Funkkreis

Funkkreis

Datum:
Lesedauer:
9 MIN

Hptm Cristin Schulenburg = 1

Oberfeldarzt Dr. Svenja Liebler = 2


Delta to all, Radiocheck, over

Hier ist Bravo, kommen

This is Tango, over

Funkkreis, Podcast der Bundeswehr


1: Willkommen beim Funkkreis. Ich bin Christin Schulenburg aus der Redaktion der Bundeswehr in Berlin. Unser heutiges Thema beschäftigt uns und die Bundeswehr bereits eine ganze Weile – Corona. Langsam wird es zäh und viele Maßnahmen werden nicht mehr so eingehalten wie am Anfang. Dabei sollten wir genau das tun. Um dies näher zu erläutern, haben wir wieder mit einer Expertin gesprochen. Bei mir am Telefon habe ich Dr. Svenja Liebler. Frau Doktor ist Oberfeldarzt in Koblenz. Frau Doktor, was ist Ihr Dienstposten und womit haben Sie täglich zu tun?

2: Ich arbeite im Kommando Sanitätsdienst in der Unterabteilung 6. Die ist für die Präventivmedizin zuständig. Ich selbst bin Krankenhaushygienikerin und normalerweise eben für die Hygiene in den Krankenhäusern, in den medizinischen Einrichtungen in den Auslandseinsätzen zuständig. Aber im Moment ist ein Schwerpunkt natürlich die Prävention von Corona-Infektionen.

1: Gibt es denn beziehungsweise gab es denn Fälle in der Bundeswehr an Corona?

2: Wir haben Fälle in der Bundeswehr gehabt bereits zu Beginn, wo sich auch Soldaten angesteckt haben. Im zivilen Umfeld war das damals viel mehr. Wir haben aber vor allem aber auch im Moment wieder 43 aktive Fälle in der Bundeswehr und damit sind wir leider wieder auf dem Stand angekommen, den wir im März schon mal hatten, als die Coronazahlen in Deutschland insgesamt anstiegen. Zwischenzeitlich sah das deutlich besser aus, aber im Moment sind es eben insgesamt auch die Urlaubsrückkehrer, die das Virus wieder nach Deutschland einschleppen, und das spiegelt sich natürlich auch bei den aktiven Fällen in der Bundeswehr wieder. Insofern muss man eben ganz klar sagen, dass dieser einmalige negative Test bei Einreise oder eventuell sogar 48 Stunden vor der Einreise nach Deutschland nicht ausreichen kann, um mit Sicherheit zu sagen, dass dieser Mensch nicht infektiös ist beziehungsweise sich selbst nicht angesteckt hat. Und insofern müssen wir eben einfach für die Bundeswehr sagen, dass wir die Menschen, die sich in einem Risikogebiet aufgehalten haben, bitten, nicht mit diesen einmaligen negativen Test wieder in den Dienst zu kommen, sondern eben sich für sieben Tage in Quarantäne zu begeben, sich frühestens am siebten Tag beim Truppenarzt testen zu lassen und erst dann mit dem negativen Testergebnis wieder den Dienst am Dienstort aufzunehmen.

1: Sollte sich nun doch jemand anstecken, wie sieht denn das momentan mit den Erkenntnissen aus?  Junge und gesunde Menschen, wie sie häufig in der Bundeswehr vertreten sind, haben die auch eine besonders hohe Gefahr eventuell von Spätschäden oder Ähnlichem?

2: Im Vergleich zu älteren Menschen, vor allem mit Vorerkrankungen, haben die jungen und gesunden Menschen ein geringeres Risiko. Dennoch kann es eben auch die treffen und im Einzelfall können auch junge gesunde Menschen einen schweren Verlauf haben im Sinne von überschießenden Reaktionen des Immunsystems, die dann eben wirklich diese schweren Verläufe auch mit Beatmungspflichtigkeit verursachen können. Und selbst Patienten, die eigentlich nur sozusagen den Atemwegsinfekt hatten, merken zum Teil noch Wochen oder Monate später eine eingeschränkte körperliche Belastbarkeit. Das kann dann eben für den Soldaten durchaus relevant sein, wenn er eben schneller erschöpft ist oder ein geringeres Lungenvolumen hat, je nachdem, welche Funktion die ausüben. Also wenn jemand jetzt am Schreibtisch tätig ist, so wie ich das bin, dann mag das vielleicht keine großen Folgen haben, wenn ich jetzt die nächsten drei bis vier Monate schlechter die Treppen hochkomme. Aber bei jemandem, der tatsächlich körperlich schwere Tätigkeiten verrichten muss, für den kann es durchaus relevant sein. Auch junge Menschen, auch an sich gesunde Menschen können schwere Verläufe erleiden. Wir haben es auch im Einsatz gesehen, wo eben ein ausländischer Pilot repatriiert werden musste, weil er einen schweren Verlauf entwickelt hat, weil er kurz vor der Beatmungspflichtigkeit war. Und solche Menschen haben natürlich, wie wir es auch bei anderen Atemwegserkrankungen sehen, lange noch mit den Folgen zu kämpfen im Sinne von eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit. Was die Lungenfunktion betrifft, sind diese Menschen eingeschränkt, und das merke ich natürlich dann, wenn ich Treppen steige, wenn ich sportlich aktiv sein will, wenn ich mich eben körperlich belaste. Insofern kann mich das durchaus betreffen. Das betrifft auch Menschen, die eine bakterielle Lungenentzündung erlitten haben. Daher kennen wir das schon. Somit ist das natürlich nichts Neues, was wir bei diesem Virus sehen, aber das ist eben etwas, das viele junge Menschen etwas verdrängen. Die denken, das ist ein Schnupfen und nach 14 Tagen ist alles wieder gut. Das ist auch in der Mehrzahl der Fälle so. Wenn ich aber gerade der eine bin, den es schwer trifft, dann kann ich durchaus lange damit zu tun haben.

1: Wie lange ist denn lange?

Lange ist zum Teil über mehrere Monate hin, bis zu einem halben Jahr und länger. Letztendlich wissen wir ja überhaupt erst seit einem guten halben Jahr oder seit einem Dreivierteljahr inzwischen, dass es dieses Virus gibt, und insofern kann man natürlich noch nicht über lebenslange oder jahrelange Spätfolgen sprechen. Aber was wir natürlich sehen, ist, dass Menschen, die künstlich beatmet werden mussten, enorme Probleme haben und ein sehr eingeschränktes Lungenvolumen haben können. Und das sind dann natürlich wirklich relevante Spätfolgen. Es kann natürlich dazu führen, dass ich für eine gewisse Zeit erst mal nicht mehr auslandsverwendungsfähig bin. Auch wenn man jetzt Spezialkräfte vor Augen hat, Kampfschwimmer, Minentaucher oder Ähnliches, die eben natürlich enorm auf ihr Lungenvolumen angewiesen sind, oder auch Militärmusiker, Blasmusiker. Die leben natürlich davon, dass sie dieses Lungenvolumen haben, um ihr Instrument spielen zu können. Insofern sind es ganz verschiedene Bereiche, die davon betroffen sein können.

1: Und nun bin ich Bundeswehrsoldat und bin ganz sportlich, mache nicht nur meinen Dienstsport, sondern auch darüber hinaus. Das heißt, mein Herz und meine Atemwege sind eigentlich gut trainiert. Nichtsdestotrotz muss ich mich wie alle anderen auch schützen?

2: Ich sollte mich auf jeden Fall schützen. Denn man muss ja auch sagen, es geht nicht nur um den Soldaten selbst, sondern es geht auch darum, dass der Soldat vielleicht auch Angehörige hat, Eltern, Großeltern, die möglicherweise Vorerkrankungen haben. Dass der Soldat aber auch Kollegen im zivilen Umfeld, aber auch Kameraden hat, die wiederum Angehörige haben und die eben auch verhindern möchten, dass diese Infektion weitergetragen wird und eben vulnerable Patienten befallen könnte. Was sehr häufig gesagt wird, dass wir in Deutschland gerade so wenig aktive Fälle im Moment haben, dass unsere Todesraten sehr gering sind. Das Ganze liegt natürlich daran, dass wir sehr konsequent und sehr frühzeitig massiv Maßnahmen ergriffen haben und insofern eben italienischen Verhältnissen vorbeugen konnten. Wir haben es tatsächlich geschafft, vulnerable Patientengruppen zu schützen. Das ist den Schweden nicht so gut gelungen. Die haben eine enorme Übersterblichkeit gerade bei den alten Patienten gehabt, bei den alten Menschen, und insofern ist das eben dieses Präventionsparadox. Den Schaden, den wir verhindert haben, den sehen wir nicht, und insofern erscheint uns diese Corona-Pandemie in Deutschland oder bezogen auf Deutschland als nicht so dramatisch. Das hätte hier aber auch ganz anders ausgesehen, wenn wir nicht so konsequent und so massiv Maßnahmen ergriffen hätten, die viele natürlich auch als Beschränkungen der persönlichen Freiheit sehen.

1: Das heißt, wenn wir jetzt lockerlassen und tatsächlich die berühmte zweite Welle kommt, dann kann oder könnte uns das trotzdem noch treffen wie in anderen Ländern?

2: Dann könnte uns das auch noch treffen wie in anderen Ländern. Zumindest dann, wenn sich wieder vermehrt alte Menschen anstecken. Das, was wir im Moment sehen, ist, dass sich junge Menschen anstecken. Eben gerade die, die aus dem Urlaub zurückkommen, die auch ein geringeres Risiko für einen schweren Verlauf haben, sodass natürlich das Gesundheitssystem derzeit weit entfernt von einer Überlastung ist. Wenn die das Virus aber breit in der Bevölkerung verteilen und sich vermehrt auch alte Menschen und Risikopatienten anstecken, dann werden wir auch wieder mehr Fälle im Krankenhaus sehen, dann werden wir auch wieder steigende Todesfälle haben. Wenn wir den Herbst und den Winter vor Augen haben, haben wir natürlich auch die vollen Wartezimmer beim Truppenarzt vor Augen, wo die Soldaten mit den Erkältungssymptomen sitzen. Und wenn ich jetzt gegen Grippe geimpft bin, habe ich schon mal eine infektiöse Erkrankung, die ich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ausschließen kann. Und dadurch wird natürlich das Gesundheitssystem enorm entlastet. Das betrifft aber nicht nur die Grippeschutzimpfung, sondern es betrifft genauso die Impfung gegen Keuchhusten. Auch da sollte man noch mal schauen, dass die tatsächlich aktuell ist, und das betrifft bei entsprechend lebensalten Kameraden gegebenenfalls die Pneumokokkenimpfung oder auch bei Mitarbeitern oder Kameraden mit Vorerkrankungen. Das betrifft letztendlich alle Impfungen gegen respiratorische Erkrankungen, also gegen Erkrankungen der Atemwege. Die sollten alle auf dem neuesten Stand sein, um eben dadurch, dass man zumindest gegen diese Erkrankungen geschützt ist, das Gesundheitssystem auch zu entlasten. Natürlich werden wir im Herbst vor dem Problem stehen, dass wir eben differenzieren müssen, ist das eine Virusgrippe, ist es Corona oder ein banaler Atemwegsinfekt. Aber wenn eben schon ein hoher Anteil der Soldaten gegen Influenza durchgeimpft ist, kann es auch dazu beitragen, dass die Kapazitäten des Truppenarztes und die Kapazitäten der Testlabore nicht an ihre Grenzen stoßen.

1: Wenn ich jetzt merke, ich habe einen Atemwegsinfekt und fühle mich nicht gut, wie verhalte ich mich dann richtig?

2: Wichtig ist, dass man erst telefonisch beim Truppenarzt einen Untersuchungstermin vereinbart und nicht einfach mit dem Verdacht im Hinterkopf, es könnte ja auch Cororna sein, ohne vorherige Terminabsprache beim Truppenarzt eintrifft. Denn wir möchten natürlich nicht, dass Patienten, die potenziell ansteckend sind, dort im Wartezimmer sitzen und dann vielleicht auch den Soldaten anstecken, der sich einfach nur das Sprunggelenk verstaucht hat. Insofern macht es durchaus Sinn, das auf spezielle Sprechstunden einzurichten, wo eben nur die Abstrichdiagnostik erfolgt. Soweit ich mich noch so gesund fühle, dass ich meine, dass ich das Ganze auch ohne ärztliche Behandlung sozusagen überstehe, kann ich mich auch telefonisch melden, eventuell auch telefonisch „krank zu Hause“ schreiben lassen und eben erst mal das Ganze zu Hause auskurieren. Nicht krank in den Dienst kommen als Held der Arbeit, denn damit ist, denke ich, niemandem gedient, wenn man dann das Risiko eingeht, seine Kameraden anzustecken.

1: Sehr guter Schlusspunkt. Genau. Danke. Wiederhören. Tschüss.

2: Tschüss.

1: Danke fürs Reinschalten in den Funkkreis. Weitere Informationen zum Thema finden Sie wie immer Internet oder schreiben Sie uns eine E-Mail auf podcast@bundeswehr.org . Passen Sie auf sich auf und auf die Menschen in Ihrer Umgebung. Bis nächsten Donnerstag. Tschüss.