Fluthilfe im Ahrtal: Nachbar, Helfer, Soldat
Fluthilfe im Ahrtal: Nachbar, Helfer, Soldat
- Datum:
- Ort:
- Köln
- Lesedauer:
- 3 MIN
Seit Wochen kämpft Deutschland mit den Folgen einer der schwersten Hochwasserkatastrophen, die es je gab. Menschen verloren ihr gesamtes Hab und Gut oder schlimmer – ihr Leben. Das Leid und die enormen Schäden führten zu beispielloser Hilfsbereitschaft. Ein Helfer der ersten Stunde ist Stabsfeldwebel Benjamin Vrijdaghs.
Vrijdaghs wohnt in dem 500-Seelen-Dorf Rech an der Ahr, wo er sich vor einem Jahr mit seiner Frau niedergelassen hat. Das kleine Dorf liegt inmitten von Weinbergen. Weinstuben und Biergärten laden durchfahrende Touristinnen und Touristen zum Verweilen ein. Geteilt wird der Ort durch einen kleinen Fluss, den man über eine historische Steinbrücke überqueren kann. Von diesem Idyll ist derzeit jedoch wenig übrig.
Nach der Flut bleibt das Chaos
Die katastrophale Flutwelle der Ahr reißt am 14. Juli 2021 Bäume, Autos, Häuser und sogar Brücken mit sich. Allein in Rech fallen der Flut sechzehn Häuser zum Opfer. Auch die historische Sankt-Nepomuk-Brücke gibt den gewaltigen Wassermassen nach. Als das Wasser zurückgeht, zeigt sich das gesamte Ausmaß der Zerstörung. Zwischen Schlammmassen finden sich Autowracks, Gebäudeteile und allerhand Unrat. Die Luft ist erfüllt von einem modrigen Gestank.
Zum Zeitpunkt der Katastrophe befindet sich Vrijdaghs im Urlaub. Als der Berufssoldat hört, was in seiner Wahlheimat los ist, tritt er sofort die Heimreise an. Da Rech zu diesem Zeitpunkt noch gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten ist, nutzt Vrijdaghs seine Ortskenntnis und gelangt über Waldwege letztlich doch nach Hause. Da sein Haus weitestgehend unversehrt geblieben ist, macht er sich sofort daran seinen Nachbarn zu helfen.
Militärische Erfahrung als Schlüssel in der Krise
Vrijdaghs ist im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBwBundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr) tätig und hier im Leitungsstab eingesetzt. In einer früheren Verwendung war er Büroleiter des Militärattachéstabs in Algerien. Darüber hinaus war er in Auslandseinsätzen im Kosovo sowie in Afghanistan. Als er die katastrophale Lage in seinem Ort sieht, beschließt er zu handeln und einen Krisenstab aufzubauen.
Bereits drei Tage später ist der Krisenstab nach militärischem Vorbild zusammen mit Bürgermeister und Polizeihauptkommissar Dominik Gieler sowie der freiwilligen Feuerwehr voll etabliert. Im Pfarrhaus der Gemeinde entsteht ein Lagezentrum. Hier laufen alle Infos zusammen, werden das Lagebild geführt und Aufgaben verteilt. Vrijdaghs setzt alle Hebel in Bewegung, um zunächst die Grundversorgung seiner Mitbürgerinnen und Mitbürger sicherzustellen. So organisiert er beispielsweise die Versorgung mit Hilfsgütern aus der Luft.
Das ist auch möglich, weil Kräfte der Bundeswehr zur Unterstützung nach Rech kommen. Sie errichten zwei Behelfsbrücken über die Ahr. Außerdem unterstützen die Soldatinnen und Soldaten zusammen mit Kräften des THWTechnisches Hilfswerk, des Deutschen Roten Kreuzes und anderer Organisationen bei Aufräumarbeiten, kochen Essen und gewährleisten die medizinische Versorgung der Bevölkerung.
Als Rech wieder zugänglich ist, strömen weitere Helferinnen und Helfer in den Ort, bringen Kleidung, Lebensmittel, Hygieneartikel und viele helfende Hände mit. „Es ist wirklich schön zu erleben, wie die Menschen hier zusammenhalten, egal ob aus Rech oder die Helfer von außen“, sagt Vrijdaghs sichtlich berührt. Er selbst hat eine befreundete Familie bei sich aufgenommen, die ihr Haus durch das Hochwasser verloren hat.
Auch wenn die Lage täglich besser wird, gibt es in den kommenden Wochen noch viel zu tun für das Team rund um Stabsfeldwebel Vrijdaghs und Bürgermeister Dieler. Rech ist noch immer ohne Strom und fließendes Wasser. Die Kanalisation ist teilweise zerstört und Handyempfang sowie Internet funktionieren nur sporadisch. Doch die Männer und Frauen an der Ahr sind weiterhin fest entschlossen ihre Heimat wiederaufzubauen.
Unermüdlich im Einsatz
Vrijdaghs ist quasi ohne Pause für sein Heimatdorf im Einsatz. Das BAPersBwBundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr hat ihn dazu auch unmittelbar nach der Katastrophe sofort im Rahmen der Soforthilfe abgestellt. Die Anstrengung ist ihm mittlerweile ins Gesicht geschrieben. Doch er hat immer einen lockeren Spruch auf den Lippen und sorgt so für etwas gute Laune bei Einheimischen und Helfenden. Was ihn zu diesem außergewöhnlichen Einsatz motiviert? „Wir Soldaten haben Corona größtenteils schadlos überstanden. Unser Geld kam immer pünktlich. Jetzt sind wir dran etwas zurückzugeben!“