn es kritisch wird, wir ja auch wieder rauskommen wollen, und wir kommen nicht mehr raus, wenn der Hubschrauber erst mal angeschossen worden ist.

A: Absolut, da haben Sie vollkommen recht. Die Alarmzeiten, wie ist das für Sie als Arzt? Müssen Sie 24/7 zur Verfügung stehen und innerhalb von welcher Alarmzeit müssen Sie jetzt hier sein und aufsetzen?

E: (Lacht). Ich bin ja nicht alleine. Ich habe ja noch einen Teamkollegen und wir wechseln uns regelmäßig ab, alle paar Tage. Dann allerdings sind wir in der Bereitschaft, dann quasi über mehrere Tage und müssen das Funkgerät immer mit uns schleifen und müssen dann auch immer verfügbar sein. Das heißt, ob Sie joggen gehen oder ob Sie beim Training sind, sollten Sie das Ding dabeihaben. Wenn wir wirklich Forward Air MedEvacMedical Evacuation fliegen wollen, dann sind maximal diese 15 Minuten, die sind einzuhalten, denn die Amerikaner, die schaffen es auch.

A: Das heißt dann also auch, mitten in der Nacht haben Sie immer alles griffbereit auf Stube liegen?

E: Ja, auf Stube oder eben dort, wo Sie dann quasi die meiste Zeit verbringen oder halt je nachdem, wo Sie die Befehle entgegennehmen. Wenn Sie dort einen Container haben, dann haben Sie direkt das Material bereitgelegt und dann fahren Sie ja einfach in Ihren Klamotten runter und legen Weste, Helm und so dorthin.

A: Verstehe. Und ist das für Sie schöner, mal in der Luft aus der Luft verbracht zu werden und oben zu arbeiten oder fühlen Sie sich grundsätzlich am Boden wohler, weil Sie da einfach mehr Möglichkeiten haben?

E: Die Abwechslung macht es. Definitiv, die Abwechslung macht es. Bodengebunden ist es auch schön. Sie sind mit der Truppe draußen, das ist für einen Arzt, glaube ich, so die einzige Möglichkeit, sich mal wie ein echter Soldat zu fühlen. Sonst sind Sie als der Arzt in der Klinik immer im Feldlager. Sie verlassen das Feldlager kaum. Sie sehen kaum was von außerhalb. Und dann mal mehrere Wochen draußen unterwegs zu sein in so einem Fahrzeug, sich die Landschaft anzusehen, mit den Leuten vor Ort in Kontakt zu kommen. Und dann sind es ja häufig die Herausforderungen, nicht die große Schusswunde oder im schlimmsten Fall die IEDImprovised Explosive Device (improvised explosive device/Sprengfalle), sondern es sind die kleineren Sachen, ein kleinerer Abszess, die Erkrankungen, die Malaria-Erkrankung, die Durchfallerkrankung und dann sind es vielleicht nicht ein Patient oder zwei Patienten, sondern sind 10, 15, 20.

A: Verstehe, ja.

E: Und dann ist man quasi auch eher manchmal der Truppenarzt, wenn Sie mit 120 anderen Soldaten rausfahren, über drei Wochen, dann sind Sie da der Truppenarzt.

A: Das kann ich mir vorstellen. Ja klar. Wie ist denn das jetzt mit Corona? Erschwert Ihnen diese Pandemie Situation die Arbeit?

E: Ja definitiv! Wir müssen im Hubschrauber extrem darauf achten, dass wir diese Hygienekonzepte umsetzen. Wir müssen mit FFP2- Masken fliegen. Das erschwert die Kommunikation erheblich mit den Helmfunkgeräten. Das muss man vorher ein-, zweimal geübt haben, ja. Auch haben wir die Hygiene-Schutzkittel und so ein Zeugs an. Die muss man gut abkleben, nicht, dass sie vom downwash irgendwo die Kittel hoch geweht werden, ja, oder dass Sie sich im Flug mit dem Steh-Haltegurt-System den Kittel zerreißen. Ja, dann müssen Sie auch schauen, dass alle anderen Crewmitglieder sich dieser Gefahr bewusst werden und alle, die diesen Patienten während des Fluges nahe kommen, müssen ja auch diese Schutzausrüstung tragen.

A: Ja, das ist natürlich richtig, richtig erschwerend. Ich kann mir gut vorstellen, wenn Sie jetzt einen Patienten transportiert haben und nicht wissen können, ob der infiziert ist oder nicht, dass man nachher ja auch alles hinten im Flugzeug desinfizieren muss. Haben Sie da auch besondere Vorgaben? Also ich stelle mir vor, wenn jetzt einer beatmet wird, zum Beispiel, oder auch nur Sauerstoff bekommt, da ist man ja dann direkt mit dem Menschen in Kontakt. Wie gehen Sie damit um? Also müssen Sie quasi dann nach jedem Einsatz alles komplett desinfizieren?

E: Also wir desinfizieren ja eh alle Medizinprodukte nach jedem Einsatz. Das ist ähnlich wie im zivilen Rettungsdienst. Wir machen uns dann halt unseren Arbeitsplatz sauber, aber zum Glück haben wir hier noch einen SanHyg-Trupp, der uns ja dann im Falle eines Falles zu Seite springen kann und uns dabei helfen kann. Da sind Fachleute dabei, die wissen was sie dazu tun haben und die können uns da unter die Arme greifen.


A: Na recht herzlichen Dank! Ja, das war der Podcast. Heute aus Afghanistan, aus dem
Camp Marmal mit der Crew des NHNATO-Helicopter-90, und ich hoffe, für Sie war es auch interessant. Ich
habe viele neue Informationen bekommen, viele ganz interessante Einblicke erhalten und den nächsten Podcast, den können Sie wie gewohnt wieder aus Deutschland hören und zwar am kommenden Donnerstag. Ich melde mich ab aus dem Funkkreis. Machen Sie es gut. Tschüss!

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.