Luftwaffe
eVAenhanced Vigilance Activities Polen

Mission in Polen beendet: Flugabwehr seit Anfang 2022 im Dauereinsatz

Mission in Polen beendet: Flugabwehr seit Anfang 2022 im Dauereinsatz

Datum:
Ort:
Bad Sülze
Lesedauer:
3 MIN

Lange Kolonnen von Militärfahrzeugen bewegen sich wieder über die A20 in Mecklenburg-Vorpommern. Die PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target-Staffeln kehren aus Polen zurück. Fast zehn Monate waren sie nahe der ukrainischen Grenze zum Schutz des polnischen Luftraums eingesetzt. Nun endete der vorläufig letzte Einsatz der Flugabwehr an der NATO-Ostflanke.

Ein militärisches Fahrzeug mit Radar steht auf einer Betonplatte.

Sonnenaufgang im Februar über der Ebene südlich von Zamość. Hier schützte die Bundeswehr mit dem Waffensystem PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target den polnischen Luftraum in unmittelbare Nähe zur ukrainischen Grenze.

Bundeswehr

Es war der 15. November 2022. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine wurde zu diesem Zeitpunkt bereits über sechs Monate geführt. Doch an diesem Tag hielt die Welt kurz den Atem an. Eine Rakete schlug auf dem Gebiet des NATO-Staates Polen ein. Zwei Männer, Arbeitnehmer in dem landwirtschaftlichen Betrieb, der durch die Rakete getroffen wurde, starben. In den Medien brodelten die Meinungen und Gerüchte, die Politik twitterte und alle stellten sich dieselbe Frage: Hatte die russische Föderation, mit oder ohne Absicht, einen NATO-Staat angegriffen?

Schnell gaben offizielle Stellen Entwarnung: Bei dem Objekt handelte es sich wahrscheinlich um eine fehlgeleitete Flugabwehrrakete der Ukraine. Doch ein Fakt blieb unbestritten bestehen, denn erstmals waren NATO-Staatsbürger auf eigenem Staatsgebiet aufgrund des Angriffskrieges gegen die Ukraine getötet worden.

Drei Staffeln PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target für den NATO-Partner Polen

Die deutsche Politik reagierte schnell. Die damalige Ministerin der Verteidigung, Christine Lambrecht, versprach dem polnischen Nachbarn Unterstützung bei der Luftverteidigung. Trotz bereits laufendem Einsatz in der Slowakei verlegten beginnend mit dem 23. Januar diesen Jahres drei Kampfstaffeln PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target der Flugabwehrraketengruppe 24 mit allen dazugehörigen Unterstützungselementen ins polnische Zamość. Insgesamt 287 Tage sicherten die Soldatinnen und Soldaten der Flugabwehr den Luftraum über der Stadt. Das primäre Schutzobjekt: Ein Eisenbahnknotenpunkt. 

Bis heute dienten ungefähr 700 Soldatinnen und Soldaten in zwei Kontingenten in der einsatzgleichen Verpflichtung „Air and Missile Defence Task Force“ (AMD TF) der „enhanced Vigilance Activities Poland“ (eVAenhanced Vigilance Activities POLPetrol, Oil and Lubricants). Mehr als 320 Fahrzeuge, von den Waffensystemkomponenten wie Radar und Startgerät bis zum Bundeswehr-LKW, wurden in den vergangenen neun Monaten durch die Bundeswehr von Deutschland nach Polen verlegt.

Rückkehr noch vor Weihnachten

Nun, am 15. November, exakt ein Jahr nach dem tragischen Einschlag der Rakete auf polnisches Staatsgebiet, beendete der Befehlshaber des Einsatzführungskommando der Bundeswehr, Herr Generalleutnant Bernd Schütt, mit einem feierlichen Appell die eVAenhanced Vigilance Activities POLPetrol, Oil and Lubricants und entband die Soldatinnen und Soldaten von ihrer Aufgabe. Ein klares Zeichen an den russischen Aggressor sei mit der Präsenz der Bundeswehr gesendet worden, sagte der General vor internationalen Pressevertretern vor Ort. Der Vertreter der Stadt Zamość dankte den deutschen Soldatinnen und Soldaten für ihren Einsatz. 

Der operative Einsatz des Waffensystems war bereits fünf Tage zuvor eingestellt worden. Rechtzeitig vor Weihnachten sollen nun die meisten Angehörigen des Einsatzverbandes, ob nun Flugabwehrsoldaten oder Unterstützungskräfte wie Feldjäger oder Sanitätspersonal, zuhause bei ihren Familien und Freunden sein können. Die Rückverlegung wird in vier Phasen von November bis Dezember andauern.

2023, die deutsche Flugabwehr am Limit

Für die Flugabwehr rund um das Waffensystem PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target war das Jahr 2023 ein Jahr der Extreme. Von Januar bis Juli waren zeitgleich fünf von elf Kampfstaffeln mit etwa 450 Soldatinnen und Soldaten des Flugabwehrraketengeschwaders 1 im Einsatz. Zwei Staffeln dienten bereits seit dem Frühjahr 2022 in der Slowakei zum Schutz des NATO-Verbündeten, es folgten 2023 drei Staffeln für den Nachbarn und Partner Polen. Aus verbliebenen Kräften in Deutschland und den beiden laufenden einsatzgleichen Verpflichtungen wurde, erneut mit kurzer Vorwarnzeit, ein temporärer Einsatzverband mit drei Kampfstaffeln für den Schutz des NATO-Gipfels in Litauen zusammengestellt. Zudem läuft derzeit bereits die zweite Ausbildung ukrainischer Soldaten am Waffensystem PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target für dieses Jahr. 

Einsatzbereitschaft 2024 im Fokus

Mehrfach haben die Kräfte der bodengebundenen Luftverteidigung in den vergangenen Monaten bewiesen, dass sie reaktionsschnell und bereit sind, wenn sie gebraucht werden. Mit dem vorläufigen Ende der letzten Auslandsverpflichtung verschiebt sich nun der Schwerpunkt dieser Einheiten.

Das kommende Jahr steht unter dem Augenmerk der Regeneration bei zeitgleichem Abstellen von Einheiten für die NATO Response Force (NRFNATO Response Force). Die Soldatinnen und Soldaten sollen die Gelegenheit bekommen, sich von den Anstrengungen nach mehreren Einsätzen erholen zu können. Mehrere Komponenten des Waffensystems PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target erhalten zudem die benötigte Wartung und Erneuerungen. Sowohl nationale als auch internationale Übungsvorhaben, zuletzt stark reduziert, sollen wieder in vollem Umfang stattfinden und somit die Einsatzbereitschaft der deutschen Flugabwehr auf höchstem Niveau halten. Denn es gilt der Grundsatz: Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz.

von Marc Steinbrecher