Funkkreis
Funkkreis
- Datum:
- Lesedauer:
- 11 MIN
A: Barbara Gantenbein
B: Andrea Hoffmann
A: Herzlich willkommen zum heutigen Podcast. Hier ist Barbara Gantenbein aus der Redaktion der Bundeswehr in Berlin. Übrigens, dass wir aus der Hauptstadt senden, dass könnte man heute auch ein bisschen hören, weil vor unserem Fenster eine Demonstration stattfindet, und die ist relativ laut. Also nicht wundern, wenn ab und zu mal seltsame Geräusche auf der Leitung sind. So ist das nun mal. Dabei ist das Thema heute wirklich ein ganz ernstes. Es ist eins, was unter die Haut geht. Nämlich das Thema Einsatzschädigungen. Und auch, wenn man alles tut, damit die Soldatinnen und Soldaten unversehrt nach Hause kommen, kann eben doch passieren, dass sie Einsatzschäden erleiden, und dann tut die Bundeswehr wirklich unheimlich viel, um zu helfen. Was das genau ist, darüber spreche ich jetzt mit Andrea Hoffmann. Sie ist seit vielen Jahren Sachbearbeiterin in der Zentralen Ansprech-, Leit- und Koordinierungsstelle für Menschen, die unter Einsatzfolgen leiden. Abgekürzt heißt diese Ansprechstelle ZALKZentralen Ansprech-, Leit- und Koordinierungsstelle für Menschen, die unter Einsatzfolgen leiden und sitzt in Sankt Augustin.
Hallo und herzlich willkommen, Frau Hoffmann.
B: Hallo, Frau Gantenbein.
A: Frau Hoffmann, was genau ist Ihre Aufgabe bei der ZALKZentralen Ansprech-, Leit- und Koordinierungsstelle für Menschen, die unter Einsatzfolgen leiden?
B: Meine Aufgabe hier bei der ZALKZentralen Ansprech-, Leit- und Koordinierungsstelle für Menschen, die unter Einsatzfolgen leiden ist Sachbearbeitung Grundsatz. Ich bin mittlerweile seit knapp sechs Jahren in der Koordinierungsstelle und habe da verschiedene Aufgaben wahrgenommen und bin jetzt ungefähr seit einem Jahr im Grundsatz tätig und auch für Sonderfälle zuständig.
A: Das heißt, die Menschen wenden sich direkt an Sie?
B: Ja, hier an die Koordinierungsstelle. Nicht nur direkt an mich als Person, sondern dann eben auch an das gesamte Team.
A: Und wie viele Fälle betreuen Sie aktuell?
B: Wir betreuen derzeit circa 1.400 Betroffene. Sowohl aktiv im Dienst befindliche Soldaten als auch ehemalige Soldaten.
A: Also ich denke, das macht jetzt wahrscheinlich auch vielen Leuten Mut, die sich bisher noch nicht so getraut haben, weil sie gedacht haben, sie sind mit ihren Problemen allein. Aus Ihrer Sicht, ist das wahrscheinlich überhaupt nicht so oder?
B: Nein, natürlich. Sie sind nicht alleine mit ihren Problemen. Es sind also keine Einzelfälle. Ich glaube, dafür spricht auch die Anzahl der Fälle, die wir hier in der Begleitung und in der Betreuung haben. Wichtig ist, dass man versucht, aus der Empfindung heraus, man ist allein gelassen, tatsächlich sich die Hilfe sucht und diese dann auch in Anspruch nimmt. Ich glaube, das ist die große Schwierigkeit und die große Aufgabe, tatsächlich die zuständigen Stellen zu kennen, die Hilfsangebote zu kennen und die dann auch nutzen zu können, um da rauszukommen aus der Problematik, in der man sich befindet.
A: Na klar, es gibt ja auch ganz unterschiedliche Arten von Einsatzschädigungen. Das kann ein gebrochenes Bein sein, es kann aber auch eine PTBSPosttraumatische Belastungsstörung sein. Wie ist denn das? Dominieren mehr die physischen oder die psychischen Schäden?
B: Also von meiner Erfahrung hier in der Koordinierungsstelle sind tatsächlich dominierend die psychischen Schädigungen. Die seelischen Erkrankungsbilder sind tatsächlich da mit einem höheren Anteil bei uns in der Begleitung. Nichtsdestotrotz haben wir auch körperlich verwundete und versehrte Kameraden und Kameradeninnen hier in der Begleitung. Wobei das häufig auch mit psychischen Erkrankungen einhergeht, aber die bleiben sehr häufig auch bei körperlichen Verwundungen nicht aus.
A: Verstehe. Haben Sie denn ein paar Beispiele für so ganz typische Situationen, in denen sich Einsatzgeschädigte dann im Heimatland wiederfinden.
B: Was die körperlichen Verwundungen betrifft, das ist ja dann etwas, was sehr schnell meistens eben durch Kampfhandlungen oder Gefechtssituationen eben sehr schnell auch bekannt ist. Ist ja auch innerhalb des Systems Bundeswehr bekannt. Daneben aber dann ganz viel auch psychische Erkrankungen, die eben erst viele, viele Jahre später mitunter erst auftauchen und dann auch tatsächlich erkennbar werden. Natürlich gibt es grade bei den Erkrankungsbildern, die mitunter erst Jahre später auftreten, auch sehr häufig die Problematik, dass die Betroffenen schon aus der Bundeswehr ausgeschieden sind. Die viele Jahre auch nach Ausscheiden aus dem Dienst, auch in einem Arbeitsverhältnis, in einem Arbeitsprozess standen und sich dann durch bestimmte Auslöser einfach ein Erkrankungsbild zeigt. Da ist es die Schwierigkeit schon, glaube ich, tatsächlich einen Bezug zu einem Einsatz oder zu dem Wehrdienst für sich selber auch zu erkennen und sich dann natürlich auch in Behandlung zu begeben. Bei psychischen Erkrankungen haben wir eben Betroffene, die gut funktioniert haben, aber auch eingegliedert worden sind nach Ausscheiden aus der Bundeswehr. Das hat gut funktioniert auch im Arbeitsleben, in der Tätigkeitsausübung, und dann eben zehn, 15 Jahre später kann tatsächlich ein bestimmter Auslöser dazu führen, dass man einbricht.
A: Ja klar.
B: Und dann ist es natürlich geraten, dass auch schnell Hilfe angeboten wird, schnell Hilfe in Anspruch genommen wird, insbesondere medizinische Hilfe, damit man wieder auf die Beine kommt. Wir haben Kameradinnen und Kameraden, Ehemalige, die keine Eingliederung in das zivile Leben im Prinzip schaffen konnten. Die viele Jahre krank waren, die keine Arbeit aufnehmen konnten, die finanziell abgerutscht sind, wo die Familie, die Angehörigen sich losgelöst haben, wo Freundeskreis nicht mehr vorhanden ist, also die auch so ein bisschen isoliert sind und mehr oder weniger existenzbedrohliche Situationen erleben. Auch da ist die Hilfe, jegliche Hilfe und Unterstützung natürlich auch angeraten.
A: Gibt es denn irgendeine Zeit, eine Frist innerhalb derer die Betroffenen sich melden müssen?
B: Natürlich gibt es Fristen auch im Gesetz, das ist klar, das muss man im Einzelfall tatsächlich schauen. Ich glaube, dass unabhängig vom Einsatz-Weiterverwendungsgesetz, was eben Fristen für Antragstellungen enthält, dass es wichtig ist, dass man sich tatsächlich bemerkbar macht. Also dass man die Hilfsangebote, die die Bundeswehr hat, versucht zu nutzen, in Kontakt zu treten, das ist sehr einfach auch gegenüber der Koordinierungsstelle. Mit einer kurzen E-Mail auf sich und seinen Fall aufmerksam zu machen und auf eine Problemstellung. Und da muss man tatsächlich im Einzelfall schauen, welche individuelle Hilfe ist möglich. Es ist ja nicht nur das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz, was wir hier hauptsächlich auch in der in der Bearbeitung haben und in der Verantwortung, sondern es sind ja ganz viele andere Dinge wie Beschädigtenversorgung, Zugang zu medizinischer Versorgung, Krankenversicherung. Es gehört ja ganz viel dazu. Wo es auch durch die Bundeswehr mit den Institutionen dementsprechende Hilfen und Unterstützung gibt.
A: Das klingt schon mal super. Können Sie diese Arten von Hilfen mal konkretisieren? Und mir noch so ein bisschen erzählen, weil ich mich ja damit ja gar nicht auskenne, welche Arten von Hilfen es überhaupt gibt.
B: Es gibt zum einen, auch als ganz maßgeblicher Teil einer Unterstützung, einer Hilfe, das ist natürlich das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz. Das ist eine gesetzliche Grundlage, die es eben ermöglicht, unter bestimmten Voraussetzungen auch in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art sich nachher zu befinden. Gerade für die Ehemaligen ist das interessant, also wieder eingestellt zu werden in die Bundeswehr. Trotz der Erkrankung, trotz der Einschränkungen, immer mit der Zielsetzung ganz allgemein eine Wiedereingliederung auch in ein Erwerbsleben zu erreichen. Das ist der große Ansatz, den das Gesetz verfolgt. Das Ganze wird umgesetzt eben durch die Gewährung von medizinischer Behandlung, die eben notwendig ist und, falls angeraten, eben auch der beruflichen Qualifizierung. Um eben genau das zu erreichen. Ein ganz markanter Eckpunkt in diesem Gesetz ist auch der Rechtsanspruch auf dauerhafte Weiterverwendung bei der Bundeswehr. Das ist auch an Voraussetzungen geknüpft, so wie jeder Anspruch an Voraussetzungen geknüpft ist, und nicht jeder erfüllt ihn. Aber es ist zumindest gesetzlich dieser Anspruch manifestiert und das ist wirklich ein herausragender Bestandteil dieses Gesetzes.
A: Das heißt, betrifft dieses Gesetz auch zum Beispiel Beamten im Einsatz?
B: Ja.
A: Ja.
B: Auch die sind davon erfasst. Auch unsere Arbeitnehmer sind davon erfasst. Also jeder, der in einer besonderen Auslandsverwendung tätig ist.
A: Ja, verstehe. Wie ist das mit den Angehörigen. Also, es gibt ja häufig auch die Situation, dass Betroffene das gar nicht wahrhaben wollen und sich der Situation eigentlich gar nicht stellen möchten, aber die Angehörigen merken, das ist irgendwas komisch. Können die dann auch auf Sie zukommen und sich Hilfe holen, also dann eben für ihren oder ihre Betroffenen?
B: Also selbstverständlich stehen wir jedem mit Rat und Tat und mit unserer Unterstützung zur Verfügung. Natürlich. Da ist genau das Problem. Wir müssen dann schauen, wie wir nicht über den Kopf hinweg von jemandem entscheiden oder irgendwelche Dinge tun, sondern im Prinzip dahin lenken, dass die Betroffenen sich die Hilfe dann auch aktiv/proaktiv holen. Da stehen wir selbstverständlich auch Angehörigen zur Verfügung. Wir sprechen mit Angehörigen, die sind auch mitunter bei Beratungsgesprächen mit dabei, und wir stehen auch mit ganz vielen anderen, die in dem System Bundeswehr zu den Stellen gehören, die damit in der Unterstützung mit drinnen sind, stehen wir in Kontakt. Dazu gehört der Sozialdienst der Bundeswehr. Dieser ist ein ganz wichtiger Bestandteil in meinen Augen, die eben vor Ort mit den Betroffenen arbeiten, die unterstützen, beraten, die bei Antragstellungen behilflich sind, materiell-rechtliche Ansprüche erklären und die Menschen dabei unterstützen. Wir haben den Berufsförderungsdienst der Bundeswehr, der dann, wenn sie im System zurück sind oder noch im System befindlich sind, mit viel Know-how auch um die beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen kümmert, damit es zielgerichtet mit den Möglichkeiten, die die Betroffenen haben, eben auch in eine gute Richtung geht.
A: Genau, wir hatten auch schon mal einen Podcast zu BFDBerufsförderungsdienst der Bundeswehr, dass fand ich auch total spannend, was es da alles gibt. Das heißt, mit denen sind Sie auch dann direkt im Gespräch?
B: Ja, das sind wir. Müssen wir auch, weil ja die berufliche Qualifizierung ein Bestandteil der Schutzzeit ist.
A: OK. Verstehe. Ja.
B: Also es baut ja aufeinander auf.
A: Sicher sind Sie ja dann auch im Gespräch zum Beispiel mit dem Traumazentrum, wenn es um PTBSPosttraumatische Belastungsstörung geht und so weiter.
B: Also ja, nicht nur mit dem Psychotraumazentrum, sondern auch mit den behandelnden Ärzten, sowohl zivil, also, wenn das noch Ehemalige sind, die noch nicht im System zurück sind, als auch mit dem Sanitätsdienst der Bundeswehr. Ganz klar, das sind ja die Behandler unser Soldatinnen und Soldaten. Wir sind im Gespräch mit der Personalführung, die auch ein wichtiger Bestandteil ist, gerade bei Betroffenen, die eben im System Bundeswehr wieder zurück sind. Da ist die Personalführung immer ein wichtiger Bestandteil, um eben solche Dinge zu regeln wie zum Beispiel heimatnahe Versetzung, Verwendungswechsel. Wenn man also aufgrund von gesundheitlichen Schädigungen die bisherige Verwendung eben auch nicht mehr will, nicht mehr ausüben kann, muss man schauen, kann man den Betroffenen auch tatsächlich noch einsetzen, dass er auch dienstgradgerecht einer Tätigkeit nachgehen kann.
A: Ja und eben auch einen Job machen kann, der ihn ausfüllt oder sie. Das ist ja auch ganz wichtig, dass einem sein Beruf Spaß macht, dass man das kann, in dem man gut ist, also das gerade, wenn man so ein Leiden hat.
B: Genau. Und das ist ein wichtiger Bestandteil. Also Hintergrund auch für die Erarbeitung dieses Gesetzes war, dass man eben Verwundete und Verletzte, Versehrte Kameradinnen und Kameraden eben nicht in eine Versorgungsleistung vorrangig bringt. Egal, welche Art diese Versorgungsleistung ist, sondern dass die Betroffenen teilweise ja auch noch sehr jung, also noch viele Jahre eigentlich in einem Arbeitsprozess normalerweise befindlich, tatsächlich auch den Anspruch an sich selbst haben, einen Beitrag zu leisten. Das ist ja maßgeblich auch für eine Genesung, für ein Selbstwertgefühl, dass man gebraucht wird und dass man auch wahrgenommen wird und dass man Bestandteil auch eines Arbeitsprozesses ist.
A: Klar, das ist ja auch ein Erfolgserlebnis und der Genesung wieder sehr dienlich.
B: Genau und das wirkt auch sehr stabilisierend. Und da gehören eben auch zumindest den gesundheitlichen Einschränkungen Rechnung tragende Beschäftigungsmöglichkeiten mit dazu.
A: Ja klar.
B: Die das auch möglich machen trotz bestimmter Verwendungseinschränkungen oder unter anderen dauerhaften Einschränkungen. Da ist man durchaus in der Lage, auch eine Arbeit wahrzunehmen.
A: Gibt es denn irgendwo eine Website, wo Betroffene oder auch Angehörige sich schlau machen können und einfach schon mal darauf gucken können, welche Hilfen gibt es. Wohin müssen die sich wenden? Haben Sie da eine Adresse für die Zuhörerinnen und Zuhörer?
B: Jawohl. Also es gibt die Internetseite der Bundeswehr www.bundeswehr.de, da gibt es einen Reiter Betreuung und Fürsorge. Wenn man da anklickt, dann kommt man auf die sogenannte PTBSPosttraumatische Belastungsstörung-Hilfe. Dort ist auch kurz erklärt, wer welche Tätigkeiten wahrnimmt, wer welche Aufgaben hat. Dort findet man erste Kontaktdaten und unter anderem auch den Kontakt zur Koordinierungsstelle. Daneben ist es mir auch wichtig, auf die Trauma-Hotline der Bundeswehr zu verweisen. Das ist eine 24-Stunden gebührenfreie Hotline, wo man sich auch melden kann, wenn man tatsächlich ein Problem hat, wenn man vielleicht auch das Empfinden hat: Möglicherweise habe ich da eine Schädigung, das aber noch nicht so richtig greifen kann. Den Kontakt kann man da auch jederzeit aufnehmen. Das sind so die markanten Punkte, wo ich auch sagen kann, dass jemand, der noch nicht im System Bundeswehr zurück ist oder sich in diesem System befindet, eben auch von außen diese Kontaktmöglichkeiten ergreifen kann.
A: Wunderbar. Herzlichen Dank, Frau Hoffmann.
B: Sehr gern!
A: Ich denke und ich hoffe, dass wir mit diesem Podcast den Kameradinnen und Kameraden, die Hilfe brauchen und sich bisher noch keine geholt haben, wirklich Mut machen konnten, sich an die ZALKZentralen Ansprech-, Leit- und Koordinierungsstelle für Menschen, die unter Einsatzfolgen leiden zu wenden. Den nächsten Podcast gibt es wie immer Donnerstag in einer Woche hier und auch auf all den anderen Podcast-Kanälen. Ich wünsche Ihnen eine gute Woche und melde mich für heute ab aus dem Funkkreis. Tschüss.