Funkkreis

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A: Barbara Gantenbein
B: Oberst Werner Klaffus


A: Guten Tag aus der Redaktion der Bundeswehr. Hier ist Barbara Gantenbein und heute geht es um den Weltfrieden. Denn tatsächlich leistet die Bundeswehr ihren Beitrag dazu unter anderem mit dem Vereinte Nationen Ausbildungszentrum. Die Vereinten Nationen feiern in diesem Jahr ihr 75-jähriges Jubiläum. Die UNUnited Nations-Charta trat am 24. Oktober 1945 in Kraft. Darin festgelegte Ziele sind: Sicherung des Weltfriedens und Einhaltung des Völkerrechts. Eingebettet in internationale Bündnisse unterstützt die Bundeswehr genau diese Ziele etwa mit der Ausbildung von Militärbeobachtern am Vereinte Nationen Ausbildungszentrum in Hammelburg. Ich bin jetzt am Telefon verbunden mit dem Kommandeur des Ausbildungszentrums, Oberst Werner Klaffus. Guten Tag, Herr Oberst.

B: Schönen guten Morgen, Frau Gantenbein, aus dem schönen, sonnigen Hammelburg.

A: Bei uns ist nicht ganz so perfektes Wetter, aber dann haben Sie wunderbares Ausbildungswetter. Sie bilden in Hammelburg ja für die Vereinten Nationen Militärbeobachter aus. Können Sie mir bitte erzählen, was die Aufgabe der Militärbeobachter ganz konkret ist?

B: Militärbeobachter sind unbewaffnete Offiziere, die in Konfliktländer gehen und sich zwischen die Konfliktparteien stellen. Das Ziel der Vereinten Nationen ist, diese Konfliktparteien zu trennen. Für die Beobachter ist das natürlich eine sehr schwierige Aufgabe. Sie müssen vorrangig, wie das ihr Name sagt, beobachten, die Lage feststellen und auf dem dort vorgeschriebenen Dienstweg nach New York melden, um daraus möglicherweise politische Konsequenzen und Maßnahmen abzuleiten. Sie müssen verifizieren können. Das heißt, oft sind das mit Waffen ausgetragene Konflikte, bei denen diese Waffen auch gegebenenfalls abgegeben oder eingesammelt werden müssen. Verifikationsaufgaben sind ein großer Teil. Der dritte Teil, und den halte ich fast für den wichtigsten, ist, die Verbindung herzustellen und zu halten. Das kann zwischen allen möglichen Organisationen, Konfliktparteien, Hilfskräften, die dort im Einsatzland sind, sein. Letztlich geht es darum, die Kräfte aller Beteiligten zu bündeln und für Frieden und Stabilität das Bestmögliche herauszuholen.

A: Sie bilden auch internationale Militärbeobachter aus. Das sind ja nicht alles Deutsche. Wo kommen die Teilnehmenden überall her? Und was lernen die in den Lehrgängen? Also ich rede jetzt von der normalen Situation, nicht Corona.

B: Die Einsätze der Vereinten Nationen sind natürlich immer multinationale Einsätze. Die Bundeswehr geht niemals alleine in einen Einsatz der Vereinten Nationen, sondern es sind immer mehrere Nationen, die sich an diesen Missionen beteiligen. Eine der wesentlichen Leistungen das Vereinten Nationen Ausbildungszentrums in Hammelburg ist, dass wir dieses Szenario schon in der Ausbildung abbilden. Ich habe regelmäßig für einen Lehrgang etwa acht, manchmal zehn internationale Instruktoren und bis zu 20 bis 25 internationale Lehrgangsteilnehmer zusätzlich zu den Deutschen. Sie kommen aus allen Kontinenten: Europa, Süd- und Mittelamerika, Afrika und Asien. Damit können wir dieses internationale Ambiente perfekt abbilden und unsere deutschen Lehrgangsteilnehmer bekommen hier schon ein Gefühl für die Situation. Im Prinzip sind sie bereits in ihrem ersten Einsatz, wenn sie bei uns durch die Ausbildung gehen.

A: Ich habe vor ein paar Jahren für die Bundeswehr die Abschlussübung drehen können und fand es spannend, was alles an Stationen aufgebaut wurde. Können Sie erklären, was zum Beispiel in der Abschlussübung vorkommt und was gelernt wird in den Lehrgängen?

B: Die Abschlussprüfung ist tatsächlich unser Aushängeschild. Die führen wir über acht Tage im Sommer in Süddeutschland und im Herbst hier im Fränkischen durch. Wir führen diese Übung traditionell seit über zehn Jahren eng mit unseren Schweizer, österreichischen und niederländischen Kameraden durch, sodass wir auch auf dieser Ebene bereits eine multinationale Übung haben. Sie besteht aus 36 Stationen, in denen ein Lehrgangsteilnehmer alle möglichen Szenarien erleben kann, die im realen Einsatz passieren können. Das beginnt mit einem ganz normalen Verkehrsunfall, bei dem Erste Hilfe geleistet werden muss. Weiter gibt es ein Gelände, wo man eine Bedrohungslage durch Minen oder alte Kampfmittel hat. Die Frage ist: Wie gehe ich damit um? Bei einer anderen Station muss man sich energisch zwischen Konfliktparteien stellen, in denen Streit um Land- oder Grundstückforderungen ausbricht. Höhepunkt ist eine Mediation, dass bedeutet, ein Abstimmungsgespräch zwischen den Konfliktparteien. Unsere Lehrgangsteilnehmer werden sowohl intellektuell gefordert, die Komplexität zu sehen, zu erkennen und zu verstehen, aber auch in der einzelnen Situation richtig und zweckmäßig zu handeln. Diese Bilder untermalen wir auch beispielsweise mit Polizeikräften, die im Einsatz immer präsent sind, und zivilen Organisationen wie GIF und ZIFZentrum für Internationale Friedenseinsätze. Das sind die Nachfolgeorganisationen, die für das Auswärtige Amt und das Entwicklungshilfeministerium arbeiten. Das heißt, alle diese Spieler, die auch im Einsatz zu finden sind, sind auch in diesem Szenario integriert. Unsere Lehrgangsteilnehmer sollen das Gefühl haben, dass sie im Einsatz sind, außer dass es vielleicht nicht ganz so heiß ist wie in Mali.

A: Wir sollten vielleicht für unsere Zuhörer noch kurz erklären: GIZGesellschaft für internationale Zusammenarbeit ist die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und ZIFZentrum für Internationale Friedenseinsätze das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze. Ich fand damals auch so spannend, dass Sie unheimlich viele Rollenspieler in diesen Übungen einsetzen. Können Sie das für die Zuhörer plastisch beschreiben, wie man sich das da vorstellen muss?

B: Wir sind durch unseren Dienstherrn, durch die Bundeswehr, sehr gut ausgestattet worden. Das ist wohlmöglich ein Alleinstellungsmerkmal, das wir in der Welt haben. Das Vereinte Nationen Ausbildungszentrum hat für diese Ausbildung eine komplette Unterstützungskompanie. Das sind um die 90 Soldaten, die dann in dieser Ausbildung in alle Rollen schlüpfen, die gebraucht werden: Das geht von gegnerischen Kriegsherren, das sind irreguläre Kräfte, bis hin zum Bürgermeister und Passanten am Straßenrand. Das alles wird durch diese Soldaten dargestellt. Und weil sie so viele sind, sprechen diese Bilder für sich und sind so glaubwürdig, dass man sie den Lehrgangsteilnehmer nicht erst erklären muss. Die Teilnehmer sind direkt im Bilde und können unmittelbar in dieser Lage üben. Die Rollenspieler sind Profis, die wissen, was sie machen. Die Kameraden muss man nicht steuern, sie haben das große Ziel dieses Bildes, dieser Station, vor Auge und können zweckmäßig auf das Verhalten der Lehrgangsteilnehmer reagieren. Damit haben wir eine hochprofessionelle Ausbildung, die in der Qualität weltweit hohe Anerkennung hat.

A: Also ich fand das auch unheimlich beeindruckend. Wie lange dauert die Ausbildung denn insgesamt?

B: Für die deutschen Lehrgangsteilnehmer sind das zehn Wochen. Zunächst einmal gibt es die normale Einführung in das Geschäft der Vereinten Nationen. In vielen Bereichen ist unsere Ausbildung doch anders als in der Bundeswehr und dem klassischen Gefecht. Da muss man erst mal ein paar Eckpunkte verstanden haben, um sich zweckmäßig verhalten zu können. Dann kommt ein großer Teil Sanitätsausbildung, der inzwischen drei Wochen dauert. Militärbeobachter werden in Regionen eingesetzt, wo ein Arzt nicht unmittelbar verfügbar ist. Sie müssen in der Lage sein, sich auch in schwierigen Situationen erst einmal selbst zu helfen. Dann kommt ein großer Block Sprachausbildung in Englisch. Unsere Offiziere sprechen natürlich Englisch, aber wir trainieren speziell das VN-Englisch. Das heißt, die Sprache, die dort gesprochen wird: Fachbegriffe, Fachverfahren, Gesprächsführung, Briefing für Vorgesetzte. Die englischen Vokabeln, die Fachsprache, aber auch die Formate müssen verständlich sein. Und dann kommt eben unser Aushängeschild, der Militärbeobachter-Lehrgang. Dort wird zunächst eine ganze Menge Theorie vermittelt, die man auch verstanden haben muss. Dann geht es in die praktische Ausbildung, die Sie auch gesehen haben, die dann tatsächlich der Höhepunkt ist. Ganz zum Schluss machen wir, fast wie bei Asterix, ein großes Dinner mit allen Lehrgangsteilnehmern und Ausbildern, damit alle erfolgreich in ihrer Heimatnation zurückreisen können.

A: Ich nehme an, ein Wildschwein gibt es da nicht?

B: Es gibt auch Wildschwein. Aber wer kein Wildschwein mag, der kriegt dann Ente oder irgendetwas anderes.

A: Das klingt gut. Mir ist damals in der Übungsstadt bei den Stationen aufgefallen, dass auch Situationen, wie ein frisches Grab, wo offensichtlich jemand heimlich begraben wurde, oder ein Haus, das überfallen und in dem Frauen vergewaltigt wurden, dargestellt werden. Welches Thema ist denn am wichtigsten und wie wichtig ist das Thema Menschenrechte in der Ausbildung?

B: Die Menschenrechte stehen bei allen Aktivitäten und bei allen Gedanken der Vereinten Nationen immer an vorderster Stelle. Das ist auch bei anderen Organisationen wie der NATONorth Atlantic Treaty Organization immer der Fall. Die Vereinten Nationen haben in den letzten Jahren aufgrund der Erfahrungen und der sich verändernden Kriegsbilder aus den Einsatzländern oder aus Afrika den Schutz von Zivilisten an allerhöchste Priorität gestellt. In den Ländern sind Vergewaltigungen, Plünderungen, Mord, Totschlag durch Konfliktparteien und den dort agierenden Akteuren ein großes Thema. Es gibt auch illegale Banden. Inzwischen gibt es eine ganze Vielzahl von Konfliktteilnehmern. Hier steht der Schutz von Zivilisten an höchster Stelle. Deswegen stellen wir in diesen Bildern Vergewaltigungen dar. In der Szene am Grab, an dem eine weinende Witwe um ihren umgebrachten Mann trauert, kommt zusätzlich eine Konfliktpartei dazu, die uns wegdrängen möchte, damit wir nicht berichten, welche Kriegsverbrechen begangen wurden. Auch damit ist wieder umzugehen. Das heißt, das Thema Schutz von Zivilisten steht an prominenter Stelle und ist in vielen unseren Bildern auch entsprechend abgebildet. Unsere Militärbeobachter sollen bei solchen Situationen dann erstens in der Lage sein, dies einzuordnen, und zweitens auch den Mut fassen, nach vorne zu gehen und einzuschreiten.

Denn Wissen ist das eine, aber es dann tatsächlich auch zu machen, das ist schon eine mutige Entscheidung. Wenn der Gegner bewaffnet ist und sie unbewaffnet sind und sie nur das Wort haben, dann muss man schon genau überlegen, wie man das richtig macht. Und das bilden wir aus.

B: 2018 hat der UNUnited Nations-Generalsekretär António Guterres eine Reforminitiative der Friedensmissionen vorgestellt. Deutschland hat in den Bereichen Frauen, Frieden, Sicherheit und Performance-Ausbildung, Training, Kapazitätsaufbau eine Schlüsselrolle übernommen. Was hat sich seitdem in der Ausbildung verändert und welchen Stellenwert haben heutzutage weibliche Militärbeobachter? Sie haben ja auch gesagt, gerade die Rolle der Frau wird wichtiger, auch auf Seiten der Militärbeobachter. Können Sie mir dazu noch was sagen?

A: Die Erfahrung aus den letzten Jahren, wie ich das eben schon angedeutet habe ist, dass in diesen Konfliktszenarien die Konfliktparteien vielfach Vergewaltigung als Mittel, Raub, Brandschatzung, Vertreibung als Mittel ihrer Kriegsführung nutzen. Gerade wenn es um die Vergewaltigung oder den Schutz von Familien geht, sind die Vereinten Nationen überzeugt, dass der Einsatz von Frauen, von weiblichen Offizieren, in diesen Szenarien zweckmäßiger ist als der von Männern. Sie können einfühlsamer auf diese Situationen reagieren, weil sie auch eher in der Lage sind, mit Menschen, mit vergewaltigten Frauen zu kommunizieren, als wenn ich als Mann auftrete. Daher haben die Vereinten Nationen jetzt sehr hohe Forderungen gesetzt und den Frauenanteil zum Bespiel in den Missionen auf 15 Prozent erhöht. Die Bundesrepublik muss jetzt schauen, wie sie damit umgeht. Seit zwei Jahren hat das Bundesministerium der Verteidigung weltweit zu unserem Militärbeobachter-Lehrgang eingeladen. Sie haben die Ausbildung für weibliche Offiziere ausgeschrieben, sodass wir im letzten Jahr in einem Lehrgang 22, im Vorjahr 23 Frauen von vier Kontinenten bei uns hatten. Nur Australien war im Militärbeobachter Lehrgang nicht vertreten. Das heißt, die Bundesrepublik Deutschland ist hier einen weiten Schritt nach vorne gegangen und hat weit sichtbar, weil der Lehrgang bei uns wohl auch ganz gut gelaufen ist, für die Welt weibliche Militärbeobachter ausgebildet. Wobei das nach meiner Bewertung lediglich die ersten Schritte sind. Wir haben jetzt knapp 50 Frauen für den Bedarf der Vereinten Nationen ausgebildet, das ist ein erster Schritt. Und ich denke, es ist eine gute Idee, diesen Weg weiterzugehen.

A: Das ist eine tolle Leistung. Ich denke, dass die Präsenz von Frauen gerade in muslimisch geprägten Ländern, in denen häufig Frauen oft gar nicht mit Männern reden, umso wichtiger ist. Wenn sich jetzt Kameradinnen und Kameraden dafür interessieren, was müssen die denn für Qualifikationen haben, damit sie zu Ihnen kommen dürfen und sich ausbilden lassen können?

B: Formal sollen das Stabsoffiziere sein. In der Bundeswehr sind aber auch Oberleutnante, Hauptleute immer gut geeignet, diese Ausbildung zu durchlaufen, um dann künftig als Militärbeobachter eingesetzt zu werden. Die beiden Kernforderungen, die ich immer an diese jungen Offizierinnen und Offiziere stelle, sind einmal militärische Erfahrung. Sie brauchen eine gewisse Dienstzeit und auch Verwendungen, sodass sie in der Lage sind, die Dinge im Einsatzland einzuordnen: Konfliktparteien, Ausrüstung, Situationen. All das müssen sie sehen, verstehen und einordnen können. Dazu braucht es militärische Erfahrung. Da braucht man einige Dienstjahre und Verwendungen. Die zweite wesentliche Säule ist Lebenserfahrung. Ich hatte eingangs gesagt, die Militärbeobachter sind vor allen Dingen auch dazu da, um mit allen möglichen Parteien, Kriegsparteien, Hilfsorganisationen zu kommunizieren und Lösungswege zu identifizieren und festzumachen, um Frieden und Stabilität zu fördern. Auch dazu braucht es Lebenserfahrung. Das heißt, sie brauchen ein bestimmtes Alter, eine bestimmte Lebenserfahrung. Sie müssen in der Lage sein, auch mit manchmal schwierigen Menschen sachlich zu diskutieren und trotz aller Schwierigkeiten zu einem akzeptablen Ergebnis zu kommen. Das kann ein 18- bis 22-Jähriger mit Sicherheit noch nicht. Die beiden Säulen sind Lebenserfahrung und dienstliche Erfahrung. Darum sind unsere Lehrgangsteilnehmer immer, ich sage mal, so 32- bis 35-Jährige und Hauptleute oder Stabsoffiziere. Das sind die besten Voraussetzungen für diese Ausbildung und für diese Aufgabe.

A: Das ist ja wirklich eine extrem komplexe Aufgabe, das stimmt. Und es wäre natürlich auch toll, wenn sich viele junge Offizierinnen melden und sagen würden: Ich will das auch machen. Und es hängt ja auch immer ein bisschen davon ab, in welchen Kontext sie aktuell arbeiten. Aber ich finde es ganz toll und ganz spannend, was Sie da machen. Und ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen für dieses Gespräch, Herr Oberst.

B: Ja, gerne. Und wie gesagt, bei Gelegenheit gerne wieder, Frau Gantenbein. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.

A: Das wünsche ich Ihnen auch. Herzlichen Dank! Zum Thema 75 Jahre Vereinten Nationen finden Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, noch viele weitere Informationen auf der Webseite des Verteidigungsministeriums. Und das ist BMVgBundesministerium der Verteidigung.de. Den nächsten Podcast, den hören Sie wie immer kommenden Donnerstag. Ich melde mich für heute ab aus dem Umkreis. Tschüss.

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